Friedrich Merz: „Es muss nicht alles Ampel werden in Deutschland“
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Der designierte CDU-Vorsitzende Friedrich Merz.
© Quelle: imago images/Reiner Zensen
Herr Merz, die CDU-Mitglieder haben für Sie als nächsten Parteichef gestimmt. Sind Sie am Ende ihrer Träume angelangt oder kommt da noch mehr?
Zunächst haben jetzt die Delegierten des Bundesparteitages der CDU Ende Januar das Wort. Und dann fängt die Arbeit an in der CDU.
Was muss Ralph Brinkhaus machen, damit Sie nicht auch sein Amt als Bundestagsfraktionschef haben wollen?
Die Frage stellt sich derzeit nicht.
Also nur derzeit nicht.
Diese Frage steht nicht auf der Tagesordnung.
Das heißt, er bleibt Fraktionschef?
Diese Frage steht nicht auf der Tagesordnung.
Zwei Kampfkandidaturen um den Parteivorsitz unter Ihrer Beteiligung haben die CDU seit 2018 weiter gespalten. Warum sollte das nach dieser dritten Kampfkandidatur anders werden?
Das Bild einer gespaltenen Partei teile ich nicht und habe ich auch nie geteilt. Das Ergebnis der Mitgliederbefragung zeigt eindeutig, dass die Parteibasis eine klare Meinung hat. Wir können davon ausgehen, dass die Delegierten des Parteitags das in voller eigener Souveränität berücksichtigen. Und dann werden wir mit einer gut aufgestellten Mannschaft den Wählerauftrag einer guten Oppositionsarbeit erfüllen.
Werden Sie Ihre Gegenkandidaten Norbert Röttgen und Helge Braun einbinden?
Helge Braun ist bereits Vorsitzender des Haushaltsausschusses des Bundestages, und Norbert Rötten ist einer unserer führenden Köpfe in der Außenpolitik.
Was wird aus Armin Laschet?
Armin Laschet ist gewähltes Mitglied des Deutschen Bundestages, und er wird im Bundestag in die Außen- und Europapolitik gehen – so, wie vor vielen Jahren schon einmal.
Hat dieser Bundestagswahlkampf mit der CSU ihr Vertrauen in Markus Söder gestärkt oder geschwächt?
Markus Söder und ich haben seit vielen Jahren eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit.
Weiß Markus Söder davon?
Wir sind uns beide einig, dass sich 2021 nicht wiederholen darf und blicken gemeinsam nach vorn. Das nächste wichtige Datum für die CSU ist die Landtagswahl 2023.
Eine vertrauensvolle Zusammenarbeit gab es bisher doch nicht. Herr Söder war froh, dass sie im Januar 2021 nicht CDU-Chef geworden sind.
Wir waren uns im Verlaufe des Jahres 2021 in der Tat in einigen strategischen Fragen nicht einig. Vertrauensvoll zusammenzuarbeiten heißt ja nicht, dass man sich immer in allen Fragen einig ist. Wir werden als Parteivorsitzende von CDU und CSU weiter gemeinsam arbeiten, vertrauensvoll, und wo immer möglich auch einig.
Sie haben angekündigt, die Partei jünger und weiblicher zu machen. Was ist Ihr Rezept dafür? Laut Umfragen sind Ihre Werte vor allem bei Frauen und 18- bis 29-Jährigen im Vergleich zu Kanzler Scholz eher dürftig.
Diese Umfragen sind irrelevant. Das sind alte Daten von vor der Bundestagswahl, die für die Zukunft keinerlei Aussagekraft haben. Es wird uns gelingen, neue Köpfe für das Parteipräsidium zu gewinnen und den Bundesvorstand insgesamt Schritt für Schritt jünger und weiblicher zu machen. Dann werden wir systematisch Aufbauarbeit von unten leisten. Wir brauchen eine Erneuerung der CDU ja nicht nur von oben nach unten, sondern auch von der kommunalen Ebene an aufwärts. Wenn die Basis nicht in Ordnung ist, nützt uns eine Neuaufstellung an der Spitze gar nichts. Das geht alles nicht auf Knopfdruck und auch nicht innerhalb von zwei Jahren. Das ist ein längerfristiger Prozess. Und dann kommt es auf klare Inhalte an.
Welche?
Die liegen eigentlich offen zutage: Die Zukunft der sozialen Marktwirtschaft in Zeiten des Klimawandels, die innere und äußere Sicherheit in Zeiten zunehmender Bedrohung, die soziale Sicherheit in Zeiten des demografischen Wandels. Wir werden einen neuen Generationenvertrag erarbeiten, mit dem sowohl die Älteren als auch die Jüngeren gefordert, aber auch sozial abgesichert werden. Nachhaltigkeit beziehen wir nicht nur auf die Umweltpolitik, sondern umfassend auch auf die Wirtschafts-, Finanz- und Sozialpolitik.
Was sollte der Beitrag der Jungen und Alten jeweils sein?
Ab 2025 gehen vermehrt die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand. Die Altersversorgung der jüngeren Generation ist dann nicht mehr gesichert. Zur Stabilisierung des Systems müssen alle einen Beitrag leisten.
Sollten die Beamten in die Einzahlungen in die Rentenkasse einbezogen werden?
Beamte haben einen verfassungsrechtlich garantierten Alimentationsanspruch, auch für das Alter. Die Erhöhung der Zahl der Beitragszahler in der Gesetzlichen Rentenversicherung löst das Problem nicht, im Gegenteil, das Problem würde sich verschärfen. Denn die meisten Berufsgruppen, die heute nicht in der Gesetzlichen Rentenversicherung versichert sind, haben statistisch eine höhere Lebenserwartung.
Warum leben Beamte länger?
Das DIW hat im Herbst dazu eine Studie veröffentlicht, die zu dem Schluss kommt, dass die körperliche und psychosoziale Belastung unterschiedlich hoch ist und sich auch auf die Lebenserwartung auswirkt.
Die CDU muss allein im ersten Halbjahr 2022 als regierungsführende Partei drei Landtagswahlen bestehen. Aktuell ist der Trend gegen die Union. Wie wollen Sie den drehen?
Der Bundestrend zieht derzeit die CDU in den Landesregierungen mit nach unten, das ist richtig. Aber das ist ein Effekt, den wir kennen: Nach Bundestagswahlen wollen viele Wählerinnen und Wähler einfach bei den Siegern sein. Es wird aber schon bald sehr viel mehr auf die landespolitischen Themen ankommen und auch auf ein Gegengewicht zur Ampel im Bund.
Werden Sie Oppositionsarbeit über den Bundesrat organisieren?
Der Bundesrat ist kein Oppositionsorgan, er ist Teil der Gesetzgebung in Deutschland, in dem die Interessen der Länder gewahrt werden. Das ist immer die Stärke des Föderalismus gewesen. Die Union kann über den Bundesrat aber auch klar machen: Es muss nicht alles Ampel werden in Deutschland.
Das Mantra des Bundeskanzlers ist schon jetzt: Die Ampel wird auch die Wahl 2025 gewinnen.
Warum nicht gleich auch 2029 und 2034? Das ist doch erkennbar ziemlich unsinnig. Die Regierung hat jetzt einen Regierungsauftrag, und der ist auf vier Jahre begrenzt. Spätestens dann entscheiden erneut die Wählerinnen und Wähler in Deutschland.
Wird die Union mit den meisten Stimmen in der Bundesversammlung eine Frau in der Bundespräsidentenwahl gegen Frank-Walter Steinmeier antreten lassen?
Wir haben einen respektierten Bundespräsidenten. Zugleich stellen wir die größte Fraktion der nächsten Bundesversammlung. Ob wir als Union eine eigene Kandidatin oder einen eigenen Kandidaten aufstellen, das entscheiden wir im Januar.
Im Bundestag sitzen Sie nun neben der AfD, die FDP darf in die Mitte rücken. Gilt der CDU-Parteitagsbeschluss gegen eine Kooperation mit AfD und Linken auch in der Opposition?
Selbstverständlich.
War es kleinkariert von Ralph Brinkhaus, sich als erstes über die neue Sitzordnung bei Kanzler Scholz zu beklagen?
Es ist sicher nicht das wichtigste Thema unserer Tage, aber die Veränderung einer über 70 Jahre alten Sitzordnung war schon ein höchst unfreundlicher Akt gegen uns. Das ist nicht kleinkariert.
Das merken Sie sich für den Fall, dass sie noch mal mit der FDP zusammenarbeiten?
Wir sind nicht nachtragend, aber wir haben ein gutes Gedächtnis.
Die Impfquote in Deutschland liegt bei 70 Prozent, müsste aber bei 90 liegen, um aus der Pandemie herauszukommen – wie schnell muss die Impfpflicht kommen?
Das Ziel ist und bleibt die Erhöhung der Impfquote. Je mehr Menschen in Deutschland geimpft sind, am besten das dritte Mal, desto milder der Verlauf der Pandemie für uns alle. Eine allgemeine Impfpflicht wirft aber eine Reihe von ethischen, verfassungsrechtlichen und organisatorischen Fragen auf. Die müssen vor einer Beschlussfassung geklärt sein. Vielleicht könnte eine Art Stufenplan für gruppenbezogene Impflichten auch zum Ziel führen.
Welche Berufsgruppen sollten dabei sein?
Neben dem Pflege- und Gesundheitssektor liegen ja eigentlich die Bediensteten in den Kitas, Schulen und Universitäten, aber auch die der sogenannten „kritischen Infrastruktur“ auf der Hand: Polizei und Feuerwehr, die Hilfsorganisationen vom Roten Kreuz bis zum THW, auch andere wichtige Institutionen, die wir für das Land auch außerhalb von Corona brauchen. Ihnen könnte man eine solche Pflicht auferlegen, weil sie von Anfang ihrer Tätigkeit an eine Verpflichtung eingegangen sind, diesem Land zu dienen. Die Einführung und ihre Kontrolle würde so auch dezentralisiert werden. Denn es bliebe ja die Frage, wie der Staat eine allgemeine Impfpflicht überhaupt durchsetzen würde.
Wie lange hält Deutschland es finanziell aus, wegen einer Minderheit von Impfgegnern die Pandemie nicht in den Griff zu bekommen?
Hartnäckige Impfgegner müssen begreifen, dass unsere Gesellschaft dieses Verhalten immer weniger respektiert und deshalb Einschränkungen im täglichen Leben die zwangsläufige Folge für sie sein werden.
Frankreich will Atomstrom von der EU-Kommission zu grünem Strom erklären lassen, damit Kernkraft Teil von Öko-Aktienfonds werden kann. Finden Sie das richtig?
Atomstrom erzeugt kein CO₂, und allein deshalb ist Frankreich in der CO₂–Vermeidung so viel weiter als wir. Die EU-Kommission wird sich nicht nur am deutschen Weg orientieren.
Wegen des großen Anteils an Atomstrom, aus dem Deutschland aus Sicherheitsgründen aussteigt.
Das sehen sehr viele Staaten auf der Welt aber eben auch ganz anders. Wir dürfen in Deutschland gespannt sein, wie die neue Bundesregierung die Energieversorgung unseres Landes sicherstellen will. Immer nur aussteigen wird nicht ausreichen.
Die Ampelparteien haben eine Reform des Wahlrechts angekündigt. Sind Sie für eine Verlängerung der Wahlperiode auf fünf Jahre und eine Begrenzung der Kanzleramtszeiten auf zwei Wahlperioden?
Entscheidend ist zunächst einmal, dass der aufgeblähte Bundestag wieder kleiner wird. Bei der Begrenzung der Amtszeit des Bundeskanzlers gibt es eine ganze Reihe von Fragen, die beantwortet werden müssten, denn der Kanzler wird ja nicht vom Volk, sondern vom Bundestag gewählt. Und eine Verlängerung der Wahlperiode könnte Sinn machen, aber bitte nicht um den Preis zusätzlicher plebiszitärer Elemente. Auch ein Bundestag mit längerer Wahlperiode muss das entscheidende Gesetzgebungsorgan unserer repräsentativen Demokratie bleiben.
Haben Sie einen guten Vorsatz für 2022?
Fit und gesund bleiben – auch im Dienst der CDU.