Impfungen für Fünf- bis Elfjährige: Kinderärzte kritisieren „massiven Druck“ der Politik
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In Deutschland können sich Kinder zwischen fünf und elf Jahren seit Montag impfen lassen.
© Quelle: imago images/Laci Perenyi
Berlin/Hannover. Die Impfkampagne für Kinder zwischen fünf und elf Jahren ist nach Ansicht des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte gut angelaufen. „Im Moment ist die Belieferung der Praxen offenbar bundesweit ganz ordentlich gelaufen und sollte zum Stillen der Nachfrage ausreichen“, teilte Bundessprecher Jakob Maske dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) mit. Die Nachfrage nach Impfungen sei „recht hoch“, vor allem für Beratungen auch gesunder Kinder in der Altersklasse. Lange Wartezeiten für Impftermine soll es aber nicht geben. „Eltern werden relativ rasch, sogar trotz Weihnachten auch noch in diesem Jahr einen Termin bekommen können.“
Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt seit Montag Impfungen für Kinder, die Risikofaktoren für einen schweren Covid-19-Verlauf oder Angehörige mit hohem Risiko haben. Es können nach individueller Entscheidung und ärztlicher Aufklärung aber auch alle Kinder geimpft werden.
Bundeselternrat: Stiko hat „Druck aus der Debatte genommen“
Für die Vorsitzende des Bundeselternrats, Christiane Gotte, ist die Impfkampagne für die unter Zwölfjährigen ein „hochemotionales und hochexplosives Thema“, wie sie dem RND sagte. Auf der einen Seite gebe es ablehnende Eltern, „die das Gefühl haben, ihre Kinder würden als Versuchskaninchen missbraucht, oder Nebenwirkungen fürchten“. Auf der anderen Seite stünden die Eltern, die ihr Kind auf jeden Fall impfen lassen wollen, weil sie „diesen Schritt auch im Sinne einer gesamtgesellschaftlichen Aufgabe sehen“.
Die eingeschränkte Empfehlung der Stiko werde in der Elternschaft aber „vorwiegend als vernünftig wahrgenommen“, so Gotte. Auch der Bundeselternrat begrüße diese Entscheidung. Die Stiko habe damit den „Druck aus der Debatte genommen, da sie Eltern und Ärzten die Entscheidung übertragen hat“.
Kritik an Ungeimpften
Für Kinderarzt Maske übt dafür aktuell die Politik „massiven Druck“ aus, der zu einer „großen Verunsicherung“ bei den Eltern führe. „Es werden politische Impfangebote für Impfungen gemacht, für die es noch gar keine medizinische Empfehlung gibt.“ Es würden außerdem falsche Eindrücke vermittelt, etwa dass das Impfen von Kindern Schulschließungen verhindere oder einen effektiven Beitrag zur Herdenimmunität leiste. Dabei müssten Schulen „unabhängig von der Impfung offen bleiben“ und für das Erreichen der Herdenimmunität mehr ungeimpfte Erwachsene vom Corona-Schutz überzeugt werden, so Maske.
Das sieht auch der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, so. Gegenüber dem RND sagte er: „Diese Erwachsenen müssen von der Politik noch stärker in den Blick genommen werden.“ Die Impfkampagne für Kinder sei unter anderem nur deshalb so bedeutend geworden, weil sich viele Erwachsene nicht impfen lassen würden.
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Kinderschutzbund: Keinen Druck auf Kinder ausüben
Unabhängig davon begrüße der Kinderschutzbund aber, dass nun auch ein geprüft sicherer Impfstoff für Kinder verfügbar sei. Dieser stelle besonders für Kinder mit Vorerkrankungen eine große Erleichterung dar, so Hilgers. „Deshalb sollten sie besonders schnell Zugang zur Impfung erhalten.“ Dies gelte aber auch für Familien, die sich für die Impfung ihres gesunden Kindes entscheiden.
Weil gerade die Jüngeren noch keine eigenen Entscheidungen treffen könnten, dürfe auf sie aber kein „direkter oder indirekter Druck“ ausgeübt werden, forderte Hilgers. „Die Teilnahme am sozialen Leben darf bei Kindern in der aktuellen Situation nicht vom Impfstatus abhängig sein.“
Kinderimpfungen an Schulen?
Laut dem letzten Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) vom vergangenen Donnerstag lag die Inzidenz bei den Fünf- bis Neunjährigen bei 951,19. In der Altersgruppe der Zehn- bis 14-Jährigen wurden in der Meldewoche sogar 1020,4 Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner registriert. Bei den Kindern waren die Werte damit mehr als doppelt so hoch wie der der generationenübergreifende Durchschnittswert von 462,99.
Impfungen an Schulen durchzuführen, wie es etwa die Bundesschülerkonferenz forderte, kommt für Hilgers derzeit aber nicht infrage. Angesichts der bald beginnenden Ferien „sollten die Impfungen und Beratungen zur Kinderimpfung zunächst in den Arztpraxen erfolgen“. Auch Maske hält nichts von einer beratenden Unterstützung durch Lehrer und Lehrerinnen. „Pädagogen sollten pädagogische Arbeit leisten und Mediziner medizinische.“
Lehrerverband: Impfungen an Schule „bequemer und einfacher“
Zustimmung gibt es dazu vom Präsidenten des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger: „Lehrkräfte sollten nicht direkt in solche Impfkampagnen eingebunden werden“, sagte er dem RND. „Das ist in der Tat weder ihre Aufgabe, noch verträgt es sich mit der ihnen zukommenden Neutralitätspflicht.“
Dennoch würden sich Impfungen an Schulen anbieten, „wenn der Wunsch vor Ort dazu besteht“, so Meidinger. So könnte die bereits vorhandene Impfbereitschaft unter Eltern zur Impfung ihrer Kinder schnell aufgefangen werden. Sein Argument: Dies sei „bequemer und einfacher“ für Eltern, als „eigene Arzttermine vereinbaren zu müssen“.