Wahlprogramm der FDP zur Bundestagswahl 2021 – das steht drin
Die Bundestagswahl steht an: Wir geben einen Überblick über das Parteiprogramm der FDP für die kommende Wahl am 26. September.
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Berlin. Der Wahlkampf ist in seine heiße Phase eingetreten. Die Spitzenkandidaten der großen Parteien reisen durch die Lande, um für sich und ihre Partei zu werben, und absolvieren einen TV-Auftritt nach dem nächsten. Aber wofür stehen die Parteien eigentlich? Was wollen sie für ihre Wähler erreichen? Wir haben die Wahlprogramme durchsucht und stellen hier die Aspekte zu wichtigen Themen wie Verkehr, Steuern oder Migration vor. Hier schauen wir ins Wahlprogramm der FDP.
Verkehr
Autoverkehr: Die FDP setzt auf „Innovationen, Vernunft und Freiheit“. Das bedeutet: Tempolimits, Diesel- oder Motorradfahrverbote lehnt sie ab, ebenso ein Verbot des Verbrennungsmotors. Das soll der Markt über die Ausweitung des CO₂-Emissionshandels regeln.
Bahnverkehr: Die FDP will mehr Wettbewerb auf der Schiene. Infrastruktur und Bahnbetrieb sollen getrennt, der Betrieb privatisiert werden. Das Netz soll im Eigentum des Bundes bleiben.
Flugverkehr: Die FDP will die Luftverkehrssteuer abschaffen und keine neuen Nachtflugverbote zulassen, um den Flugverkehr zu fördern.
ÖPNV: Die FDP fordert mehr Radwege und eine Liberalisierung des Taximarkts.
Parteiencheck vor der Bundestagswahl: FDP
Die Bundestagswahl steht an: Wir geben einen Überblick über das Parteiprogramm der FDP für die kommende Wahl am 26. September.
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Flucht und Migration
Für die FDP ist Deutschland eindeutig ein Einwanderungsland. Deshalb brauche es aber auch klare Regeln. Fachkräfte, die bereits ein Arbeitsplatzangebot haben, sollen mit einer Blue Card nach Deutschland einwandern können. Fachkräften ohne Arbeitsplatzangebot will die FDP mit einem Punktesystem nach kanadischem Vorbild ebenfalls in einem begrenzten Umfang die Migration nach Deutschland ermöglichen.
Kriegs- und Bürgerkriegsflüchtlingen soll schnell und unbürokratisch ein vorübergehender Schutzstatus verliehen werden. „Kriegsflüchtlinge sollen dabei nach Beendigung des Krieges in der Regel in ihr Heimatland zurückkehren“, hält die FDP in ihrem Wahlprogramm fest.
Sie fordert eine verbindliche Verteilung Schutzsuchender in der EU. Dass Asylbewerber aus einem EU-Land in ein anderes weiterreisen, will die FDP mit neuen Regelungen unterbinden. Die EU-Grenzschutzagentur Frontex will die FDP schneller ausbauen und ihr auch die Aufgabe der Seenotrettung übertragen. Die FDP will Einbürgerungen erleichtern und es grundsätzlich zulassen, dass Menschen neben der deutschen noch eine andere Staatsangehörigkeit haben.
Klimaschutz und Energiebonus
Die Liberalen wollen eine Klimadividende einführen und die Energiebesteuerung drastisch absenken. „So müssen auch die sozialen Kosten des Klimaschutzes abgemildert werden.“
Außerdem soll die EEG-Umlage abgeschafft sowie die Stromsteuer auf den „niedrigsten nach aktuellem EU-Recht möglichen Satz“ abgesenkt und so schnell wie möglich komplett gestrichen werden. „Darüber hinaus wollen wir Aufkommensneutralität durch die Rückzahlung eines jährlich zu berechnenden pauschalen Betrags, also einer Klimadividende, an jede Bürgerin und jeden Bürger gewährleisten.“
Rente
Die FDP will die gesetzliche Rente nicht mehr allein über das umlagefinanzierte System organisieren. Sie will eine gesetzliche Aktienrente nach schwedischem Vorbild einführen.
Ein Teil dessen, was jemand bislang als Rentenbeitrag gezahlt hat, soll also stattdessen in eine kapitalgedeckte Altersvorsorge, die Aktienrente, eingezahlt werden. Angedacht sind 2 Prozent des Bruttoeinkommens, aufgeteilt in Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeitrag. Der Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung soll entsprechend sinken.
Auf diese Weise werde die Rente „enkelfit“, da sie auf mehreren Beinen stehe. Berechnungen, die von der FDP in Auftrag gegeben wurden, haben aber auch gezeigt, dass bei der Umstellung anfangs ein höherer Steuerzuschuss für die Rente benötigt wird.
Außen- und Verteidigungspolitik
Eine neue strategische Rolle für Deutschland will auch die FDP. Wie die Union fordert sie einen Nationalen Sicherheitsrat, in dem das Vorgehen besprochen werden soll. Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato will die FDP erfüllen, nennt es aber nicht direkt. Statt dessen fordert sie 3 Prozent für Investitionen in internationale Sicherheit, inklusive Entwicklungshilfe und Diplomatie. Das erlaubt mehr Flexibilität.
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Die Bundeswehr will die FDP besser ausstatten, die Finanzierung langfristig absichern. Beim Thema Abrüstung plädieren die Liberalen für deutsche Impulse für neue Verhandlungen. Atomwaffen in Deutschland kommen nicht zur Sprache.
Deutlich mehr Überlegungen als der Bundeswehr widmet die FDP Russland, dem es eine zunehmend autoritäre Entwicklung bescheinigt. Ausführlich kritisiert die FDP auch Menschenrechtsverletzungen durch China. Bei den USA heben die Liberalen die Verhandlungen für einen sicheren transatlantischen Datenverkehr hervor.
Perspektive für Israel ist die Zweistaatenlösung. Die FDP fordert außerdem, Hilfszahlungen an die Palästinensergebiete darauf zu überprüfen, ob mit ihnen Gewalt finanziert wird. Generell soll Entwicklungshilfe gestrichen werden können, wenn die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, trans- und intergeschlechtlichen Menschen eingeschränkt werden.
Außenpolitik trifft Wirtschaft: Die Ministerien sollen Innovationsbotschafter in die IT-Hot-Spots der Welt positionieren und damit Anknüpfungspunkte für deutsche Start-ups schaffen.
Steuersystem
Die Freien Demokraten versprechen umfassende Steuererleichterungen. Konkret soll der „Mittelstandsbauch“ abgeschafft werden: So wird der untere Teil des Tarifverlaufs bei der Einkommensteuer bezeichnet, weil die Steuerlast für kleine und mittlere Einkommen besonders schnell ansteigt.
Für die Einführung eines linearen Tarifs sind drei Schritten von 2022 bis 2024 geplant. Der Spitzensteuersatz soll erst ab einem Einkommen von 90.000 Euro greifen. Die Liberalen wollen zudem den Sparerfreibetrag „deutlich“ anheben und private Gewinne aus dem Verkauf von Wertpapieren nach einer Spekulationsfrist von drei Jahren steuerfrei stellen.
Europa
Die Liberalen wollen die EU als Ganzes reformieren. Sie plädieren für eine Europäische Verfassung, über deren Einführung die Europäerinnen und Europäer abstimmen sollen. Damit werde die Grundlage für einen „föderalen und dezentral verfassten europäischen Bundesstaat“ geschaffen, schreibt die Partei in ihrem Programm. Das sei das Gegenmodell „zum Rückfall Europas in nationalstaatliche Kleinstaaterei einerseits oder die Schaffung eines zentralisierten europäischen Superstaats andererseits“.
Die Idee eines Bundesstaats ist stark umstritten. Bis zur Lösung dieses Streits schlägt die FDP vor, die europäische Integration mit einem „Europa der verschiedenen Geschwindigkeiten“ zu vertiefen. Auch das Wahlsystem in Europa will die FDP mit länderübergreifenden Wahllisten verändern. EU-Kommissionspräsident soll nur noch werden können, wer Spitzenkandidat einer Partei bei der Wahl war.
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Die Zahl der EU-Kommissare soll auf höchstens 18 beschränkt werden. Das Parlament soll nur noch an einem Ort tagen und diesen selbst festlegen. Bislang tagt das Europaparlament in Straßburg und in Brüssel. Die Fachminister aus den Mitgliedsstaaten sollen öffentlich tagen, um den komplexen EU-Betrieb transparenter zu machen.
Wohnungspolitik
Die FDP stellt sich klar gegen „Enteignungen, Mietpreisbremse oder Mietendeckel“, solche Maßnahmen sorgten für eine zunehmende Wohnraumknappheit, heißt es im Wahlprogramm. Die Liberalen setzen darauf, mehr Bauflächen zu mobilisieren und mehr Wohnungen zu bauen. Um Wohneigentum zu fördern, will die FDP einen Freibetrag von bis zu 500.000 Euro für Privatpersonen bei der Grunderwerbssteuer einführen. Mit einem „Baukosten-TÜV“ will die Partei verhindern, dass neue gesetzliche Regelungen den Wohnungsbau teurer machen. Um Baugenehmigungen zu beschleunigen, schlägt die FPD die Entwicklung eines digitalen und teilautomatisierten Genehmigungsverfahrens vor.
Wie die CDU will auch die FDP, dass ein Bauantrag als genehmigt gilt, wenn die Behörde ihn nicht innerhalb eines bestimmten Zeitraums bearbeitet. Die Partei will den Ausbau von Baulücken und Brachflächen und die Dachaufstockungen gerade in Gebieten mit einem angespannten Wohnungsmarkt unterstützen. Menschen mit geringem Einkommen will die FDP vor allem mithilfe des Wohngelds den Zugang zum freien Wohnungsmarkt ermöglichen – die Berechtigung für eine Sozialwohnung soll erst dann erteilt werden, wenn die Wohnungssuche erfolglos bleibt.
Gesundheit
Die Liberalen wollen eine Wahlfreiheit zwischen der gesetzlichen und der privaten Krankenversicherung erreichen. Innerhalb der gesetzlichen Versicherung soll der Wettbewerb zwischen den Kassen verstärkt werden. Sie sollen die Möglichkeit erhalten, den Versicherten Selbstbeteiligungen, Bonuszahlungen oder Beitragsrückerstattungen anzubieten.
Die FDP setzt sich zudem für ein liberales Sterbehilfegesetz ein, in dem klar geregelt werden soll, unter welchen Bedingungen Menschen Hilfe zur Selbsttötung in Anspruch nehmen können. Es soll auch die Möglichkeit geben, ein tödliches Medikament zu erhalten. Besitz und Konsum von Cannabis will die FDP erlauben, wobei der Verkauf in lizenzierten Geschäften möglich sein soll.
Innere Sicherheit
Die Liberalen legen ihr Hauptaugenmerk auf den Schutz der Privatsphäre. Das bezeichnen sie im Wahlprogramm – trotz ihres Willens zur Kriminalitätsbekämpfung – als „Kernanliegen für uns Freie Demokraten“. Weiter heißt es: „Sicherheit muss nicht zulasten der Grundrechte unbescholtener Bürgerinnen und Bürger gehen.“ Im Einklang mit einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts möchten sie die „informationelle Selbstbestimmung“ der Bürger, insbesondere mit Blick auf den Datenschutz, stärken.
Entsprechend sagt die FDP zur Vorratsdatenspeicherung ebenso Nein wie zu einer flächendeckenden Videoüberwachung sowie zur Einführung von „Staatstrojanern“, also zur Nutzung von Software, mit der Sicherheitsbehörden Verdächtige überwachen können, und fordert stattdessen ein „Recht auf Anonymität im öffentlichen Raum“.
Damit bewegt sich die FDP in der Kontinuität ihrer Überzeugungen der letzten Jahrzehnte. Das Feld der inneren Sicherheit ist so eines der wenigen, in dem die Partei mit der SPD oder den Grünen leichter zusammenfände als mit der Union, mit der sie ansonsten die meisten Überzeugungen teilt.
Bildung
„Wir Freie Demokraten fordern, einen Prozentpunkt des bestehenden Mehrwertsteueraufkommens zusätzlich in Bildung zu investieren“, heißt es im Wahlprogramm. Dazu, so die Forderung, sollten sich die Länder unter Einbeziehung der Kommunen in einem Staatsvertrag verpflichten.
Die FDP fordert bundesweite Abschlussprüfungen für die mittlere Reife und das Abitur. Das Grundgesetz müsse geändert werden, damit Bund und Länder bei der Bildung besser zusammenarbeiten könnten, schreiben die Liberalen – und werden damit an dieser Stelle deutlicher als die Grünen. Was die FDP nicht dazu schreibt: Um an diesen Stellen grundsätzlich etwas zu ändern, braucht es breite Zustimmung aus den Ländern. Die ist aber nicht im Mindesten absehbar.
Altenpflege
Die Liberalen wollen die gesetzliche Versicherung durch private und betriebliche Vorsorge ergänzen. Alle Leistungsansprüche in den jeweiligen Pflegegraden sollen in einem monatlichen Budget gebündelt werden, über das die Pflegebedürftigen frei verfügen können. Zur Entlastung von pflegenden Angehörigen will die FDP mehr Kurzzeitpflegeplätze schaffen. Die Pflegekräfte will die FDP unter anderem durch die Digitalisierung von Bürokratie entlasten.
Aufbau Ost
Die FDP verzichtet im Wahlprogramm auf ein explizites Ostkapitel – und zwar, wie in Parteikreisen verlautet, sehr bewusst. „Wir sind der Auffassung, dass wir nach über 30 Jahren der deutschen Einheit Normalität im besten Sinne brauchen: Keine spezifische Politik für Ostdeutschland, sondern gesamtdeutsches Denken und Handeln auf Augenhöhe“, heißt es da.
2019 hat der FDP-Bundesvorstand in einem Beschluss einen „Neustart des Aufbaus Ost“ angemahnt; Anlass war der 30. Jahrestag der deutschen Einheit. „Damit der Einheitsprozess auch in Zukunft erfolgreich weiterverläuft, können wir nicht einfach weitermachen wie bisher“, steht darin. „Es liegt nicht nur am Geld, an neuen Fördermilliarden oder an neuen Infrastrukturprogrammen. Wir müssen angesichts der enormen Herausforderungen, die der Aufholprozess noch immer darstellt, auf die Kreativität und den Gestaltungswillen der Menschen setzen.“
Im Einzelnen schlagen die Liberalen „die Einführung von Sonderwirtschaftsräumen in den neuen Ländern“ vor. Bundesländer und Kommunen müssten in bestimmten Politikfeldern die Möglichkeit erhalten, über die Anwendung und Auslegung von rechtlichen Regeln in einem vorgegebenen Rahmen selbst zu entscheiden. Darüber hinaus mahnen sie „mehr qualifizierte Zuwanderung“ an, „um dem Fachkräftemangel in den ostdeutschen Regionen entgegenzutreten“.
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