Ärzte kritisieren Impfstoffmangel: Woran hakt es bei der Verteilung der Vakzindosen?
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/HTI5NHP7XZECPGK72N63VZNB7M.jpeg)
Ein Hinweisschild hängt im Fenster des bayerischen Impfzentrums der Stadt München. Wer hat Schuld am Impfstoffmangel in Deutschland?
© Quelle: Peter Kneffel/dpa
Berlin. Die Booster-Impfkampagne rollt an, aber mit zum Teil großen Problemen. Impfzentren sowie Arztpraxen berichten von einem Mangel an Vakzindosen und müssen Impfwillige wieder nach Hause schicken.
Das Bundesgesundheitsministerium verweist derweil auf eine vollständige Lieferung aller Bestellungen. Zu den vielerorts kritisierten Minderlieferungen zieht das Gesundheitsministerium die Impfzentren und Arztpraxen in die Verantwortung. „In den meisten Beschwerdefällen hat sich gezeigt, dass Bestellungen zu spät oder nicht korrekt aufgegeben wurden“, sagte ein Ministeriumsprecher dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Für das erklärte Ziel von 30 Millionen Impfungen bis Jahresende ist laut BMG genug Impfstoff vorhanden, hieß es bereits vor einigen Tagen.
Kritik kommt von den Hausärzten. Die besten politischen Impfziele nützten gar nichts, „wenn in den Hausarztpraxen vor Ort die Impfstofflieferungen zum Teil um bis zu zwei Drittel gekürzt werden“, kritisierte der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt.
Corona-Impfung soll in Apotheken möglich werden
Laut einem Beschluss der Länder könnten Corona-Impfungen in Apotheken über eine zeitlich befristete Ausnahmegenehmigung ermöglicht werden.
© Quelle: Reuters
„Die Hausärztinnen und Hausärzte brauchen jetzt Verlässlichkeit, dass sie die Menge an Impfstoff, die sie bestellt haben, von dem jeweiligen Hersteller zu dem festgelegten Zeitpunkt erhalten. Sonst müssen Impftermine immer wieder verschoben oder sogar abgesagt werden und die großen Ziele der Impfkampagne geraten schnell ins Wanken“, sagte er.
Lieferungen werden vorgezogen
Wie am Mittwoch bekannt wurde, hat der Bund mit dem Impfstoffhersteller Moderna allerdings vorgezogene Lieferungen vereinbart. Zehn Millionen Dosen werden aus dem dritten Quartal 2022 in den Dezember 2021 vorgezogen. Die ersten dieser Dosen werden in der nächsten Wochen ausgeliefert.
Auch mit Biontech wurden zeitlich vorgezogene Lieferungen vereinbart. Zusätzlich versucht das Gesundheitsministerium laut eigenen Angaben, nicht benötigten Biontech-Impfstoff aus EU-Nachbarstaaten zu bekommen.
Im laufenden Quartal gingen über 95 Millionen Dosen an die Covax-Initiative (Covid-19 Vaccines Global Access). Zusätzlich sind weitere 7,7 Millionen Dosen direkt an Partnerstaaten gegangen, darunter Namibia und die Ukraine. Hat Deutschland womöglich im November zu viele Dosen ins Ausland gespendet – und nicht für Nachschub gesorgt?
Dahmen: „Booster-Kampagne ist nicht richtig vorbereitet worden“
Der Grünen-Gesundheitsexperte Janosch Dahmen lobt die Beteiligung an der Initiative, kritisiert aber die Versäumnisse bei den Nachbestellungen. So sei es gut und richtig, dass Deutschland international seiner Verantwortung in der Pandemiebekämpfung nachkomme. „Aber das Bundesgesundheitsministerium hat offenbar nicht genug nachbestellt, weil man hoffte, vor allem auf Moderna setzen zu können“, sagt der Politiker dem RND.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/SFYYF7BUVFEARA4FKWX4L5J7AQ.jpeg)
Janosch Dahmen, Gesundheitsexperte der Grünen und Bundestagsabgeordeneter.
© Quelle: Kay Nietfeld/dpa
„Dass das aber ein großer logistischer Aufwand für die Arztpraxen ist und viele Impfwillige durch solche Entscheidungen verunsichert werden, wurde unterschätzt.“ Dahmen sieht den Fehler auch beim BMG: Dosen würden fehlen, weil die nötige Booster-Kampagne nicht vorbereitet worden sei.
Wie der Impfstoff in Deutschland geliefert wird
Zuständig für die Verteilung des Impfstoffes sind das Bundesgesundheitsministerium und die Bundesländer. Koordiniert wird sie von der vom Gesundheitsministerium gegründeten Taskforce Impfstoffproduktion (TIP). Zu Beginn wurde der Impfstoff über die TIP an insgesamt 27 Stellen in den 16 Bundesländern und von dort aus an die Impfzentren verteilt.
Die Arztpraxen wurden von Beginn an über den pharmazeutischen Großhandel und die Apotheken beliefert. Mittlerweile werden alle Impfstandorte auf diesem Wege mit Impfstoff versorgt. Die Verteilung der Impfstoffe an den Großhandel erfolgt über die Bundeswehr.
Dahmen bemängelt die Koordination zwischen Bund und Ländern: „Unklar ist auch, was mit Millionen Dosen passiert ist, die der Bund bereits an die Länder geliefert hat. Es gibt ein Gap zwischen den gelieferten und den tatsächlich gemeldeten verimpften Dosen“, sagt er. „Deswegen ist die Arbeit des neuen Corona-Krisenstabs im Kanzleramt so wichtig. Er soll für eine bessere Koordination zwischen Bund und Ländern sorgen und sicherstellen, dass möglichst jede Impfdose verimpft wird.“
Auch das Gesundheitsministerium hat keine abschließende Erklärung, wie die Differenz entsteht. Vorstellbar sei, dass sich „durch ausgelieferte Dosen, die möglicherweise verimpft, aber nicht in das System gemeldet wurden“, die Lücken ergeben.