Die Hölle von Charkiw – Putins Bomben gegen die Zivilbevölkerung

Ukrainische Rettungskräfte tragen den toten Körper eines Opfers aus dem beschädigten Gebäude des Rathauses von Charkiw nach einem Beschuss.

Ukrainische Rettungskräfte tragen den toten Körper eines Opfers aus dem beschädigten Gebäude des Rathauses von Charkiw nach einem Beschuss.

Charkiw/Hannover. Die verstörenden Bilder der Zerstörung, von Leid und Tod aus der ostukrainischen Stadt Charkiw wollen nicht enden. Putin hat in seinem Krieg gegen die Ukraine die Millionenstadt an der Grenze zu Russland ins Fadenkreuz genommen. Vor allem in den sozialen Medien, bei Twitter und Telegram, teilen die Opfer der blutrünstigen Attacken das Leid und Chaos, das Bomben und Krieg in ihrer Heimatstadt hinterlassen haben. Am Mittwoch wurde die örtliche Zentrale der Polizei und des Geheimdienstes teilweise zerstört.

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Gezielt scheint es Putin jetzt auf Zivilisten abgesehen zu haben. „In diesem Krieg befinden wir uns in der harten Phase, wo Russland versucht, dank seiner Feuerkraft jetzt die Städte einzu­nehmen, die es vorher mit schnellen Operationen nicht hat einnehmen können“, sagt Russland-Experte Gustav Gressel dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Jetzt wolle Russland mit „gezieltem Beschuss von Wohnsiedlungen, die Moral der Bevölkerung und der darin liegenden Truppen schwächen“. Für Gressel, der sich in seiner Arbeit Militärstrategien, internationalen Beziehungen, Russland und Osteuropa widmet, wiederholt sich in Charkiw aktuell das, was die Welt vor Jahren auch im syrischen Aleppo beobachten musste: schwere militärische Schläge gegen zivile Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen und Kranken­häuser.

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„Nun kommen sie geflogen“

In Charkiw lebten bis vor wenigen Tagen noch 1,5 Millionen Menschen. Diejenigen, die da­geblie­ben sind, verschanzen sich derweil zum Schutz vor den russischen Artilleriegeschossen und Bomben. So wie Elena. Mit ihren Kinder flieht sie Nacht für Nacht in den provisorisch hergerichteten Kellerraum ihres Hauses. Dort ein paar Vorräte, eine Toilette, Decken und Matratzen für den wenigen Schlaf, den Mutter und Kinder in diesen Nächten in Charkiw bekommen. „Jetzt ist es bei es bei uns 22.25 Uhr, über Charkow fliegen die Flugzeuge und werfen die Bomben ab“, sagt Mutter Elena in die Kamera. Sie strahlt Ruhe aus, ihre Kinder haben das Lächeln noch nicht verloren.

Zhanna ist mit ihrem Mann in Charkiw geblieben, Mutter, Schwiegermutter und ihre beiden Kinder sind vor wenigen Tagen geflohen. Im Zug, um schnell aus dem Kriegsgebiet zu kommen. In einem Video, das sie an das RND schickt, hört man Donnergrollen. Das seien keine Flugzeuge, ver­sichert sie im Video, das was man höre, seien Raketen. „Nun kommen sie geflogen.“

Bombardements auf Wohngebiete: Augenzeugen berichten aus Charkiw
dpatopbilder - 01.03.2022, Ukraine, Charkiw: Ein ausgebranntes Autos steht auf der Straße in der Nähe des durch Angriffe zerstörten Gebäudes der regionalen Verwaltung von Charkiw auf dem Freiheits-Platz, dem Svobody-Platz. Foto: ---/Ukrinform/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die zweitgrößte Stadt der Ukraine, Charkiw wird seit Beginn der russischen Invasion besonders hart getroffen. Es sind Bilder von Zerstörung, Leid und Tod.

Vor allem der Twitter- und Telegram-Auftritt von Nexta teilt Informationen aus den stark umkämpften Gebieten der Ukraine. Unter Nexta versammeln sich gleich mehrere Medien. 2015 startete der Pole Szjapan Puzila Nexta auf Youtube, ursprünglich als Musikkanal. Damals war er 17 Jahre alt. Schon von Beginn an gilt die Plattform als oppositionell. Mittlerweile beschäftigt Nexta ein mehrköpfiges Redaktionsteam in Warschau. Viele Namen der Redaktionsmitarbeiter sind aus Sicherheitsgründen nicht bekannt.

Die Bilder und Videos, die Nexta am Mittwochmorgen aus Charkiw verbreitete, zeigten zerstörte Gebäude, Rettungsaktionen durch die Feuerwehr, Menschenmassen auf der Flucht. Und auch in den nächsten Tagen wird sich daran nichts ändern. Nur der Ort der Zerstörung wird, nachdem Charkiw vollends zerstört ist, ein anderer sein. Das, was Charkiw in den letzten Tagen durch Putins Armee aus Russland widerfährt, wird „leider die ganze Ukraine erwarten“, sagt Experte Gressel.

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Die Ukraine fordert Russland zu einer Feuerpause in den ostukrainischen Regionen Charkiw und Sumy auf, um Zivilisten in Sicherheit bringen zu können. Die russische Seite werde gebeten, „ihre Feindseligkeiten in Charkiw und Sumy unverzüglich einzustellen, damit wir die Evakuierung der Zivilbevölkerung, einschließlich ausländischer Studenten, in sicherere ukrainische Städte arrangieren können“, heißt es in einer Mitteilung des ukrainischen Außenministeriums vom Mittwochabend. Es hielten sich dort weiter Studenten aus Indien, Pakistan, China und anderen Ländern auf, die wegen russischer Raketenangriffe auf Wohngebiete bislang nicht hätten fliehen können, hieß es weiter. Russland dementiert vehement, Zivilisten zu attackieren.

2000 zivile Opfer

Auch an anderen Fronten ging der russische Angriff weiter, unter anderem in Odessa und Mariupol. Mariupol werde ohne Unterlass beschossen, sagt Bürgermeister Wadym Boytschenko der Nachrichtenagentur Interfax. „Wir können nicht einmal die Verwundeten von den Straßen holen, aus den Häusern und Wohnungen.“ In Tschernihiw im Norden sei ein Krankenhaus von zwei Raketen getroffen worden, berichtete die ukrainische Nachrichten­agentur Unian. Ein mehr als 60 Kilometer langer russischer Militärkonvoi rückte zudem langsam weiter auf die Hauptstadt Kiew vor.

Nach UN-Angaben sind mittlerweile 874.000 Menschen aus der Ukraine geflohen. Am Mittwoch meldet der staatliche Notfalldienst der Ukraine, dass inzwischen mehr als 2000 Zivilisten seit Beginn des Angriffskrieges getötet worden seien. Bis zu 7000 russische Soldaten sind nach Angaben der Ukraine inhaftiert oder gefallen.

mit dpa

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