Neuland – wie die CDU ihren Vorsitzenden digital wählt

Das gab es in der Geschichte noch nie: Die CDU hält ihren Parteitag digital ab. Die Bewerber auf den Parteivorsitz, Norbert Röttgen (von links), Friedrich Merz und Armin Laschet, werden erstmals in einer Videokonferenz um die Gunst der Mitglieder buhlen.

Das gab es in der Geschichte noch nie: Die CDU hält ihren Parteitag digital ab. Die Bewerber auf den Parteivorsitz, Norbert Röttgen (von links), Friedrich Merz und Armin Laschet, werden erstmals in einer Videokonferenz um die Gunst der Mitglieder buhlen.

Berlin. Stimmung aufnehmen, Delegierte von den Stühlen reißen und den Saal zum Kochen bringen – so werden aus Kandidaten neue Parteivorsitzende. So war es zumindest bisher in der Geschichte der Bundesrepublik. Bei der Wahl des CDU-Vorsitzenden an diesem Samstag wird aber nichts mehr so sein, wie es war. Erstmals überhaupt wird ein Parteitag komplett digital veranstaltet.

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Die 1001 CDU-Delegierten sitzen zu Hause vor ihren Computern, Laptops oder Tablets und nehmen über ein eigens dafür entwickeltes Parteitagsportal teil. Sie sitzen im Arbeitszimmer, am Küchentisch oder einfach auf dem Sofa – jedenfalls sind alle im Homeoffice. Und von da aus wählen sie auch digital den Nachfolger von Annegret Kramp-Karrenbauer. Eine digitale Vorstandswahl – das gab es noch nie.

Auch wenn die drei Kandidaten Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen viel Talkshow-Erfahrung haben und wissen, wie und wann sie in die Kamera schauen müssen, ohne selbst jemanden zu sehen – der Kampf um den CDU-Vorsitz beim Parteitag ist für alle drei unbekanntes, klippenreiches Fahrwasser. Corona ist schuld.

Bewerbungsreden auf Parteitagen zünden unter normalen Umständen besonders gut, wenn sie leidenschaftlich, emotional und voller Wucht sind. Sie benötigen die Resonanz im Saal, wo applaudiert und gejubelt wird. Nun müssen die Kandidaten die einzelnen Delegierten am Bildschirm für sich einnehmen. Sie dürften also eher leise als laut, eher prägnant als stürmisch, eher persönlich als allumfassend sprechen – eher so wie bei einer Neujahrsansprache im Fernsehen.

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Anrufe bei „Wackelkandidaten“

Es wird auch keine Delegiertentreffen am Vorabend geben, zu denen zuletzt 2018 beim Parteitag in Hamburg die Kandidaten gefahren waren, um im kleinen Kreis für sich zu werben, Stimmungen auszuloten und vertrauliche Absprachen zu treffen. Anhänger von Merz, der gegen Kramp-Karrenbauer und Gesundheitsminister Jens Spahn kandidierte, gaben sich damals siegesgewiss. Doch Merz, eigentlich ein guter Redner, hatte beim Parteitag eine schlechte Tagesform und verlor knapp.

Nun laufen Vorgespräche und Absprachen ebenfalls digital oder am Telefon. Vor allem Merz und Röttgen rufen Delegierte, die als „Wackelkandidaten“ gelten, persönlich an, um ihre Stimme zu bekommen. Laschet lässt anrufen, heißt es in der Partei. Gerade in jüngster Zeit stellte er gern heraus, dass er der Einzige der drei Kandidaten ist, der Regierungsverantwortung hat. Da bleibt für persönlichen Wahlkampf weniger Zeit.

Per Video schalteten sich alle drei in größere Digitalveranstaltungen und dankten anschließend auf Twitter für diese Gelegenheit. Sie konnten von Nordrhein-Westfalen – ihrem gemeinsamen Heimatland – aus, mit Stuttgart, Kiel oder Dresden kommunizieren. Das sparte viel Zeit, aber es stellte sich nur schwer das Gefühl für die Stimmung an der Basis ein, das sich am ehesten aus persönlichen Begegnungen vor Ort ergibt.

In den ostdeutschen Bundesländern hat Merz zahlreiche Anhänger, wo er insbesondere in Folge der Flüchtlingskrise mit seiner harten Position gegen Bundeskanzlerin Angela Merkel punkten konnte. Der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) ist da allerdings anders aufgestellt und steigt nun in den parteiinternen Wahlkampf ein.

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Biedenkopf für Laschet

Der 90-Jährige wirbt für Armin Laschet als künftigen Parteichef. Dieser habe die CDU in Nordrhein-Westfalen nach einer schweren Niederlage 2012 wieder aufgerichtet und 2017 in eine gemeinsame Regierung mit der FDP geführt, sagte Biedenkopf dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Er regiert erfolgreich im Westen, kennt aber auch die Herausforderungen im Osten”, erklärte Biedenkopf – das wisse er aus persönlichem Erleben.

Allerdings war Laschet bei Weitem nicht so häufig im Osten wie Merz. Biedenkopf zeigte sich aber überzeugt, dass Laschet Menschen zusammenführen könne und für Zusammenhalt stehe – in der Union wie in der Gesellschaft. „Sein gemeinsam mit Jens Spahn entwickeltes Programm für die Modernisierung Deutschlands setzt die richtigen Prioritäten. All das macht ihn zu meinem Kandidaten für den Bundesvorsitz.”

Röttgen, der vor fast einem Jahr als Außenseiter gestartet war, profitierte am meisten davon, dass der Wahlparteitag coronabedingt zweimal verschoben und der Wahlkampf zum Marathon wurde. Das Rennen werde knapp ausgehen, sind sich die Lager aller drei Kandidaten sicher. Bei einem digitalen Auftritt komme es noch mehr als bei einem leibhaftigen vor 1001 Delegierten auf Redekunst und Tagesform an.

Damit das Ergebnis vom Samstag auch wirklich unangreifbar sein wird, schließt sich eine Briefwahl an, durch die der digitale Sieger noch bestätigt werden muss. Das Ergebnis wird am 22. Januar bei einer Pressekonferenz verkündet. Digital.

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