Die Wahlqual: Warum „keiner der drei“ beliebtester Kanzlerkandidat ist
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/TAFPHHQOAZCDRBE3JBFAP5N2UY.jpg)
Wer macht das Rennen um die Kanzlerschaft? Umfragen zufolge sind die Deutschen mit keinem der drei Kandidaten richtig zufrieden.
© Quelle: imago/blickwinkel/Spicker/Future Image/Ikon/Gstettenbauer/RND-Montage Behrens
Berlin. Früher war nicht alles besser, aber manches einfacher – zum Beispiel am Wahlsonntag. Ausschlaggebend für die Stimmabgabe war das Milieu, aus dem man stammte. Bauern und Beamte wählten die CDU, Arbeiter und Angestellte die SPD, für die obersten 10 Prozent war die FDP da. Lange überlegen musste niemand.
Das ist heute anders. Die Milieus haben sich aufgelöst, die Parteienlandschaft ist zersplittert, die Zahl der Stammwähler wird immer kleiner. Ideologen und Parteisoldaten sind in der Minderheit, die meisten Menschen wollen eine pragmatische, auf gesellschaftlichen Wohlstand, Zusammenhalt und Zukunftsfähigkeit ausgerichtete Politik.
Laschet verliert laut Umfrage weiter in der Wählergunst
Unionskanzlerkandidat Armin Laschet hat einer Insa-Umfrage zufolge in der Wählergunst weiter eingebüßt.
© Quelle: dpa
Für die meisten Wahlberechtigten wird die Entscheidung dadurch anstrengender, denn sie müssen sich überlegen, wem sie eine solche Politik und damit die Führung des Landes am ehesten zutrauen. Umfragen zufolge gehören die drei aktuellen Kanzlerkandidaten schon einmal nicht dazu.
Laschet zu unernst, Baerbock zu unprofessionell
Favorit Armin Laschet, dessen Union noch immer in der Sonntagsfrage führt, hat Zweifel aufkommen lassen, ob er das entsprechende Format hat. Nicht wegen der Debatte über eine abgeschriebene Buchpassage, auch nicht wegen des feixenden Auftritts im Katastrophengebiet, sondern vor allem wegen der Unernsthaftigkeit, mit der Laschet scheinbar alle Dinge, von der Corona-Pandemie bis hin zum Wahlprogramm der CDU, angeht. Man weiß nicht, wofür dieser Mann steht, man weiß nicht, warum er ins Kanzleramt will, und vor allem weiß man nicht, ob er dort in schwierigen Situationen bestehen würde. Sein Krisenmanagement in Nordrhein-Westfalen ist in dieser Hinsicht jedenfalls kein Empfehlungsschreiben.
Bei der grünen Kandidatin Annalena Baerbock ist die Unsicherheit nach zahlreichen kleineren und größeren Pannen mit Händen greifbar. Alles, was Baerbock zu Beginn und vor allem vor ihrer Kandidatur ausgemacht hat – die Lockerheit, die Schlagfertigkeit, das Selbstbewusstsein, – ist weg. Die Phase, in der man sich die Grüne als Bundeskanzlerin vorstellen konnte, wirkt in der Rückschau wie ein kurzer, ziemlich unrealistischer Traum.
Bleibt Olaf Scholz, der den Umfragen zufolge immer noch kaum eine Chance auf den Wahlsieg hat, dem die Deutschen das Amt aber am ehesten zutrauen. Scholz hat bislang im Wahlkampf keine Fehler gemacht. Der Finanzminister und Vizekanzler absolviert seine Auftritte solide und ist zu praktisch jedem Thema sprechfähig, und er wirkt anders als Baerbock und Laschet so, als habe er seine Kandidatur durchdacht und einen Plan – auch für die Zeit danach.
Scholz’ eigentliches Problem ist die SPD
Der Mann aus Hamburg versprüht wie die Uckermärkerin Angela Merkel wenig Esprit und weckt keine Begeisterung, sein wahres Problem aber ist ein anderes: die SPD. Die Partei hat den Wählerinnen und Wählern mehr als einmal klargemacht, dass weite Teile von ihr keine Lust mehr auf das Regieren haben – zumindest nicht auf die bei den Deutschen so hoch im Kurs stehende pragmatische Politik.
Zwar haben die Sozialdemokraten in den zurückliegenden Jahren viele gute Minister gestellt, talentierte Regierungshandwerker, die in ihren Ressorts nichts haben anbrennen lassen, aber anders als die Deutschen hat die Parteibasis immer mit ihnen gefremdelt. Die Wahl von Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans an die SPD-Spitze war eine Misstrauenserklärung der Basis gegen diese Pragmatiker der Macht – und sie wurde von den Bürgerinnen und Bürgern genau so verstanden. Dass viele Menschen der SPD die Führung des Landes nicht mehr zutrauen, liegt an ihren Mitgliedern, nicht an ihren Ministern.
Wäre Scholz ein Grüner, wären seine Chancen weit besser. Wäre er in der CDU, würde sich seine Wahl geradezu aufdrängen. Ist er aber nicht. Die Deutschen haben deshalb in diesem Jahr die Wahl zwischen drei Kandidaten, von denen zweien das Format und einem die Partei für das Kanzleramt fehlt.
Leicht wird diese Entscheidung nicht. Aber zum Glück sind es ja noch acht Wochen bis zur Wahl.