Lindner ist zufrieden – und schielt auf die Grünen

FDP-Chef Christian Lindner freute sich am Wahlabend über „eines der besten Wahlergebnisse“ der Parteigeschichte.

FDP-Chef Christian Lindner freute sich am Wahlabend über „eines der besten Wahlergebnisse“ der Parteigeschichte.

Berlin. Christian Lindner kam am Sonntag spät – 20 Minuten später als geplant. Das hatte mit den verzögerten Hoch­rechnungen zu tun, aber auch mit dem Wahl­ergebnis selbst. Um 18.59 Uhr betrat der FDP-Vorsitzende dann gemeinsam mit dem Partei­präsidium die Bühne im Hans-Dietrich-Genscher-Haus. Sein State­ment war kurz – und für Außenstehende durchaus über­raschend.

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Lindner betonte zunächst, dass die FDP „eines der besten Wahl­ergeb­nisse in ihrer Geschichte erzielt“ habe; zum zweiten Mal hintereinander habe sie bei einer Bundes­tags­wahl ein zwei­stelliges Ergebnis geholt. Das sei „ein großer Vertrauens­beweis“ und eine Stärkung für alle Liberalen in Deutsch­land.

Er lobte ferner, dass die politische Mitte bei der Wahl gestärkt und die Ränder geschwächt worden seien. „Die Bürgerinnen und Bürger wollen eine Regierungs­bildung aus der Mitte heraus“, sagte Lindner. „Das ist eine gute Botschaft für unsere Demo­­kratie.“ Seine Partei sei bereit, ihren Beitrag zu leisten. Das war vor allem eine Botschaft an die eigenen Anhänger und Anhängerinnen.

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Lindner würdigt das Ergebnis der Grünen

Aufschluss­reicher war, was in dem sechs­minütigen Statement folgte. „Wir haben einen eigen­ständigen Wahl­kampf geführt“, so der Partei­chef – und die FDP sei für ihre eigenen Inhalte gewählt worden. „Diese Eigen­ständig­keit werden wir uns auch in der Zeit nach der Wahl bewahren.“ Dabei würdigte er ausdrück­lich, dass die Grünen ein besseres Ergebnis errungen hätten als 2017. FDP und Grüne verbinde ein eigen­ständiger Wahl­kampf, sagte Lindner sogar. Es könne in Deutsch­land „kein Weiter-so geben. Jetzt ist die Zeit für einen neuen Aufbruch.“

Lindners Auf­tritt spiegelte die Ambi­valenz des Wahl­abends aus Sicht der FDP deutlich wider.

Zunächst sind sie in der Partei zwar tat­sächlich froh, dass etwas gelang, was bis dato noch nie gelungen war: Die Liberalen holten zum zweiten Mal hinter­einander ein zwei­stelliges Ergebnis. Das ist für die FDP keine Kleinig­keit. Schließ­lich ist sie nach dem bisherigen Rekord­ergebnis von 2009 vier Jahre später gnaden­los abgestürzt: Die FDP flog einfach aus dem Bundes­tag. Nun steht sie trotz des viel geschmähten Abbruchs der Jamaika-Sondierungen im Herbst 2017 sehr stabil da; diese Bundes­tags­wahl beweist es. Selbst­verständ­lich ist das nicht.

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Lindner setzte ursprünglich auf Laschet und die Union

Bei der anstehenden Regierungs­bildung ist die Lage hingegen kniffliger. Lindner hatte im Sommer die Devise ausgegeben, der Auftrag zur Regierungs­bildung werde auf jeden Fall an die Union und deren Kanzler­kandidaten Armin Laschet gehen.

Nach­dem die SPD mit ihrem Kanzler­kandidaten Olaf Scholz in die Pole-Position gerückt war, korrigierte der FDP-Chef seine Ansage. Da erklärte er, die Sozial­demokraten würden ja voraus­sichtlich von über 70 Prozent der Bürgerinnen und Bürger gar nicht gewählt werden. Daraus lasse sich kein Regierungs­bildungs­auftrag ableiten.

Lindner sieht politische Mitte gestärkt

Erste Hochrechnungen sehen die FDP bei 11,2 Prozent. Spitzenkandidat Christian Lindner spricht über Gemein­sam­keiten mit Bündnis 90/Die Grünen.

Am Wahl­abend sah die Sache dann noch ein biss­chen anders aus. Vorerst gilt es bei den Liberalen, die Gärungen bei der Union abzuwarten. Das ist auch eine Frage des Timings. Während CSU-Chef Markus Söder seine Presse­konferenz am Montag für 12.30 Uhr angekündigt hat und der CDU-Vorsitzende Laschet für 13.30 Uhr, hatte sich die FDP am Sonntag­abend noch nicht auf einen Zeit­punkt festgelegt. „Es kann sein, dass wir ein Wahl­ergebnis haben und trotzdem nicht schlauer sind“, hieß es.

Die Gefahr am Horizont: wieder eine große Koalition

Abgesehen davon ist und bleibt die Union Lieblings­partner der Liberalen. Hier sehen sie die meisten Über­einstim­mungen. Auch das sagte Lindner am Sonntag­abend. Laschet habe sie in der gemein­samen Koalition von Nord­rhein-West­falen noch nie über­vorteilt, berichten FDP-Leute. Frei­lich sei auch der eigene Vorsitzende „nicht so gestrickt, dass er alles auf eine Karte setzt“.

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Also: Ampel mit Sozial­demokraten und Grünen? Lieber nicht! Nur: Ausgeschlossen ist sie keines­wegs. Zumal am Horizont eine neue Gefahr droht: dass die große Koalition fortgesetzt wird – unter Führung der SPD.

Immer stärker wird in der FDP unter­dessen der Trend, die Grünen weniger als Konkurrenten zu begreifen, sondern als potenziellen Verbündeten. Da FDP und Grüne gemeinsam mehr Stimmen bekommen hätten als eine der beiden (bisherigen) Volks­parteien, brächen neue Zeiten an, sagt ein FDP-Parlamentarier.

Ein anderer stellt fest: „Es liegt an den Liberalen und den Grünen.“ Beide müssten schauen, wie man die progressivste Regierung bilden könne. Das ist ein neuer Ton. Gesprächs­kontakte existieren zwischen den Parteien seit Längerem.

Bei der FDP gilt jedenfalls wie bei den meisten anderen Parteien: Nach der Wahl ist vor der Regierungs­bildung. Hier ist noch nicht aller Tage Abend.

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