Breite Ablehnung für Lindners Atomkraftvorstoß
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Das Atomkraftwerk Neckarwestheim 2 soll wie die anderen Kernkraftwerke Ende des Jahres abgeschaltet werden. Christian Lindner regte nun eine Debatte über einen Kurswechsel an.
© Quelle: picture alliance / dpa
Berlin. „Nicht mehr viel dazu zu sagen“, „niemand will dahin zurück“, „keine Option mehr“ – sei es Bundestag, Bundeskabinett oder auch Energiewirtschaft inklusive der letzten Kernkraftwerksbetreiber: Mit seinem jüngsten Vorstoß, über eine Atomlaufzeitverlängerung zumindest zu diskutieren, hat FDP-Chef und Bundesfinanzminister Christian Lindner weitgehend Ablehnung ausgelöst.
Den Erneuerbaren gehört die Zukunft. Sie sind günstiger, ihre Gewinne kommen vielen Menschen zugute, und sie machen uns unabhängig.
Matthias Miersch,
SPD-Fraktionsvize
Selbst die Koalitionspartner äußerten sich deutlich: „Das Thema Atomkraft ist abgeschlossen“, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Debatte helfe nicht, Versorgungslücken zu schließen. „Den Erneuerbaren gehört die Zukunft. Sie sind günstiger, ihre Gewinne kommen vielen Menschen zugute, und sie machen uns unabhängig.“ Lisa Badum, Grünen-Obfrau im Energieausschuss, nannte „dieses Thema hinlänglich ideologiefrei geprüft und diskutiert“. Dass selbst die Reaktorbetreiber längere Laufzeiten ablehnen, spreche für sich.
Bundesfinanzminister Lindner will Diskussion über Atomkraft-Rückkehr
Deutschland muss nach Ansicht des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner in der Energiedebatte auch offen über eine Rückkehr zur Kernkraft diskutieren.
© Quelle: dpa
Lindners Kabinettskollege, Wirtschaftsminister Robert Habeck, erklärte schlicht: „Zur Atomenergie ist nicht mehr viel zu sagen.“ Das Thema sei zu Beginn der Legislaturperiode noch einmal geprüft und verworfen worden, sagte der Grüne der „Bild“-Zeitung.
Klimaschutz, Krieg und Inflation sind Argumente
Ebenda hatte Lindner erneut dafür appelliert, eine Rückkehr zur Nutzung von Atomkraft zumindest nicht komplett abzulehnen. Wirtschaftlich sei er zwar noch nicht überzeugt, dass sich neue Investitionen in Kernkraft wirklich rechneten, sagte er – ähnlich hatte er sich noch Anfang des Jahres geäußert, um die Debatte zu beenden. Nun aber erwarteten die Menschen, dass wegen des Klimaschutzes, der Abhängigkeit vom russischen Präsidenten Wladimir Putin und der Inflation alle Möglichkeiten erwogen würden, sagte Lindner. „Deutschland darf sich einer Debatte nicht verschließen, die überall auf der Welt geführt wird.“
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Am Netz sind in Deutschland nur noch die Atomkraftwerke Isar 2, Emsland und Neckarwestheim 2. Sie sollen bis Ende des Jahres ebenfalls abgeschaltet werden. Eine Verlängerung der Laufzeiten wegen der neuen Lage nach der russischen Invasion in die Ukraine haben das Wirtschafts- und das Umweltministerium bereits abgelehnt.
Die Kraftwerksbetreiber zeigten sich irritiert von den Aussagen Lindners. Ein Sprecher der RWE AG sagte der „Neuen Osnabrücker Zeitung“: „Ein Weiterbetrieb über den 31. Dezember 2022 hinaus wäre mit hohen Hürden technischer als auch genehmigungsrechtlicher Natur verbunden.“ Es gebe eine klare gesetzliche Regelung zur Abschaltung der AKW. Ähnlich äußerten sich Betreiber von Neckarwestheim 2 und Isar 2, EnBW und Preussenelektra.
„Niemand in der Energiewirtschaft will zurück in diese risikobehaftete und teurere Technologie“, sagte die Chefin des Bundesverbandes der Energie- und Wasserwirtschaft (BDEW), Kerstin Andreae, dem RND. Um den Umbau zu einem klimaneutralen Energiesystem weiter voranzutreiben, bräuchten die Unternehmen Planungssicherheit. „Wichtig ist, dass die Bundesregierung jetzt zügig die richtigen Rahmenbedingungen schafft, um den Ausbau der Erneuerbaren voranzutreiben. Wir brauchen mehr Flächen für Windräder und Fotovoltaikanlagen sowie schnellere Planungs- und Genehmigungsverfahren.“
Lediglich Unionsenergieexperte Mark Helfrich sprang Lindner bei: „Niemand zweifelt am Ausstieg aus der Atomenergie. Doch sollen wir uns keine Scheuklappen anlegen“, sagte er dem RND. „Drei funktionierende Kernkraftwerke sind noch am Netz und könnten Sicherheit bei der Versorgung gewährleisten.“ Die Ampel müsse einen konkret ausgearbeiteten Plan dafür vorlegen, wie die Energiesicherheit für den nächsten Winter gewährleistet werden soll, so Helfrich.
Anstatt die Bürger endlich massiv zu entlasten und die Mineralölkonzerne am schamlosen Abkassieren zu hindern, diskutiert er lieber über Laufzeitverlängerungen, die eh nicht kommen werden.
Dietmar Bartsch,
Linken-Fraktionsvorsitzender
Oppositionskollege Dietmar Bartsch hat dagegen nur Spott übrig: „Die Ampel wird immer mehr zur Villa Kunterbunt, in der jeder machen kann, was er will“, sagte der Linksfraktionschef dem RND. Er warf Lindner vor, mit einem durchsichtigen Ablenkungsmanöver eine Scheindebatte anzustoßen. „Anstatt die Bürger endlich massiv zu entlasten und die Mineralölkonzerne am schamlosen Abkassieren zu hindern, diskutiert er lieber über Laufzeitverlängerungen, die eh nicht kommen werden.“