Brexit-Gespräche: EU und Großbritannien stecken in der Sackgasse
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/QJLNYQRHPVFWTCOO7F3R6NTDLU.jpg)
Der EU-Unterhändler für den Brexit, Michel Barnier, ist enttäuscht: Bei den Verhandlungen mit London geht es nicht voran.
© Quelle: Getty Images
Brüssel. Die Gespräche zwischen der EU und Großbritannien über ein Abkommen nach dem Brexit stecken in der Sackgasse fest. Nach der vierten Verhandlungsrunde sagte EU-Chefunterhändler Michel Barnier am Freitag mit pessimistischem Unterton. “Ich habe als EU-Unterhändler die Verantwortung, die Wahrheit zu sagen. Die Wahrheit ist: Es gibt auf keinem Gebiet merklichen Fortschritt.”
Damit steigt das Risiko, dass es nicht gelingen wird, bis Ende des Jahres ein Handels- und Partnerschaftsabkommen zu schließen. Für diesen Fall werden schwere Verwerfungen für die Wirtschaft sowohl im Vereinigten Königreich als auch in der EU erwartet. Denn dann würden Zölle erhoben und andere Handelsschranken errichtet.
Barnier: “Können nicht ewig so weitermachen”
Selbst die Corona-Krise mit ihren immensen Folgen für die Wirtschaft hat offenbar die Kompromissbereitschaft der britischen Unterhändler nicht erhöht. Im Gegenteil: Die britische Seite stelle sogar Ziele infrage, auf die sich die EU mit dem britischen Premierminister Boris Johnson im vergangenen Herbst geeinigt habe, sagte Barnier in Brüssel.
Seit einigen Wochen verhandeln die Teams aus Brüssel und London in Videokonferenzen über ein Handels- und Partnerschaftsabkommen für die Zeit nach der Brexit-Übergangsphase Ende 2020. Großbritannien hat die EU am 31. Januar formal verlassen, ist aber noch Mitglied im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion.
Die Übergangsphase könnte noch bis Ende Juni um bis zu zwei Jahre verlängert werden. Während Barnier für die EU-Seite am Freitag erneut eine Verlängerung anbot, hat Johnson das allerdings bislang kategorisch ausgeschlossen.
Kein einziger Streitpunkt geklärt
Eine der wichtigsten Forderungen aus Brüssel lautet: London soll sich verpflichten, bei Staatshilfen, Umweltregeln und Arbeitnehmerrechten EU-Standards nicht zu unterbieten. Das lehnen die Briten jedoch ab. Sie argumentieren, ein souveräner Staat könne solche Auflagen nicht akzeptieren.
Auch die Frage, wie die Fischerei zwischen der EU und Großbritannien geregelt werden soll, ist weiter nicht geklärt. Die EU will, dass sich möglichst wenig ändert und man die fischreichen Gewässer rund um Großbritannien nach festen Regeln gemeinsam nutzt. Großbritannien will hingegen seine Gewässer selbst kontrollieren.
RND-Videoschalte: Viele Brexit-Anhänger sehen Corona als Chance
London-Korrespondentin Katrin Pribyl berichtet im Gespräch mit RND-Reporterin Marina Kormbaki vom Umgang der Briten mit der Corona-Pandemie.
© Quelle: RND
Ebenso umstritten: Wird es ein umfassendes Abkommen geben, bei dem im Falle von Streitigkeiten auch der Europäische Gerichtshof (EuGH) eingeschaltet werden darf? Oder setzt sich Großbritannien durch, dass mehrere kleinere Verträge fordert und keine Rolle für den EuGH?
EU-Spitze will Johnson überzeugen
Eine Antwort darauf gab Barnier am Freitag nicht. Er sagte lediglich: “Wir können nicht ewig so weitermachen.” Mitte Juni, so ist es geplant, wollen EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident Charles Michel versuchen, den britischen Regierungschef Boris Johnson zu Kompromissen zu bewegen.
Das könnte neuen Schwung in die Verhandlungen bringen. Das hofft offenbar zumindest Unterhändler Barnier. Er kündigte am Freitag an, dass es Ende Juni oder Anfang Juli eine neue Verhandlungsrunde geben solle. Bis spätestens Frühherbst müsse klar sein, ob es ein Abkommen gebe werde.