Chinas Klimaziele: Es wird schlechter, bevor es besser wird
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Rauch steigt aus einer Anlage zur Verarbeitung von Kohle in Hejin in China zu Industrieruß auf.
© Quelle: Olivia Zhang/AP/dpa
Peking. Wie holperig Chinas Weg zur Klimaneutralität ist, belegt eine Anekdote von Vizepremier Han Zheng. Ende August trommelte der hochrangige Regierungsbeamte sämtliche Chefs der Provinzregierung zusammen, um sie dazu zu ermahnen, den Bau von Kohlekraftwerken endlich einzudämmen. Kaum einen Monat später, als sich das Land bereits inmitten der schwerwiegendsten Energiekrise seit über einem Jahrzehnt befand, befahl er das genaue Gegenteil: Die Leiter der staatlichen Energieunternehmen sollten die „Kohlevorräte mit allen erforderlichen Mitteln“ erhöhen.
Kurz vorm UN-Klimagipfel in Glasgow sendet die Volksrepublik also gemischte Signale aus. Dabei steht zumindest eins fest: Eine Lösung der globalen Klimakrise kann nur mit China erreicht werden. Das Reich der Mitte ist schließlich längst der mit Abstand größte Klimasünder weltweit. Mit Stand 2019 stößt das Land 27 Prozent der globalen Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre – mehr als sämtliche restlichen Industrienationen zusammen. Vor allem aber wird die Wirtschaft Chinas zu weit über 50 Prozent nach wie vor von Kohle angetrieben.
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© Quelle: RND
Doch gleichzeitig hat kein Staat der Welt in den letzten Jahren mehr Fortschritte in den Bereichen erneuerbarer Energien erzielt – von Solarzellen bis hin zu Windturbinen investiert Peking riesige Summen in die Energiewende. Und auch das Ende von Verbrennungsmotoren auf chinesischen Straßen ist bereits seit Jahren politisch beschlossen worden.
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Das deutliche Umdenken hat vor allem auch mit Staatschef Xi Jinping persönlich zu tun, der im vergangenen Jahr gleich vier klimapolitische Durchbrüche verkündet hat. Im vergangenen September versprach Xi etwa Schadstoffneutralität bis 2030. Dieses Jahr hat er zudem einen nationalen Emissionsmarkt eingeführt und zuletzt versprochen, keine Kohlekraftwerke mehr im Ausland zu errichten.
Wer das neue Umweltbewusstsein Chinas bestaunen will, muss das ehemalige Industriegelände „Shougang Park“ im Westen Pekings besuchen. Wo einst einer der ältesten Stahlhochöfen des Landes ein halbes Jahrhundert Kohlenstoff in die Luft gepumpt hat, vergnügen sich nun junge Familien unter strahlend blauem Himmel. Auf den verkehrsberuhigten Straßen kurven elektrisch betriebene Busse entlang der stillgelegten Industrielandschaft.
„Der blaue Himmel und die weißen Wolken sind eine Wohltat für mich als jemand, der in Peking geboren ist“, sagt eine ältere Frau, die mit ihrem Ehemann gekommen ist. „Früher hatten wir noch Feinstaub, der sich über das gesamte Fensterbrett gelegt hat“, erinnert sich eine andere Bewohnerin. Und tatsächlich: Es ist keine acht Jahre her, dass die „New York Times“ die Luftqualität in Peking mit einem „Raucherabteil im Flughafen“ verglichen hat und die Nutzer auf sozialen Medien über die #Airpocalypse in der chinesischen Hauptstadt spotteten.
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Zu Beginn der Woche legte nun legte Chinas Staatsführung erstmals ein umfassendes Klimapapier vor. Darin lässt sich zumindest erahnen, wie das Land Schadstoffneutralität erreichen will. So sollen bis 2060 mindestens vier Fünftel des gesamten Energiebedarfs aus erneuerbaren Quellen stammen und der Ölverbrauch bis spätestens 2030 seinen Höhepunkt erreicht haben.
Das Dokument bildet zwar nur den Anfang eines langwierigen Prozesses. Für die chinesische Bürokratie ist es jedoch überaus wichtig, endlich ein übergeordnetes Planungsdokument zu haben, welches den schrittweisen Prozess koordiniert und die Kräfte der einzelnen Akteure bündelt.
Doch kurzfristig ist China sehr wohl bereit, wieder in alte Muster zu verfallen. „Ich habe das Land bereits seit Anfang der 80er besucht, und das ist die mit Abstand größte Energiekrise, die ich gesehen habe – und sie hält sicherlich bis zum Frühling noch an“, sagt Jörg Wuttke, Präsident der europäischen Handelskammer in Peking.
In den nächsten Monaten also wird China erneut seine Kohlekraftwerke in der Inneren Mongolei und Shanxi ankurbeln, während die Firmen dreckige Dieselgeneratoren für ihre Fabriken bereithalten. Es wird also erstmals schlechter, bevor es besser wird.