Mehr Corona-Ausbrüche: Patientenschützer kritisiert „Russisch Roulette“
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In Alten- und Pflegeheimen steigt die Zahl der Corona-Ausbrüche wieder – Verbände werfen der Politik vor, sich nicht ausreichend um das Problem zu kümmern.
© Quelle: Symbolfoto, Frank Rumpenhorst/dpa
Berlin/Hannover. Deutschland lockert die Corona-Maßnahmen. In drei Stufen sollen bis zum 20. März beinah alle Maßnahmen fallen. In die Freude über den überstandenen Höhepunkt der Omikron-Welle hinein schickt das Robert Koch-Institut (RKI) jedoch mahnende Zahlen: Die Corona-Ausbrüche in Alten- und Pflegeheimen sind in der Woche bis zum 13. Februar erneut angestiegen, wie aus dem am Donnerstagabend veröffentlichten RKI-Wochenbericht hervorgeht.
Die Zahl der aktiven Ausbrüche in Alten- und Pflegeheime sei auf 414 gestiegen (Vorwoche: 373). 5226 Fälle seien in diesen Ausbrüchen übermittelt worden. In medizinischen Behandlungseinrichtungen blieb die Zahl der aktiven Ausbrüche demnach „stabil, aber auf hohem Niveau“.
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Patientenschützer spricht von „Russisch Roulette“
Ein Grund dafür? Laut Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, die fehlende „funktionierende, Menschen schützende Strategie“ von Bund und Länder. Deutschland befinde sich aktuell in der liberalen Öffnungseuphorie. „Doch Hunderte Corona-Tote werden Tag für Tag abgestumpft hingenommen. Dabei wird ignoriert, dass Impfen und Boostern bei den Pflegebedürftigen nicht ausreichen“, beklagt Brysch im Gespräch mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Die Ansteckung und Weitergabe des Virus sei hier eher die Regel als die Ausnahme. „Wenn sich infizierte und nicht infizierte Heimbewohner ein Zimmer teilen müssen, ist das Russisch Roulette.“ Das passiere heute immer wieder.
Um erneute Corona-Hotspots in Heimen zu verhindern, fordert Brysch „lokale Ausweichquartiere.“ Man könne in den Einrichtungen nur schwer Räume zur Isolation von Erkrankten vorhalten. „Krankenhäuser, Rehaeinrichtungen, selbst Hotels müssen in der Lage sein, diesen Part zu übernehmen“, zählt der Patientenschützer auf. Ohne eine externe medizinisch-pflegerische Taskforce werde es nicht gelingen, Infektionsketten zu unterbinden. „Mit den vorhandenen Kräften im Heim ist das nicht zu stemmen.“
Wieder mehr Menschen über 70 auf Intensivstationen
Vor allem die weiter hohe Inzidenz in der Bevölkerung besorgt Alexander Schraml vom Bundesverband der kommunalen Senioren- und Behinderteneinrichtungen (BKSB). „Seit Beginn der Pandemie ist klar, dass die Bewohnerinnen und Bewohner in den Senioreneinrichtungen nur geschützt werden können, wenn insgesamt eine niedrige Inzidenz vorhanden ist“, sagte der Vorsitzende dem RND.
„Die Herausforderungen in den Heimen werden erst signifikant besser werden, wenn die Inzidenzen im niedrigen Bereich sind.“ Insgesamt zeigten die Ergebnisse aus der Ministerpräsidentenkonferenz, dass „die Belange der Heime nicht ausreichend berücksichtigt worden“ seien.
Vor allem über 80-Jährige betroffen
Und auch auf den Intensivstationen machen sich die Folgen der weiter steigenden Fallzahlen in Alters- und Pflegeheimen wieder bemerkbar. Laut Gernot Marx, Vorsitzender der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi), beobachte man bereits seit Ende Januar eine deutliche Verschiebung in der Altersstruktur der Intensivpatienten. „Derzeit kommen verstärkt die über 80-Jährigen wegen Corona auf die Intensivstation.“ In dieser Altersgruppe stiegen die Fallzahlen zwischen dem 17. Januar und 17. Februar von 239 Patienten auf 463.
„Anteilig lag diese Altersgruppe Mitte Januar bei nur 9 Prozent, jetzt bei 19.“ Auch der Anteil der Patienten in den Siebzigern sei von 21 Prozent auf 25 Prozent gestiegen. „Das ist die zweitgrößte Altersgruppe der Covid-Patienten derzeit auf deutschen Intensivstationen“, sagte Marx dem RND.
Auf den Intensivstationen sei das Patientenaufkommen aktuell jedoch beherrschbar. „In jeder Welle hat sich das Infektionsgeschehen zunächst in den jüngeren Altersgruppen abgespielt und wurde dann auch in die älteren, vulnerablen Gruppen getragen.“