Die Corona-Pandemie fordert die Parteien heraus
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/7NJ5MABOZJAEFG3E4R2PSZ5OGU.jpeg)
Kleiner Parteitag der CDU Niedersachsen Ende Februar. So etwas ist derzeit nicht möglich.
© Quelle: Hauke-Christian Dittrich/dpa
Berlin. Die Parteien, so viel ist klar, sehen sich derzeit mit enormen Problemen konfrontiert, und zwar wegen der Corona-Pandemie. Das erste Problem besteht darin, dass etwa die Linke und die CDU nicht wissen, ob sie bei den für den Herbst geplanten Parteitagen neue Vorsitzende wählen können. Bei der CDU hängt von der Entscheidung womöglich auch die Zukunft des Landes ab. Denn den aktuellen Umfragen zufolge würden CDU und CSU nach Angela Merkel wohl erneut den Kanzler stellen.
Das zweite Problem der Parteien besteht darin, dass sie in den nächsten Monaten Tausende Direktkandidaten für die Bundestagswahl aufstellen und diese wiederum auf Landeslisten platzieren müssen; sonst kann die Bundestagswahl nicht stattfinden. Bisher muss all das analog – also bei Parteiversammlungen mit physisch anwesenden Delegierten – erfolgen.
Grüne üben Kritik
Für das zweite Problem haben Union und SPD nun eine Lösung gefunden. Ein Entwurf zur Änderung des Bundeswahlgesetzes sieht “für Fälle einer Naturkatastrophe oder eines ähnlichen Ereignisses höherer Gewalt” vor, das Bundesinnenministerium per Rechtsverordnung zu ermächtigen, abweichende Regelungen zuzulassen.
Kandidaten könnten sich dann schriftlich bewerben und auch auf diesem oder elektronischem Weg vorstellen. Die Schlussabstimmung über die Nominierung müsste per Briefwahl geschehen. Der Entwurf soll in der kommenden Woche in den Bundestag eingebracht werden.
Der Bundesgeschäftsführer der Grünen, Michael Kellner, kritisiert das Vorhaben. “Gegen die geplante Regelung zur Aufstellung von Bundestagskandidaten haben wir handwerkliche Bedenken”, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). “Sie ist zu unbestimmt; da muss nachgebessert werden. Die Entscheidung darüber darf auch nicht beim Bundesinnenministerium liegen, sie muss durch gewählte Abgeordnete erfolgen.” Und schließlich müssten die Kriterien klarer sein, wann und unter welchen Umständen Kandidaten online nominiert werden könnten.
Kellner vermisst außerdem eine Regelung zu digitalen Parteitagen und der Frage, ob diese auch Personalentscheidungen fällen dürfen – obwohl sich die Generalsekretäre und Bundesgeschäftsführer aller demokratischen Parteien darauf im Prinzip bereits verständigt hatten. “Der Gesetzentwurf ist insgesamt unausgegoren”, sagte er. “Die Große Koalition hat wesentliche Punkte gar nicht aufgegriffen. Und ich hoffe, dass sie sich da noch mal bewegt.” Es gebe zum Beispiel unterschiedliche Rechtsauffassungen, ob Onlineparteitage überhaupt zulässig seien. Da müsse Klarheit herrschen.
“Im absoluten Notfall müssen Onlineparteitage zudem auch Personalentscheidungen fällen und Vorsitzende wählen können”, findet der Parteimanager. Eine entsprechende Reform müsse “bald passieren”. Dann würde neben einer Änderung des Bundeswahlgesetzes auch eine Änderung des Parteiengesetzes fällig.
Parteitage sollen stattfinden
Unterdessen arbeiten Linke und CDU daraufhin, die Parteitage in Erfurt wie in Stuttgart wie vorgesehen analog stattfinden zu lassen – und das bedeutet: in reduzierter Form. Denn Großveranstaltungen soll es nach der jüngsten Übereinkunft von Bund und Ländern eigentlich bis zum Jahresende nicht geben.
Die Zahl der Beobachter und Gäste, die bei Parteitagen oft so groß ist wie jene der Delegierten, müsste dafür radikal reduziert werden. Reduziert werden müsste auch die Tagesordnung der Parteitage – nämlich auf das Wesentliche: die Wahlen. Abstands- und Hygieneregeln wären selbstverständlich einzuhalten.
Für die Parteien gilt jedenfalls, was bis zum Ende der Pandemie für alle gilt: Es ruckelt.