Wahlen: Was sind Überhang- und Ausgleichsmandate?
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Plenarsaal des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude in Berlin.
© Quelle: imago images/Future Image
Normalerweise hat der Deutsche Bundestag 598 Sitze. Doch seit der Wiedervereinigung im Jahr 1990 gehörten dem Parlament stets mehr als 600 Mitglieder an. Nach der Bundestagswahl 2021 werden mehr Abgeordnete als jemals zuvor im Bundestag sitzen. Grund dafür sind die sogenannten Überhangmandate. Seit 2013 gibt es zudem auch noch Ausgleichsmandate. Was hat es damit auf sich?
Was sind Überhangmandate und wie kommen sie zustande?
Durch Überhangmandate wird die reguläre Anzahl von 598 Mandaten erweitert, sodass von einer Partei mehr Abgeordnete in den Bundestag einziehen können.
Die Anzahl der Sitze, die eine Partei im Parlament erhält, richtet sich nach dem Anteil an Zweitstimmen, die sie auf sich vereint. Überhangmandate entstehen dann, wenn eine Partei bei der Bundestagswahl in einem Bundesland mehr Direktmandate erhält, als ihr Sitze nach der Zweitstimme zustehen. Überhangmandate sind also ein Ergebnis des personalisierten Verhältniswahlrechts, das in Deutschland unter anderen bei Bundestagswahlen angewandt wird.
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Ein Beispiel:
In einem Bundesland hat eine Partei anteilig so viele Zweitstimmen erhalten, dass sie fünf Kandidaten in den Bundestag entsenden kann. Kandidaten, die ein Direktmandat erhalten haben, bekommen einen dieser fünf gewonnenen Sitze im Parlament. Gibt es nicht genügend Direktmandate, werden die übrigen Plätze mit Kandidaten besetzt, die oben auf der Parteilandesliste stehen.
Nun kann es aber sein, dass eine Partei mehr Direktmandate erhält, als ihr Sitze im Bundestag zustehen. Wenn diese Partei in einem Bundesland also fünf Sitze im Parlament gewinnt, sie jedoch sieben Direktmandate erhält, erhalten alle sieben Abgeordnete einen Sitz im Parlament. Es gibt somit zwei Überhangmandate.
Problem des negativen Stimmgewichts
Durch Überhangmandate konnte es in der Vergangenheit dazu kommen, dass eine Partei trotz mehr Zweitstimmen weniger Sitze im Bundestag erhielt. Umgekehrt konnte eine Partei mehr Sitze ergattern, als ihr durch das Zweitstimmenergebnis zustanden. Dadurch wurde der Grundsatz der Wahlgleichheit verletzt und das Bundesverfassungsgericht erklärte im Jahr 2012 das bis dahin geltende Wahlrecht für verfassungswidrig.
Was sind Ausgleichsmandate?
Am 21. Februar 2013 verabschiedete der Deutsche Bundestag deshalb ein neues Wahlgesetz. Seitdem stehen Überhangmandaten sogenannte Ausgleichsmandate gegenüber. Zunächst werden die Sitze des Bundestages nach den gewonnenen Zweitstimmen verteilt. Alle Kandidaten, die ein Direktmandat in ihrem Wahlkreis gewonnen haben, erhalten ebenfalls einen Sitz im Parlament. Als Gegenzug erhalten die anderen Parteien, gemessen an ihren Wahlergebnissen, Ausgleichsmandate.
Kommt es also zu Überhangmandaten, wird die Gesamtzahl der Sitze im Bundestag so lange erhöht, bis das Größenverhältnis der Parteien den Anteil der Zweitstimmen bei der Wahl exakt widerspiegelt. Wird ein Mandat im Bundestag frei, rückt ein Kandidat von der Landesliste nach. Seit der Wahlrechtsreform im Jahr 2020 beginnt der Ausgleich erst nach dem dritten Überhangmandat.
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© Quelle: Reuters
Ausgleichsmandate: Pro und Kontra
Durch die Ausgleichsmandate ist das Wahlergebnis nicht mehr verfälscht, auch wenn eine Partei viele Überhangmandate hat. Der Wählerwille wird also möglichst exakt im Parlament abgebildet.
Das führt aber auch dazu, dass das Parlament anwächst. Bei der Wahl zum 19. Deutschen Bundestag im Jahr 2017 gab es 46 Überhangmandate, die wiederum mit 65 Ausgleichsmandaten ausgeglichen wurden.