Griechenlands Corona-Strategie scheint aufzugehen
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Griechische Militärhubschrauber überfliegen die Akropolis in Athen.
© Quelle: Yorgos Karahalis/AP/dpa
Athen. Wenn Sotiris Tsiodras allabendlich vor den Kameras und Mikrofonen Platz nimmt, um die aktuelle Corona-Lage zu erläutern, kann man manchmal an seiner Miene erkennen, was er gleich von seinen Notizen ablesen wird.
Am Montagabend wirkte der Chef der griechischen Corona-Expertenkommission entspannt. 56 neue bestätigte Infektionen meldete Tsiodras für die vorangegangenen 24 Stunden. Damit stieg die Gesamtzahl gegenüber dem Vortag nur um rund fünf Prozent auf 1212 Fälle.
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Die Zahl der festgestellten Infektionen steigt zwar auch in Griechenland von Tag zu Tag weiter an – aber weniger schnell als in den meisten anderen europäischen Ländern. Die Kurve verläuft relativ flach.
Frühes Handeln zahlt sich aus
“In unserem Land breitet sich die Pandemie langsamer aus als in Italien, Frankreich, Spanien, Deutschland oder Großbritannien”, berichtet Tsiodras. “Unsere Maßnahmen zeigen offenbar Wirkung”, hofft der in Harvard ausgebildete Medizinprofessor.
Früher und konsequenter als viele andere Länder ergriff die griechische Regierung Maßnahmen, um die Ausbreitung des Virus zu verlangsamen. Bereits am 10. März wurden alle Schulen und Universitäten geschlossen, Sportveranstaltungen abgesagt, Versammlungen verboten und Strände gesperrt. Wenige Tage später mussten auch alle Gaststätten und Einzelhandelsgeschäfte schließen. Inzwischen dürfen die Menschen ihre Wohnungen nur noch mit triftigem Grund verlassen.
Seit Mitte März steigt die Zahl der Infizierten pro Tag um durchschnittlich weniger als zehn Prozent. Das ist eine im internationalen Vergleich niedrige Zunahme. In Deutschland beispielsweise lagen die täglichen Zuwachsraten im März durchschnittlich bei 20 bis 30 Prozent, bevor sie in der letzten Woche etwas abflachten.
Aktuell liegt Griechenland mit 102 Infektionsfällen pro einer Million Einwohner weltweit auf Platz 66. Eine Woche zuvor befand sich das Land noch auf Rang 55. Auch das zeigt: Die Zunahme verläuft in Griechenland langsamer als in anderen Ländern.
Die schwierigste Phase der Epidemie liegt noch vor uns
Nikos Syfas, Professor für Infektionskrankheiten an der Athener Kapodistrias-Universität
Damit wird das Gesundheitssystem entlastet – ein wichtiger Gesichtspunkt gerade in Griechenland. Denn nach zehn Jahren Sparkurs während der Schuldenkrise sind viele Kliniken in einem desolaten Zustand. In Griechenland gibt es nur rund acht Intensivbetten pro 100.000 Einwohner. Damit hat das Land viel weniger Kapazitäten als Deutschland (34 Intensivbetten pro 100.000 Einwohner), aber auch weniger als Italien (12,5) und Spanien (9,5).
Zu früh für eine Entwarnung
Die gemeldeten Corona-Fälle sind allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Wie groß die Dunkelziffer der bisher nicht entdeckten Infektionen ist, weiß keiner. “Die schwierigste Phase der Epidemie liegt noch vor uns”, warnt Nikos Syfas, Professor für Infektionskrankheiten an der Athener Kapodistrias-Universität.
Für eine Entwarnung sei es noch zu früh, meint der Mediziner. Frühestens Mitte April werde man ein Bild haben, ob die Maßnahmen wirklich greifen, heißt es im griechischen Gesundheitsministerium.