Chinas globale Stimme wird lauter

Machthaber Xi Jingping ist in China mit einer unübertroffenen Machtfülle ausgestattet. Nun soll das Ansehen seines Landes im Ausland steigen.

Machthaber Xi Jingping ist in China mit einer unübertroffenen Machtfülle ausgestattet. Nun soll das Ansehen seines Landes im Ausland steigen.

Peking. Es war ein befremdlicher Anblick, der sich Belgrads Passanten im Frühjahr 2020 bot: Mitten im Stadtzentrum prangte das überlebensgroße Konterfei von Chinas Staatschef Xi Jinping auf einer Reklametafel, im Hintergrund leuchtete die rote Flagge der Volksrepublik. „Danke, Bruder Xi“, lautete der Werbeslogan. Bezahlt wurde das Plakat nicht von der kommunistischen Partei in Peking, sondern dem serbischen Revolverblatt „Informer“.

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Nicht immer hält Chinas Propaganda derart offensichtlich Einzug in ausländische Redaktionen, dennoch lässt sich ausgerechnet im Jahr der Corona-Pandemie ein systematischer Anstieg feststellen. Dies geht aus einer jüngst veröffentlichten Studie der „International Federation of Journalists“ (IFJ) hervor. Insgesamt nahmen 54 Journalistengewerkschaften aus 50 Ländern an der Umfrage teil, die um den Jahreswechsel herum durchgeführt wurde.

Eine Frau bereitet Fläschchen der COVID-19-Impfstoffe des chinesischen Herstellers Sinopharm und des russischen Impfstoffs Sputnik V in einem Impfstoffzentrum in Belgrad vor.

Eine Frau bereitet Fläschchen der COVID-19-Impfstoffe des chinesischen Herstellers Sinopharm und des russischen Impfstoffs Sputnik V in einem Impfstoffzentrum in Belgrad vor.

Zusätzlich zur Umfrage wurden nicht nur Medienartikel systematisch ausgewertet, sondern in drei Ländern – Italien, Tunesien und Serbien – Tiefeninterviews mit Journalisten geführt. Um möglichst aufrichtige Antworten zu gewährleisten, hat IFJ sämtliche Daten anonym erhoben.

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Besonders europäische Redaktionen berichten positiver über China

Die vielleicht erstaunliche Kernessenz des Reports besagt, dass die Berichterstattung über China im letzten Jahr deutlich positiver geworden ist – trotz Corona-Vertuschungen, Menschenrechtsverbrechen in Xinjiang und den Repressionen in Hongkong. Weltweit gaben Journalisten in etwas mehr als der Hälfte aller befragten Länder an, dass das mediale Bild der Volksrepublik sich verbessert hätte. Am stärksten dürfte überraschen, dass der größte Anstieg in europäischen Redaktionen beobachtet wurde.

„Seit 2009 baut China eine zunehmend hoch entwickelte Medieninfrastruktur auf“, heißt es in dem Bericht. Mit der „kostenlosen Bereitstellung von staatlichen Medieninhalten, Werbebeilagen und bilateralen Kooperationsvereinbarungen mit lokalen Medien“ wolle Peking seinen internationalen Einfluss erhöhen.

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Daran ist auf dem ersten Blick zunächst wenig verwerflich: Die meisten Staaten versuchen mit zunehmender Bedeutung auch ihrer globalen Stimme vermehrt Gehör zu verschaffen. Südkorea propagiert seine kulturelle „soft power“ mithilfe seines Fernsehsenders Arirang, Singapur betreibt „Channel News Asia“ und Japan „NHK World“.

Peking schreckt nicht vor Desinformationskampagnen zurück

Doch bei näherer Betrachtung macht es natürlich einen Unterschied, dass das diktatorische System Chinas Journalisten ausschließlich als Verfechter nationaler Interessen versteht und auch vor Desinformationskampagnen nicht zurückschreckt.

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„CGTN“, der englischsprachige Fernsehsender der kommunistischen Partei, ist ein gutes Beispiel dafür: Während der Corona-Pandemie haben Reporter des Senders immer wieder Gerüchte zur Diskreditierung westlicher Impfstoffe aufgegriffen und mit absurden Propagandasendungen über Xinjiang das Schicksal der dort unterdrückten Uiguren verhöhnt.

Chinas Staatschef Xi Jinping sagte bereits 2016 in einer Direktive an die heimischen Medien: Wo immer die Leser und Zuschauer seien, müsse die chinesische Propaganda ihre „neuen Tentakel ausweiten“.

„China macht zwar Propaganda, aber wirklich schlecht“

Doch diese scheinen bisweilen wenig wirksam zu sein, wie aus den Tiefeninterviews der IFJ-Studie hervorgeht. In Italien lautete die übereinstimmende Botschaft der Journalistenvertreter, dass man über „ausreichend Antikörper zur Identifizierung von Fake News“ verfüge.

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Journalisten aus Tunesien versicherten ebenfalls, dass „China keinen Einfluss auf journalistischen Inhalt“ habe und in Serbien mokierte man sich über die schlechte Qualität und Irrelevanz der chinesischen Propaganda: „China macht zwar Propaganda, aber wirklich schlecht. Sie haben noch viel zu lernen“.

Doch wer Pekings Staatsmedien über die Jahre verfolgt, muss auch konstatieren, dass die Propagandainhalte längst subtiler, hochwertiger produziert und mit einer ansprechenderen Ästhetik versehen werden.

Zudem finden immer mehr Inhalte chinesischer Staatsmedien den Weg in europäische Publikationen: Die italienische Nachrichtenagentur Ansa beispielsweise veröffentlicht rund 50 Meldungen von Chinas Propagandaorgan Xinhua in ihrem täglichen Ticker. Die Kooperation geht auf eine Vereinbarung zurück, die während Xi Jinpings Rom-Besuch 2019 unterschrieben wurde.

China liefert Schutzmasken – und erhält positive Berichterstattung

Die vielleicht größte Kampagne chinesischer Staatsmedien umfasste die „Maskendiplomatie“ des Landes: Mit orchestrierten Jubelmeldungen wurden Spenden von Covid-Tests, Schutzmasken und später auch Impfstoffen an dutzende Staaten geliefert.

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Der IFJ-Bericht legt nun nahe, dass sich der chinesische Staat mit jenen Hilfslieferungen auch internationalen Einfluss erkaufte. Denn in jenen Ländern, die Sendungen aus Peking erhalten haben, lautete das gängige Covid-Narrativ, dass Chinas schnelles Handeln gegen das Virus der Welt geholfen habe. In jenen Ländern, die keine Hilfe bekommen haben, schrieben Journalisten mehrheitlich, China habe mit seinem ursprünglichen Vertuschen die Pandemie überhaupt erst verschleppt.

Im eigenen Land läuft die Propaganda ungestört

Während Chinas Propagandabehörden im Ausland um Einfluss werben, können sie innerhalb der Landesgrenzen längst Geschichtsfälschung im großen Stil betreiben. Dass der chinesische Staat etwa zu Beginn der Pandemie alarmierende Mediziner mit einem Maulkorb versehen, Beweismittel zum Ursprung des Ausbruchs vernichtet und eine unabhängige Aufklärung verhindert hatte, erfährt die Bevölkerung von 1,4 Milliarden nicht einmal im Ansatz.

Wuhan: Ausstellung über Chinas Kampf gegen das Coronavirus

Die chinesische Zentralregierung feiert ihre Strategie gegen das Coronavirus nach dessen Ausbruch vor einem Jahr.

Nur einige Bürgerjournalisten zogen im letzten Frühjahr nach Wuhan, um auf sozialen Medien kritisch zu berichten – und wurden umgehend verhaftet. Erst letzte Woche begann der Prozess zweier Internetaktivisten Chen Mei und Cai Wei, die seit einem Jahr im Gefängnis sitzen. Ihnen wird vorgeworfen, in China zensierte Artikel archiviert zu haben, in denen die Vertuschungsaktionen des chinesischen Staats dokumentiert wird.

Zudem haben sie ein Onlineforum aufgesetzt, in denen die User ohne Registrierung via Ausweis offen debattieren können. Doch nichts fürchtet der chinesische Staat stärker als eine kritisch denkende Bevölkerung.

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