Lockerungen, Genesenenstatus, Impfpflicht: Das sind die Debatten vor dem Corona-Gipfel
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Einkaufen bald auch als getestete Person? Die 2G-Regel im Einzelhandel könnte im März fallen.
© Quelle: Jens Kalaene/dpa-Zentralbild/dpa
Berlin. Pünktlich zu den Bund-Länder-Beratungen am Mittwoch, bei denen ein Lockerungsplan beschlossen werden soll, hat Deutschland nach Angaben von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) den Höchstwert der Omikron-Zahlen erreicht. „Der Höhepunkt der Omikron-Welle ist überschritten – ziemlich genau an dem Tag, den ich vor einem Monat vorausgesagt hatte“, sagte der SPD-Politiker der „Bild“-Zeitung am Dienstag. Daher seien „maßvolle Lockerungen“ von Corona-Beschränkungen nun möglich.
Lockerungen sorgen für Kritik und Warnungen
Der Bund will am Mittwoch einen stufenweisen Öffnungsplan beschließen – das stößt bei vielen Ministerpräsidentinnen und ‑präsidenten auf Zustimmung. Zunächst sollen die Kontaktbeschränkungen für Geimpfte aufgehoben werden und bundesweit – sofern noch nicht geschehen – die 2G-Regel im Einzelhandel fallen.
Im nächsten Schritt soll ab 4. März unter anderem die 2G-plus-Regel in der Gastronomie durch die 3G-Regel ersetzt werden. Im dritten und letzten Schritt Richtung Normalität sollen ab 20. März alle tiefgreifenden Einschränkungen fallen – Maßnahmen wie die Maskenpflicht sollen weiterhin bestehen bleiben.
Das ist aber nur möglich, wenn der rechtliche Rahmen dafür im Infektionsschutzgesetz über den 19. März hinaus geschaffen wird – der Bundestag kann die Maßnahmen noch einmal für drei Monate verlängern.
Der Hausärzteverband begrüßt die „konkrete Öffnungsperspektive“. Der Bundesvorsitzende Ulrich Weigeldt sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „In Anbetracht der in der Regel milderen Verläufe bei einer Infektion mit der Omikron-Variante und den Erfahrungen aus dem Ausland ist dieser Schritt richtig und notwendig.“
Bund-Länder-Runde mit Bundeskanzler Scholz berät über Corona-Exit-Strategie
Mit dem erklärten Willen zu stufenweisen Lockerungen der Corona-Maßnahmen beraten die Ministerpräsidenten heute erneut mit Bundeskanzler Scholz.
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Ramelow: Mit den Sonderregeln sollte man Schluss machen
Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) hat im Vorfeld der Ministerpräsidentenkonferenz dafür plädiert, die Sonderregeln des Infektionsschutzgesetzes wie die Sperrstunde oder Kontaktbeschränkungen nach dem 19. März zu beenden. „Mit den Sonderregeln sollte man Schluss machen“, sagte er dem RND.
Das bedeute aber nicht, dass der Kampf gegen die Corona-Pandemie damit beendet sei, sondern lediglich, dass man das Gesetz „entschlacken“ müsse. Ramelow betonte: „Ich erwarte verallgemeinerungsfähige Regeln, die deutschlandweit einheitlich gelten. Außerdem müssen diese Regeln widerspruchsfrei sein. Wer 3G im Einzelhandel abschaffen und durch das Tragen von Masken ersetzen möchte, der muss dafür die Voraussetzungen schaffen.“
„Wir müssen raus aus dem Lauterbach-Modus, hin zum Freiheitsmodus“, umriss Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch am Montag die Position der Linken im Bundestag. „In anderen Ländern wird viel entschlossener vorangegangen“, sagte Bartsch und fügte hinzu, er würde es ausdrücklich begrüßen, wenn auch in Deutschland – „natürlich wissenschaftsbasiert“ – entschlossene Schritte gemacht würden. Dabei müssten Kinder und Jugendliche ganz weit vorn stehen. Sie seien häufig Pandemieverlierer gewesen. Gerade dort, wo etwas für diese Altersgruppe getan werden könnte, sollte das unbedingt rasch erfolgen.
Kritik kommt hingegen vom Deutschen Kinderschutzbund. Präsident Heinz Hilgers warnte davor, den Anspruch von Eltern auf zusätzliche Kinderkrankentage zu kippen, wenn ihre Kinder sich mit Corona infizieren und Eltern deshalb zu Hause bleiben müssen. „Nach meinen Informationen soll dieser Anspruch am Mittwoch abgeschafft werden; und ich kann die Ministerpräsidenten und den Bundeskanzler davor nur warnen“, sagte Hilgers dem RND. „Denn wir hatten bei Kindern noch nie so hohe Corona-Infektionszahlen wie heute. Das führt dazu, dass Eltern zu Hause bleiben müssen, auch weil Kitas und Schulen sich teilweise von selbst schließen. Ausgerechnet in dieser Situation den Anspruch auf zusätzliche Kinderkrankentage abzuschaffen ist absurd.“
Wegen der Pandemie war die Zahl der Kinderkrankentage im vergangenen Jahr von sonst zehn auf 30 pro Elternteil verdreifacht worden. Die Leistung wurde auch gewährt, wenn Kinder wegen eingeschränkten Schul- oder Kita-Betriebs zu Hause betreut werden mussten.
Ärger um Genesenenstatus
Bei den Bund-Länder-Beratungen soll auch der Wirbel um den Genesenenstatus ein Thema sein. Laut Beschlussvorlage sollen die Festlegungen zum Genesenenstatus nicht mehr das Paul-Ehrlich- und das Robert Koch-Institut (PEI, RKI) allein treffen können. Am Dienstag wurde bekannt, dass das RKI seine Vorgaben zum Genesenenstatus kürzlich erneut angepasst hatte. Das Genesenenzertifikat gilt für Geimpfte nun doch für sechs Monate, für Ungeimpfte nach wie vor für drei Monate.
Für FDP-Vize Wolfgang Kubicki ist die derzeitige Regelung „nicht verfassungskonform“. Der Weg zu einer rechtssicheren und wirksamen Änderung des Genesenenstatus führe zwingend über den Bundestag, teilte er dem RND mit. Kubicki führte die „deutlichen Hinweise“ des Bundesverfassungsgerichts an. „Hinzu kommen die noch deutlicheren Entscheidungen verschiedener Verwaltungsgerichte und das Gutachten des Wissenschaftlichen Dienstes“, ergänzte er und forderte: „Daher sollte das Robert Koch-Institut die ursprüngliche Geltungsdauer von sechs Monaten umgehend wiederherstellen.“
Unionsfraktionsvize Sepp Müller kündigte an, die Union werde einen Antrag in den Bundestag einbringen, „der die Wiederausdehnung des Genesenenstatus auf 180 Tage vorsieht“. Der CDU-Politiker sagte dem RND zudem: „Die Übertragung der Kompetenz für die Dauer des Genesenenstatus auf das RKI muss rückgängig gemacht werden.“
Unsicherheit bei der Impfpflicht
Keine gute Startposition zeichnet sich derweil für den aus den Reihen der Ampelkoalition stammenden Gruppenantrag für eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren ab. In einer ungewöhnlichen Allianz protestierten am Dienstag die gesetzlichen und die privaten Krankenversicherer zusammen vehement gegen das Vorhaben, sie mit der Abfrage und Kontrolle des Impfstatus sowie der Weiterleitung der Namen von Impfverweigerern an das Ordnungsamt zu beauftragen. „Krankenversicherungen dürfen von ihren Versicherten nicht als Impfpolizei wahrgenommen werden“, heißt es in einer Erklärung.
Abfrage, Kontrolle und Weiterleitung individueller Impfdaten sei die Aufgabe staatlicher Stellen. „Das Vertrauen der Menschen in die Krankenversicherungen für den besonders sensiblen Gesundheitsschutz darf nicht gefährdet werden“, mahnten die Versicherungen.