EU-Parlamentarier zum Brexit: No-Deal-Wahrscheinlichkeit ist größer
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/QI4V47PBEJCCVCGCIGPTMCKYYU.jpeg)
Die EU und Großbritannien verhandeln ein letztens Mal über ein Freihandelsabkommen vor dem Brexit. Experten sehen die No-Deal-Wahrscheinlichkeit höher.
© Quelle: Francisco Seco/AP/dpa
Brüssel/London. Wegen des enormen Zeitdrucks für einen Post-Brexit-Handelspakt äußern sich Brexit-Experten im Europaparlament zunehmend ungehalten. „Dass das Parlament die Katze im Sack kaufen muss, ist völlig inakzeptabel“, sagte Linken-Fraktionschef Martin Schirdewan am Montag der Deutschen Presse-Agentur.
Es gebe Forderungen, einen Bruch ohne Vertrag zum Jahreswechsel zu akzeptieren und danach die Verhandlungen ohne Zeitdruck neu anzusetzen, fügte Schirdewan hinzu. „Ich halte das nicht für den schlechtesten Weg, wenn man sieht, dass bisher nur ein schlechtes Abkommen möglich scheint.“
No-Deal-Wahrscheinlichkeit sei höher
Schirdewan gehört zur Brexit-Koordinationsgruppe im EU-Parlament und wurde am Montag vom EU-Unterhändler Michel Barnier über den Stand der Verhandlungen informiert. „Die No-Deal-Wahrscheinlichkeit ist größer als die Deal-Wahrscheinlichkeit“, schloss der Abgeordnete aus den Informationen.
Selbst bei einem sofortigen Verhandlungserfolg könnte ein Vertrag in einer offiziellen Fassung erst am 23. Dezember ins Parlament eingebracht werden. Dauert es noch einige Tage, wäre der erste Termin der 27. Dezember. Das lasse keine gründliche Prüfung zu. „Ich halte das für sehr problematisch“, sagte Schirdewan.
Barnier verhandelt nach einer kurzen Gesprächspause seit Sonntag wieder in Brüssel mit seinem britischen Kollegen David Frost. Am Montagmorgen sah Barnier aber nach Angaben von Diplomaten noch keine entscheidenden Fortschritte.
Von der Leyen und Johnson reden erneut
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der britische Premierminister Boris Johnson wollen am heutigen Montag um 17.00 Uhr deutscher Zeit den Stand der Verhandlungen über einen Brexit-Handelspakt erörtern. Dies teilte von der Leyens Sprecher Eric Mamer auf Twitter mit.
An dieser Stelle finden Sie einen externen Inhalt von Twitter, Inc., der den Artikel ergänzt. Sie können ihn sich mit einem Klick anzeigen lassen.
Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unseren Datenschutzhinweisen.
Von der Leyen und Johnson hatten bei einem ersten Telefonat am Samstag tiefe Differenzen festgestellt, aber eine Fortsetzung der Verhandlungen verabredet. Diese brachten allerdings aus Sicht der EU bis Montagmorgen keine entscheidenden Fortschritte.
Der Handelsvertrag soll einen harten wirtschaftlichen Bruch zwischen der Europäischen Union und Großbritannien zum Jahreswechsel verhindern. Dann endet die Übergangsphase nach dem britischen EU-Austritt.
Britische Regierung sieht erhebliche Unterschiede
Die britische Regierung will bis zur letzten Minute über einen Brexit-Handelspakt mit der EU verhandeln. “Die Zeit wird knapp, und wir sind in der Endphase”, sagte ein Sprecher von Premierminister Boris Johnson. “Aber wir sind zu Verhandlungen bereit, solange wir Zeit haben, falls wir glauben, dass eine Einigung noch möglich ist.”
EU sucht weiter nach Einigung mit Briten über Brexit
EU-Chefunterhändler Michel Barnier zeigte sich weiterhin willens, ein Handelsabkommen mit Großbritannien zu erreichen.
© Quelle: Reuters
“Es bestehen weiterhin erhebliche Unterschiede”, sagte der britische Regierungssprecher weiter. Fischerei sei ein Knackpunkt. Der Sprecher schloss einzelne Verträge zu Themen, auf die sich Großbritannien und die EU bereits verständigt haben, aus. Werde kein Freihandelsabkommen erreicht, werde das Vereinigte Königreich künftig unter den Regeln der Welthandelsorganisation WTO mit der EU Handel treiben, betonte er. London rechnet deshalb unter anderem mit höheren Lebensmittelpreisen, vor allem für Rind- und Schweinefleisch.
Verhandlungen noch bis Mittwoch möglich
EU-Unterhändler Michel Barnier sagte nach Teilnehmerangaben in einer Unterrichtung für Europaabgeordnete, dass noch bis diesen Mittwoch verhandelt werden könnte. Am Donnerstag und Freitag ist dann der Gipfel der EU-Staats- und Regierungschefs.
Der irische Regierungschef Micheal Martin forderte alle Seiten mit Nachdruck zu einer Lösung auf. “Es wäre ein schwerwiegendes Versagen, wenn wir keinen Deal erreichen”, sagte er. In diesem Fall würden alle Volkswirtschaften “unnötig” leiden.
RND/dpa