Comeback für Sebastian Kurz? Warum Politiker trotz großer Skandale wieder gewählt werden
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/FBQ5TU5OLBG6TLPFXDRMN5P3LI.jpg)
Politkwissenschaftler Tarik Abou-Chadi blickt auf den Rücktritt von Österreichs Kanzler Sebastian Kurz.
© Quelle: dpa/privat/Montage/RND
Tarik Abou-Chadi ist Politikwissenschaftler und Professor an der University of Oxford. Im Interview mit dem RedaktionsNetzwerk Deutschland spricht er über den Rückzug von Sebastian Kurz als Bundeskanzler Österreichs und warum Politiker trotz großer Skandale oft wieder gewählt werden.
Herr Abou-Chadi, ist der Rückzug von Sebastian Kurz nur ein Rücktritt auf Zeit?
Kurz hat den Rückzug in seiner Erklärung sehr offen formuliert, als „Schritt zur Seite“ bezeichnet es seine Partei. Das heißt, es ist kein vollständiger Rücktritt, Kurz will erst einmal warten, wie sich diese Untersuchungen weiterentwickeln. Aber er ist ja keineswegs von allen Ämtern zurückgeblieben. Er hat jetzt die zwei wichtigsten Machtpositionen in der Partei inne.
Und in wenigen Wochen ist Kurz dann zurück?
Darüber kann man natürlich nur spekulieren. Aber er will sich ganz offensichtlich nicht aus der Politik zurückziehen. Ich denke, dass er mit Sicherheit wieder Kanzler werden will. Das kann die ÖVP aber nicht allein und deshalb stellt sich die Frage, ob andere Parteien da auch mitziehen. Wenn er die Ermittlungen gegen sich erfolgreich abschütteln kann, gehe ich schon davon aus, dass Kurz für die ÖVP wieder als Kanzler antritt.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/YAMCBDPRRRB5LP3JCNFHGG5AEI.jpg)
Der Tag
Was heute wichtig ist. Lesen Sie den RND-Newsletter “Der Tag”.
Mit meiner Anmeldung zum Newsletter stimme ich der Werbevereinbarung zu.
Inwiefern stellen die Entwicklungen in Österreich auch eine Gefahr für die Demokratie dar?
Schon seit einigen Jahren kratzt die Politik der ÖVP an Institutionen der liberalen Demokratie. Es gab Angriffe auf eine unabhängige Justiz und es gibt den versuchen, ein Netzwerk aus Kurz-treuen Menschen zu etablieren. Österreich ist noch nicht zu einem zweiten Ungarn oder Polen geworden. Aber unter einer Demokratie-Perspektive sind die Entwicklungen kritisch zu sehen. Wenn die ÖVP strauchelt, welche Alternativen gibt es denn in Österreich? Nur ein Vierer-Bündnis aus SPÖ, Grünen, NEOS und der FPÖ hätte eine Mehrheit im Parlament. Genau das wurde in den letzten Tagen auch in Österreich diskutiert. Dabei stand die Frage im Raum, ob man wirklich mit der rechtspopulistischen FPÖ zusammenarbeiten will. Aber ohne FPÖ-Unterstützung gäbe es keine Möglichkeit, eine andere Person zum Kanzler oder zur Kanzlerin zu machen.
Die Alternative wären Neuwahlen…
… da gibt es aber die große Sorge, dass Kurz einfach erneut antritt, gewinnt und sich dann durch die Bestätigung der Wähler*innen „reinwaschen“ kann. In den letzten Jahren haben wir in vielen Ländern gesehen, dass Politiker aus mitte-rechts oder rechtspopulistischen Parteien Wahlen gewinnen, von denen man gedacht hätte, dass sie aufgrund ihrer Skandale politisch nicht überleben. Deshalb halte ich es auch bei Kurz für möglich, dass er selbst bei einer Verurteilung noch Wahlen gewinnen kann.
Österreich: Kanzler Kurz kündigt Rücktritt an
Gegen Österreichs Kanzler Sebastian Kurz laufen Ermittlungen wegen des Verdachts der Bestechlichkeit und Untreue.
© Quelle: Reuters
Wovon hängt das ab?
Einerseits kommt es sehr darauf an, wofür Kurz am Ende belangt wird. Aber auch die Darstellung in der Öffentlichkeit ist entscheidend: Man kann Menschen davon überzeugen, dass die Ermittlungen eine „Hexenjagd“ gewesen sei und dass diese Institutionen bewusst gegen Kurz agiert hätten. Diese gefährliche Rhetorik funktioniert leider.
Haben Sie eine Erklärung, warum Politiker trotz großer Skandale gewählt werden?
Parteien rechts der Mitte und rechtspopulistische Parteien haben in den letzten Jahren sehr erfolgreich geschafft, eine „Wir gegen Die“-Logik zu etablieren. Also nach dem Motto: Wenn wir nicht gewinnen, dann gewinnen die anderen. Die Menschen werden überzeugt, dass es zwei Lager gibt und werden dazu gebracht, nur noch innerhalb dieser Lager zu denken. Dadurch sind Skandale weniger wichtig, es geht nur noch darum, dass das eigene Lager gewinnt.
War das früher anders?
Nein, aber früher haben Parteien und der öffentliche Druck dafür gesorgt hat, dass solche Leute nach ihren Skandalen nicht mehr antreten. Diese Gatekeeper der Demokratie haben es oft geschafft, Personen von Machtpositionen fernzuhalten. Aber es gibt auch Gegenbeispiele, wie Franz-Josef Strauß, der trotz zahlreicher Skandale in Bayern Wahlen gewonnen hat und weiter Teil der politischen Elite war.