Bundeswehrreform mit kriegerischem Tonfall
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Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, hier mit Bundeswehrsoldaten im irakischen Erbil, hat ein Konzept zur Reform der Truppe vorgelegt.
© Quelle: Michael Kappeler/dpa
Zum Ende der Wahlperiode ist Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer nochmal grundsätzlich geworden. Sie hat Eckpunkte für eine Reform der Bundeswehr vorgelegt, ganz so, als laufe ihre Amtszeit nicht gerade aus. Man kann es auch so sehen: Kramp-Karrenbauer rechnet damit, im Amt zu bleiben und wenn die CDU in irgendeiner Art und Weise an der nächsten Regierung beteiligt ist, dürfte das nicht unwahrscheinlich sein. Das Papier jedenfalls ist auch ein Bewerbungsschreiben, sollte CDU-Chef Armin Laschet noch nicht klar sein, dass er um seine Vorgängerin nicht herum kommt.
Manches von dem, was Annegret Kramp-Karrenbauer vorschlägt, klingt geradezu rührend. Endlich müsse es mal eine elektronische Bestellplattform für Material geben, heißt es da zum Beispiel. Was so lapidar klingt, ist entscheidend – wenn bisher das meiste nach dem System Zettelwirtschaft funktioniert, ist es kein Wunder, dass es bei der Ausrüstung so oft hakt. Und dann sind da noch die Begriffe wie aus dem Bauherrenkatalog: Je ein Systemhaus Land, Luft und See soll es künftig bei der Bundeswehr geben. Die angekündigte Verschlankung der Strukturen wird garniert mit der Bemerkung, dass doch eine neue Behörde nötig sein könnte, ein klitzekleines Bundeswehramt.
Papier zeichnet dramatisches Bild der Sicherheitslage
Zwischen den Kuriositäten und bürokratischen Umständlichkeiten aber findet sich etwas anderes: Das Papier atmet einen strengen, kriegerischen Ton. Ein dramatisches Bild von der Sicherheitslage wird gezeichnet, ein Land umzingelt von Gefahren. Die Bedrohung durch Cyberangriffe durch Russland und China werde bislang unterschätzt. Und das gerade noch so harmlos klingende „Systemhaus Land“ bekommt ein „Land Warfare Center“, ein Kriegszentrum also.
Vor Jahren hat es eine aufgeregte Debatte gegeben, als der damalige Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg vom Afghanistan-Einsatz als Kriegseinsatz gesprochen hat. Bei Kramp-Karrenbauer steht der Krieg nun vor der Haustür. Die Zeit der Behutsamkeit bei der Rollendefinition der Bundeswehr ist nach dieser Logik vorbei. Kramp-Karrenbauer fügt sich ein in den Reigen der Muskelspieler.
Kontrolle ist nötig
Der Ton macht Nachvollziehbares zum Bedenklichen: Die Bundeswehr soll schneller als bisher einsatzfähig sein, keine langen Abstimmungs- und Vorbereitungszeiten mehr, „kaltstartfähig“, so heißt es in dem Papier. Das ist verständlich: Die Klage darüber, wie lange es dauert, bis ein Einsatztrupp der Bundeswehr zusammengestellt ist, gehört zu den Standardbeschwerden in der Bundeswehr. Um ein Kontingent für den Auslandseinsatz zusammenzubekommen, so heißt es, müsse man sich in allen Ecken der Republik Material und Leute zusammenkratzen. Praktisch ist das wirklich nicht.
Die Bundeswehr verliert sich gerne in ihrem Wirrwarr an Ebenen, mit einer großen Energie beim Finden immer noch unverständlicher Konsonantenhaufen als Kurzbezeichnungen. Da kann mehr Effizienz nicht schaden.
Aber abgesehen davon, dass nicht sicher ist, ob die Vorstellungen der Ministerin dazu beitragen, Entscheidungen zu beschleunigen, wird darauf zu achten sein, dass diese sich nicht verselbständigen. Die schnelle Reaktionsfähigkeit, das soldatische Zähnefletschen, darf nicht zum Wert an sich werden, Kontrolle ist nötig und darf nicht vom Schlagwort „Realpolitik“ vom Tisch gewischt werden.
Kramp-Karrenbauer bezeichnet ihr Papier als Diskussionsgrundlage. Die Parteizentralen von CDU und CSU, die immer noch an ihrem Wahlprogramm feilen, dürften es dankbar als Materialsammlung entgegennehmen. Das Timing für die Präsentation jedenfalls war aus Sicht der Ministerin nicht schlecht. Die Sondersitzung des Verteidigungsausschusses zum Kommando Spezialkräfte und der Verantwortlichkeit der Ministerin rückte aus dem Fokus.