„Wir sind in einer Hochinzidenzzeit“: Christian Drosten warnt die Politik vor falschen 3G-Hoffnungen
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Christian Drosten, Direktor Institut für Virologie an der Charité Berlin, war am Montag als Sachverständiger zum Hauptausschuss des Bundestags geladen.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Berlin. „Wir sind in einer Hochinzidenzzeit“, warnte der Virologe Christian Drosten und kritisierte am Montag unzureichende Maßnahmen wie eine 3G-Regelung. Politiker aller Fraktionen waren gekommen, um im Hauptausschuss des Bundestags die Einschätzungen mehrere Sachverständiger zum neuen Infektionsschutzgesetz zu hören.
Der Plan der Ampelparteien sieht vor, die epidemische Lage am 25. November auslaufen zu lassen und den Bundesländern stattdessen ein breites Maßnahmenpaket zur Verfügung zu stellen. Doch welche Instrumente darin enthalten sein sollen, ist umstritten. Kritik wurde zuletzt laut, da die Länder weniger Spielraum als bisher erhalten sollen.
Breites Instrumentarium? 2G plus mit zusätzlicher Maskenpflicht möglich
Für die Juristin Andrea Kießling von der Universität Bochum ist das Instrumentarium aber dennoch sehr umfangreich, sagte sie im Hauptausschuss. Die Bundesländer könnten sogar bei Veranstaltungen 2G plus (nur Geimpfte und Genesene mit einem zusätzlichen Corona-Test) anordnen und ergänzend dazu noch eine Maskenpflicht vorschreiben. Auch eine Personenobergrenze bei größeren Veranstaltungen sei möglich.
Dass Ungeimpfte im Winter zum Problem werden könnten, machte Virologe Drosten gegenüber der Politik deutlich. Er warnte vor einer Überlastung der Krankenhäuser: Die ungeimpften Covid-Patienten würden die medizinische Grundversorgung der Gesamtbevölkerung aufs Spiel stellen. Die Politik solle daher Maßnahmen treffen, damit sich weniger Ungeimpfte infizieren und die Intensivstationen nicht noch stärker belastet werden. „Das Ziel muss der Schutz der Ungeimpften sein“, sagte Drosten.
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Christian Drosten: 3G gibt zu wenig Sicherheit
Eine 3G-Regel würde Ungeimpften allerdings keine ausreichende Sicherheit geben, meint Drosten, im Gegenteil: Der Schutz sei trügerisch. Denn wenn Ungeimpfte mit Testnachweis bei 3G-Veranstaltungen auf infektiöse Geimpfte treffen, könnten sie sich bei ihnen anstecken.
Die Politik würde viele Ungeimpfte mit 3G auch gar nicht erreichen, weil die Menschen zum Beispiel im Ruhestand seien. Das Virus werde bei ihnen oft durch Kinder und Enkel direkt nach Hause getragen.
Drosten forderte daher eine „zusätzliche Schutzschicht“, um Ungeimpfte vor Infektionen im Privaten zu schützen. Strenge Kontaktbeschränkungen könnten dies verhindern. Die Ampelparteien haben am Wochenende angesichts steigender Infektionszahlen angekündigt, diese Maßnahme mit aufnehmen zu wollen.
Für den Virologen Hendrik Streeck sind Kontaktbeschränkungen ebenfalls ein sinnvolles Mittel im Kampf gegen die Pandemie. Er hat der Politik zu verschiedenen Eskalationsstufen geraten, die neben 3G, 2G und 2G plus (Zugang nur für Geimpfte und Genesene mit zusätzlichem Testzertifikat) auch Beschränkungen von Großveranstaltungen beinhalten sollen.
Ärzteverbände: Maßnahmen reichen nicht
Dass die geplanten Maßnahmen nicht ausreichen, kritisieren unterdessen Ärzteverbände. So sehen die geplanten Änderungen des Infektionsschutzes nicht vor, dass Hotels und Restaurants notfalls schließen müssen. Auch Ausgangsbeschränkungen fehlen, kritisiert der Bundesverband der Ärztinnen und Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes.
Für Klaus Überla von der Gesellschaft für Virologie ist die Schließung von Restaurants, Geschäften und Dienstleistungen ebenfalls eine wichtige Maßnahme, die noch fehlt. Er rät der Politik zudem zu einer Testpflicht am Arbeitsplatz (3G) und weniger Kontakten im beruflichen und privaten Umfeld.
Für den Vorsitzenden des Deutschen Gewerkschaftsbundes, Reiner Hoffmann, ist 3G am Arbeitsplatz zwar akzeptabel. Er sorgt sich allerdings weiter um die Daten, die Arbeitgeber zur Kontrolle der 3G von ihren Angestellten erheben müssen. Die Politik müsse daher klare Löschkonzepte und eine sehr kurze Speicherung der Gesundheitsdaten vorgeben.