Nach Karlsruher Urteil

Union bringt Aussetzung der Teilimpfpflicht ins Gespräch

In den Pflegeheimen gilt ab 16. März eine einrichtungsbezogene Impfpflicht.

In den Pflegeheimen gilt ab 16. März eine einrichtungsbezogene Impfpflicht. Diese wurde am 19. Mai vom Bundesverfassungsgericht bestätigt.

Trotz der Bestätigung durch das Bundesverfassungsgericht hat die Union eine Aussetzung der Impfpflicht für die Beschäftigten in Kliniken und Pflegeeinrichtungen ins Gespräch gebracht. Zwar sei die Teilimpflicht unter den Bedingungen einer gefährlichen Virusvariante geboten, sagte Unions-Fraktionsvize Sepp Müller (CDU) dem RedaktionsNetzwerk (RND). „Angesichts der milderen Verläufe durch Omikron und der nach wie vor vielen offenen Fragen bei der praktischen Umsetzung muss aber geprüft werden, ob die einrichtungsbezogene Impfpflicht noch angemessen und verhältnismäßig ist“, betonte er.

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Zu den Umsetzungsfragen werde die Unions-Bundestagsfraktion eine parlamentarische Anfrage an die Bundesregierung stellen. „Fallen die Antworten weiter unbefriedigend aus, werden wir uns als Union für eine Aussetzung der Impfpflicht ernsthaft mit der Ampel unterhalten“, sagte Müller.

In der Pflegebranche löste das Urteil ein geteiltes Echo aus. Kritik übte der Berufsverband privater Anbieter sozialer Dienste (BPA): „Seit dem Aus für die allgemeine Impfpflicht ist kaum zu erklären, warum Mitarbeitende in Pflegeeinrichtungen und Einrichtungen der Eingliederungshilfe mit gesetzlichem Druck zu einer Impfung verpflichtet werden, während Angehörige und Besucher weiterhin ungeimpft bleiben können“, sagte BPA-Präsident Bernd Meurer dem RND.

„Wir hätten uns ein Signal des Gerichts für mildere Mittel wie engmaschige Testpflichten und die Aufrechterhaltung der sonstigen bisherigen Schutzmaßnahmen gewünscht“, so der BPA-Präsident. Nun bestehe die Gefahr, dass Pflegekräfte aus dem Beruf ausscheiden: „Das könnte angesichts der ohnehin bestehenden Personalknappheit in manchen Regionen die Versorgung gefährden. Es muss jetzt darum gehen, die Belastungen der Einrichtungen so gering wie möglich zu halten.“

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Deutschen Berufsverband für Pflegeberufe

Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe (DBfK) hingegen befürchtet keine vermehrten Kündigungen dadurch, dass die Impfpflicht bestehen bleibt: „Mit Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht haben wir gesehen, dass es nicht zu einer Kündigungswelle kam. Wir gehen davon aus, dass sich daran auch durch das Urteil nichts ändern wird“, sagte DBfK-Präsidentin Christel Bienstein. Vielmehr sei das Urteil für Einrichtungen, die praktisch mit der Impfpflicht umgehen müssten, hilfreich: „Das Urteil bringt möglicherweise eher eine Beruhigung in die Debatten, da es die rechtlichen Grundlagen nun geklärt hat.“

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Doch auch der DBfK pocht auf eine allgemeine Impfpflicht als Ergänzung zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht: „In den Einrichtungen gehen nicht nur Beschäftigte ein und aus. Wenn man die besonders vulnerablen Menschen durch die Impfpflicht wirksam schützen und einen Weg aus der Pandemie finden will, reicht es nicht aus, wenn nur die Mitarbeitenden geimpft sein müssen“, so Bienstein.

Verband der Schwesternschaften vom DRK

Der Verband der Schwesternschaften vom DRK geht davon aus, dass die Bestätigung durch das Bundesverfassungsgericht „keinerlei Auswirkungen auf die Impfquote in den Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen haben wird“. Auch mit vermehrten Kündigungen rechnet der Verband der Schwesternschaften nicht.

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Zwar habe es bei der Einführung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht Unmut gegeben, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts werde hingegen keine branchenweite Unruhe auslösen: „Es kam zu Unmut von Einrichtungsträgern und Beschäftigten wegen diverser nicht geklärter Fragen und hohem administrativen Aufwand“, erklärte Verbandspräsidentin Gabriele Müller‑Stutzer.

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Müller-Stutzer gehe davon aus, dass die Frage nach der allgemeinen Impfpflicht im Herbst des Jahres neu diskutiert wird: „Auch vor dem Hintergrund der dann vorherrschenden Virusvariante, verfügbarer angepasster Impfstoffe und der Hospitalisierungsrate“, so die Verbandspräsidentin.

Die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Heike Baehrens, zeigte sich erfreut. Denn allen müsse klar sein, dass die Pandemie noch nicht überwunden sei. Für die Gesundheitspolitikerin ist der Gerichtsentscheid aber nur ein Teilerfolg: „Natürlich wäre es richtig gewesen, die Einrichtungsbezogene Impfpflicht in eine allgemeine Impflicht einzubetten. Denn das medizinische Personal trägt nicht die alleinige Verantwortung, Immunschutz zu erreichen, ist eine Aufgabe für unsere gesamte Gesellschaft. Diese Impfpfplicht ist aber leider vorerst gescheitert.“ Mit einer allgemeinen Impfpflicht sei auch die Abwanderung von impfunwilligem Personal in andere Berufe keine Option gewesen, so Baehrens.

Auch aus Reihen der FDP-Bundestagsfraktion fand die Bestätigung für die einrichtungsbezogene Impfpflicht Zuspruch. Christine Aschenberg-Dugnus, gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, hält es jedoch für unwahrscheinlich, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht jetzt überhaupt eine Auswirkung auf die Pflegebranche haben wird: „Denn der Großteil der Pflegekräfte in Deutschland hat sich aus Verantwortung für die vulnerablen Gruppen bereits impfen lassen“, ist sich die Liberale sicher. Sie würde persönlich auch erwarten, dass ihre Verwandten von geimpften Fachpersonal betreut würden.

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CDU fordert Lauterbach auf, „endlich eine Datenlage“ zu den Impfquoten zu schaffen

Genau diese Sorge, dass ungeimpftes Fachpersonal nun abwandern könnte, treibt jedoch den Christdemokraten und gesundheitspolitischen Sprecher Tino Sorge um. Die Gerichtsentscheidung gebe zwar Rechtssicherheit, dürfe aber nicht über große Probleme in der praktischen Umsetzung hinwegtäuschen: „Berichte über Kündigungen, abgebrochene Ausbildungen und Personalengpässe dürfen wir nicht ignorieren. Sie werfen die Frage auf, ob die Impfpflicht im Gesundheitswesen das richtige Instrument ist“, sagte Sorge.

Es sei nun an Minister Lauterbach mit den Bundesländern „endlich eine Datenlage schaffen, mit der die Effekte der Impfpflicht transparent beurteilt“ werden könnten. „Momentan wissen wir nicht einmal, wie stark die Impfquoten im Gesundheitswesen seither gestiegen sind. Ebenso unklar ist, wie viele Menschen die Gesundheitsberufe verlassen haben“, so Sorge weiter. Auf dieser sachlichen Grundlage müsse dann entschieden werden, ob die Impfpflicht beibehalten werden könne oder ausgesetzt werden müsse.

Grüne: „Schutz vulnerablen Gruppen wiegt schwerer als die Grundrechte einiger weniger“

Der These von der Abwanderung aus der Pflegebranche widerspricht jedoch Janosch Dahmen, Gesundheitspolitiker der Grünen: „Heraufbeschworene Kündigungswellen auf Grund der Impfpflicht sind nicht eingetreten. Im Gegenteil die systematische Erfassung der Impfquoten hat gezeigt, dass bestehende Impflücken seit Einführung der Impfpflicht gezielt geschlossen werden konnten und mit wenigen regionalen Ausnahmen die Impfquote im Gesundheitswesen heute bei über 95 Prozent liegt“, sagte er dem RND.

Deshalb begrüße er die heutige Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, dass der Schutz der vulnerablen Gruppen verfassungsrechtlich schwerer wiege, als die Beeinträchtigung der Grundrechte einzelner weniger Gesundheitsfachkräfte, die sich und andere nicht durch eine Impfung schützen lassen möchten.

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