Wahlkampf in der Krise: Endspurt mit Fehlstarts

Laschet, Scholz oder Baerbock? Bei vielen Deutschen würde die Antwort lauten: keiner.

Laschet, Scholz oder Baerbock? Bei vielen Deutschen würde die Antwort lauten: keiner.

Berlin. Es hätte alles so schön sein können. Annalena Baerbock und Robert Habeck stehen, für den Wahlkampf nach zwei Monaten endlich als einstiges grünes Power-Duo wiedervereint, unter saftig grünen Kronen dichter Laubbäume im Naturpark Barnim in Brandenburg, wo eine Naturschutzstiftung zum Wohle des Klimaschutzes das Moor und die Wiesen wieder vernässt.

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Nach quälenden Wochen schlechter Presse und sinkender Umfragewerte wollen die Grünen hier endlich wieder starke Bilder mit einem inhaltlichen Ausrufezeichen verbinden: Sie stellen ihr Sofortprogramm zur Klimarettung vor – das zugleich der Versuch ist, Annalena Baerbocks Kampagne zur Eroberung des Bundeskanzleramts zu retten. Es könnte der letzte sein, und höchstwahrscheinlich kommt er schon zu spät.

Denn wenn diese Woche nun endet, in der für alle drei Kanzlerkandidaten mit mehreren Auftritten der Endspurt des Wahlkampfs begonnen hat, weiß man: Die neuesten Umfragezahlen sind auch für Baerbock noch einmal schlechter als in der Vorwoche.

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Und obwohl es die Grünen nach der Berichterstattung über falsche Angaben zu Nebentätigkeiten, Lebensläufen und Buchzitaten Baerbocks an diesem Dienstag schaffen, endlich einmal Schlagzeilen mit politischen Vorschlägen zu machen wie ihrem Klimaministerium mit Vetorecht über alle Gesetzesvorschläge – so verbeißen sich doch danach viele schnell wieder in Baerbocks neuestem Patzer, die sich bei ihrem Waldauftritt statt im Barnim im 30 Kilometer entfernten Oderbruch wähnte.

Am Donnerstag platzt dann auch noch die Hiobsbotschaft in Baerbocks Neustartträume, dass die Machtkämpfe, Kleinkriege und das Organisationschaos im Saar-Landesverband ihrer Partei dazu geführt haben, dass die Grünen im Saarland nicht zur Bundestagswahl antreten dürfen.

Die Entscheidung des Bundeswahlausschusses dürfte die Grünen insgesamt zwar keinen halben Prozentpunkt kosten. Doch SPD-Kanzler Gerhard Schröder besiegte Unions-Herausforderer Edmund Stoiber 2002 mit einem Bruchteil der Stimmen, die Baerbock dadurch fehlen werden.

Schlimmer noch: Die Parteichefin konnte offensichtlich nicht die Autorität aufbringen, Ordnung in ihren kleinen Landesverband zu bringen. Können ihr die Wähler also wirklich das Kanzleramt zutrauen?

Forsa-Umfrage: Union verliert weiter an Zuspruch
11.08.2021, Hessen, Frankfurt/Main: Armin Laschet (CDU), Ministerpr���sident des Landes Nordrhein-Westfalen und Kanzlerkandidat nach seinem Termin im Boxcamp Gallus, in dem Kinder und Jugendliche trainieren. Im Vordergrund des p���dagogischen Konzepts steht die F���rderung und Integration der Jugendlichen, die nur bei guten schulischen Noten in den Ring steigen d���rfen. Laschet hat mit einw���chiger Verz���gerung seine Wahlkampftour begonnen. Foto: Armando Babani/AFP-Pool/dpa +++ dpa-Bildfunk +++

Die Union hat in einer neuen Forsa-Umfrage zur Bundestagswahl im Vergleich zur Vorwoche drei Prozentpunkte verloren und kommt nun nur noch auf 23 Prozent.

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Baerbock selbst mag nicht länger öffentlich mit grünen Pannen hadern. Stattdessen will die Grüne wieder mit Sachthemen punkten – und dabei vor allem auf ihr Kernthema setzen. „Es ist völlig klar, dass wir mehr Tempo beim Klimaschutz brauchen”, sagt Baerbock deshalb am Freitag dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Wirtschaft stehe längst mit klimaneutralen Prozessen und Technologien bereit und erwarte dafür einen politischen Rahmen, „um endlich Planungs- und Investitionssicherheit zu haben“, so die Kanzlerkandidatin.

Scharfe Widerworte gegen Laschet und Scholz

Die neue Regierung müsse zuerst sehr schnell die Weichen für einen massiven Ausbau der Erneuerbaren Energien stellen, so die Grüne: Dazu müsse „auf jedes neue Dach eine Solaranlage” und 2 Prozent der bundesweiten Flächen für Windkraft freigegeben werden. Das würde auch der Industrie nutzen.

„Herr Laschet und Herr Scholz müssen begreifen, dass das Pariser Klimaabkommen keine freiwillige Absichtserklärung ist, sondern ein internationaler Vertrag, der auch eine deutsche Bundesregierung bindet”, sagt Baerbock. „Vorschläge abzulehnen, ohne selbst welche zu machen, bringt uns keinen Meter voran. Wer immer nur dagegen ist, gefährdet nicht nur die Erreichung der Klimaziele, sondern auch den Industriestandort Deutschland.”

Annalena Baerbock schlägt neue Töne an

Selten zuvor hat sie ihre beiden Konkurrenten so direkt so scharf angegriffen. Aber wann, wenn nicht jetzt, ist Zeit für Attacke: An diesem Samstag sind es noch genau 50 Tage bis zur Bundestagswahl, und für Baerbock scheint der Traum vom Einzug ins Bundeskanzleramt so gut wie ausgeträumt.

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Das Erstaunliche ist nur: Die beiden Kanzlerkandidaten von Union und SPD stehen nicht besser da. Im neuesten Deutschlandtrend kann keiner von ihnen mehr als ein Drittel der Wähler überzeugen – und käme auch keine klassische Zweierkoalition zustande.

Kantar-Umfrage: Union verliert weiter an Zuspruch
 Ministerpraesident Laschet und Olaf Scholz besuchen Stolberg Aktuell, 03.08.2021, Stolberg, NRW-Ministerpraesident Armin Laschet CDU und Finanzminister Olaf Scholz SPD, die beiden Kanzlerkandidaten und Kontrahenten gemeinsam beim bei ihrem Besuch in der von der Unwetterkatastophe betroffenen Stadt Stolberg bei Aachen. Stolberg Nordrhein-Westfalen Deutschland *** State President Laschet and Olaf Scholz visit Stolberg News, 03 08 2021, Stolberg, NRW State President Armin Laschet CDU and Finance Minister Olaf Scholz SPD , the two candidates for chancellor and opponents together during their visit to the city of Stolberg near Aachen Stolberg North Rhine Westphalia Germany, affected by the storm catastrophe

Gut eineinhalb Monate vor der Bundestagswahl sinkt die Union nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Kantar in der Gunst der Wähler weiter.

Kein Wunder, schleppt sich der Wahlkampf doch visionsfrei und kraftlos von einem Krisentermin zum nächsten: Nach der dritten Corona-Welle folgte das Hochwasser, und ehe sich die Fluten zurückziehen, muss die Bundespolitik schon wieder über die vierte Infektionswelle streiten.

Besonders für CDU-Kanzlerkandidat Armin Laschet ist das ein Problem. Die Flutkatastrophe, wie sie 2002 noch Schröders Hilfe zur Wiederwahl war, könnte Laschets Chancen auf das Kanzleramt nun davonspülen. Zumindest steht er in diesen Wochen der Zerstörung in Nordrhein-Westfalen als Landesvater nicht nur buchstäblich oft im Regen.

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Bei einem Besuch im Hochwassergebiet von Swisttal bei Bonn wurde der Ministerpräsident zu Wochenbeginn zumindest feindselig empfangen. Worunter Menschen in der Corona-Krise durch viel zu spät gezahlte Überbrückungshilfen gelitten haben, erleben Betroffene der Hochwasserkatastrophe nun mit zu langsam anlaufender Soforthilfe.

Bislang hätten junge Leute spontan beim Aufräumen geholfen, aber Unterstützung der Behörden inklusive der Landesregierung habe es noch nicht gegeben, schimpfte ein Mann bei Laschets Auftritt. Ein anderer warnte: „Sie werden es bei der Wahl merken.”

Laschet: Wiederaufbau nach Flutkatastrophe wird Jahre dauern

Unterdessen sehen die Bürgermeister der von der Flut-Katastrophe besonders hart getroffenen Gemeinden die Existenz ihrer Gemeinden in Teilen gefährdet.

Tatsächlich sind Laschets Umfragewerte – sowohl seine persönlichen als auch die der Union – bescheiden. Zumindest lagen sie zuletzt deutlich unter 30 Prozent.

Für CSU-Chef Markus Söder, der sich für den besseren Kanzlerkandidaten hält, ein so schrilles Alarmsignal, dass er den CDU-Vorsitzenden in Interviews vor sich hertreibt. Ob er ihn damit aus dem „Schlafwagen” holt, wie er, ohne Laschets Namen zu nennen, den Unions-Wahlkampf gern beschreibt, oder mit seinen Seitenhieben eher zusätzlich die Bremse reinhaut, ist allerdings offen.

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Dem bayerischen Ministerpräsidenten ist vor allem wichtig, dass an ihm selbst nichts kleben bliebe, wenn die Union nach 16 Jahren Angela Merkel das Kanzleramt nicht verteidigen würde. Und sein Druck auf Laschet soll am besten auch vom eigenen Chaos ablenken: Sein Stellvertreter Hubert Aiwanger von den Freien Wählern provoziert seit Wochen mit öffentlicher Impfskepsis Zweifel an der Koalition in Bayern.

In die Fußstapfen der als Krisenmanagerin erlebten Kanzlerin zu treten, fällt Laschet allerdings wirklich schwer. Er wird so nicht wahrgenommen, und deshalb könnte sich etwas zum Bumerang entwickeln, was eigentlich für Wahlen eine vielversprechende Rampe ist: die Wählerschaft im bevölkerungsreichsten Bundesland NRW.

Laschet verliert laut Umfrage weiter in der Wählergunst
Bildnummer: 53474884  Datum: 01.10.2009  Copyright: imago/Reiner Zensen
D��sseldorf, den 1.10.2009: Armin Laschet, Minister f��r Generationen, Familie, Frauen und Integration des Landes Nordrhein-Westfalen, anl��sslich der Pr��sentation seines Buches - Die Aufsteigerrepublik - Zuwanderung als Chance People Pr��sentation Pressetermin Buchpr��sentation kbdig xsk 2009 quer Politik o0 Portr��t

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Unionskanzlerkandidat Armin Laschet hat einer Insa-Umfrage zufolge in der Wählergunst weiter eingebüßt.

Armin Laschet bekommt wenig Support

Auch von der beliebten noch Kanzlerin erfährt er keinerlei Unterstützung: Das Positivste, was Merkel über Laschet in jüngerer Vergangenheit vermittelt hatte, war die Stabilität seiner Landesregierung trotz knapper schwarz-gelber Mehrheit. Wenn nun ausgerechnet in NRW Bürgerinnen und Bürger verzweifeln, birgt das Gefahren für den Bundestagswahlkampf.

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Auch sonst kommt der Wahlkampf der Union nicht in Fahrt. Der am 21. August im Vergnügungspark Rust geplante Start des Schlussspurts wurde nach Berlin verlegt und Laschets erste Wahlkampftour zu schönen Orten der Republik abgesagt. Freizeitpark und Weinprobe würden geradezu pietätlos wirken angesichts der vielen Toten und Betroffenen der Fluten in NRW und Rheinland-Pfalz.

Aber auch Laschets Besuche vor Ort hinterlassen nicht immer den Eindruck des Kümmerers und Landesvaters. Sein mit einer Kamera eingefangenes Lachen inmitten der Zerstörung hängt ihm nach.

Unionsintern ist er nicht nur in der CSU angezählt, auch in der CDU rumort es. Er sei als Teamplayer gewählt, sagt Uwe Schummer (CDU), Chef der Arbeitnehmergruppe in der Unionsfraktion im Bundestag, dem „Spiegel”. Deshalb müsse er auch dringend ein Team von Köpfen präsentieren. Ein Team von Köpfen – das ist das Gegenteil von dem, was Olaf Scholz im Wahlkampf verkörpert. Er ist der Kopf der SPD, hinter dem sich alle versammeln. Ein gravierender Unterschied zum Konkurrenten Laschet.

Umfragen ergeben: Scholz überholt Laschet bei Kanzlerfrage
ARCHIV - 16.09.2019, Berlin: KOMBO - Die Spitzenkandidaten f��r die kommende Bundestagswahl von CDU/CSU, Armin Laschet (r), B��ndnis 90/Die Gr��nen, Annalena Baerbock (l), und der SPD, Olaf Scholz. (Zu dpa "/Von Hip-Hop bis Erfrischungsgeld - Fakten zur Wahl") Foto: dpa +++ dpa-Bildfunk +++

SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat Unionskandidat Armin Laschet nach mehreren aktuellen Umfragen in der Wählergunst überholt.

Olaf Scholz prescht unaufgeregt vor

Schon wittert die im Wahlkampf eben noch abgeschriebene SPD, die im Pferderennen um das Kanzleramt zwischenzeitlich sogar um den dritten Platz bangte, angesichts der Schwächen der Konkurrenz Morgenluft.

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Während Laschet patzt und Baerbock nachhaltig verunsichert wirkt, spult der eigene Kandidat unaufgeregt und routiniert sein Programm ab: So stellt sich die Lage jedenfalls aus Sicht der Wahlkämpfer im Willy-Brandt-Haus in dieser Woche dar.

Die neuen Umfragen geben ihnen recht. Allerdings sind es vor allem die Beliebtheitswerte des Vizekanzlers Scholz, die sich peu a peu, aber stabil verbessern. Könnten die Deutschen ihren Kanzler oder ihre Kanzlerin direkt wählen, hätte Scholz inzwischen ziemlich gute Karten. Können sie aber nicht – und die Zufriedenheit mit der Arbeit von Scholz überträgt sich nur sehr langsam auf die Zustimmungswerte der SPD.

Um den sanften Aufwärtstrend der Partei zu verstärken, handeln die Genossen deshalb nun nach der Maxime „Alle Augen auf Olaf”: Am Mittwoch stellte Generalsekretär Lars Klingbeil eine Wahlkampagne vor, die komplett auf den Kanzlerkandidaten fokussiert ist. „Scholz packt das an”, heißt der Wahlkampfslogan. Man muss schon sehr genau hinsehen, um in den Anfangsbuchstaben des Mottos noch die Abkürzung „SPD” zu entdecken.

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Scholz, mit dem die Partei viele Jahre lang gefremdelt hat, genießt die neue Rückendeckung und Geschlossenheit sichtbar. Bei der Diskussionsveranstaltung „RND vor Ort” beantwortete er an diesem Mittwoch in Kiel die Frage, ob es im SPD-Wahlkampf eigentlich noch Leute neben ihm geben werde, mit einem Witz: „Schattenkabinette und Kompetenzteams sind eigentlich eher eine Angelegenheit für die Heute-Show”, spottete der Vizekanzler mit Blick auf die ZDF-Satiresendung.

„Wenn ich mal Zeit habe, so in 30 Jahren, dann schreibe ich ein Buch mit dem Titel: ‚Mitglieder von Schattenkabinetten, die nicht Minister geworden sind‘.”

Olaf Scholz bei „RND vor Ort“: Die wichtigsten Momente im Video
RND vor Ort KN/LN Talk mit Olaf Scholz

Im Talkformat „RND vor Ort“ stellen sich die Kanzlerkandidaten den Fragen des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND). Den Auftakt macht SPD-Kandidat Olaf Scholz.

Selbst die notorisch quengelige Parteilinke hat sich dem Kandidaten unterworfen. Und auch die Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, die sonst bei jeder Gelegenheit neben Scholz auf die Bühne drängen, halten sich im Moment auffällig zurück.

Schon das zeigt: Das Rennen ist eng, und wenn es keinen Favoriten gibt, heißt das eben auch, dass noch keiner die Hoffnung aufgegeben hat, die Stimmung könnte sich noch zu seinen Gunsten drehen. Noch sind es 50 Tage bis zur Wahl.

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