Breitscheidplatz-Anschlag: Opferbeauftragter kritisiert Umgang mit Betroffenen
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Menschen stehen im Jahr 2020 bei der Gedenkfeier des islamistischen Anschlags auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz. (Archivbild)
© Quelle: Christoph Soeder/dpa
Berlin. Zum fünften Jahrestag des Terroranschlags auf dem Berliner Breitscheidplatz haben sich Betroffene und Politiker für Verbesserungen im Umgang mit Betroffenen ausgesprochen. Der scheidende Opferbeauftragte des Bundes, Edgar Franke (SPD), sagte der „Welt am Sonntag“: Wenn sich ein Bürger auf dem Weg zur Arbeit verletze, dann müsse der Staat heute bereits einen „mit allen geeigneten Mitteln“ rehabilitieren.
Es dürfe nicht sein, dass es einen solchen Automatismus bislang nicht gebe und „Terroropfer schlechter versorgt werden“, sagte Franke, der mittlerweile Parlamentarischer Staatssekretär im Gesundheitsministerium ist.
Fünf Jahre nach dem Anschlag am Breitscheidplatz: Die Erinnerung ist hellwach
Der Anschlag am Berliner Breitscheidplatz jährt sich zum fünften Mal. Zwölf Menschen starben und Dutzend weitere wurden verletzt.
© Quelle: AFP
Die Aufarbeitung des Terroranschlags ist aus Sicht des Weißen Rings auch nach fünf Jahren längst nicht abgeschlossen. „Es laufen immer noch mühsame Prozesse vor allem im Bereich der Opferentschädigung, es gibt etliche Erwerbsunfähigkeiten von Betroffenen“, sagte Bianca Biwer, Bundesgeschäftsführerin der Hilfsorganisation für Kriminalitätsopfer, der „Heilbronner Stimme“.
Teils kämen noch neue Fälle hinzu, weil Menschen nur scheinbar gut zurecht gekommen seien. „Sie haben das Trauma zunächst gar nicht erkannt“, sagte Biwer. Im Umgang mit den Opfern hätten Behörden Fehler gemacht, etwa die Zusendung von Rechnungen aus der Forensik oder blutgetränkter Gegenstände, aber auch bei Entschädigungsanträgen. „Da war kein opfersensibler Umgang zu erkennen, es gab keine Transparenz“, sagte sie.
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Der Berliner Opferbeauftragte, Roland Weber, sieht den Umgang mit den Hinterbliebenen der 13 Todesopfer kritisch. Von Anfang an hätte eine sehr unglückliche Kommunikation mit den Betroffenen stattgefunden, sagte er dem Hörfunksender Bayern2 am Samstag. Als Beispiel nannte Weber den Gedenkgottesdienst einen Tag nach dem Anschlag: „Die Opfer hatte man gar nicht berücksichtigt. Es war eine reine Politveranstaltung.“ Erst in den Folgetagen hätten dann die Hinterbliebenen erfahren, ob ihre Lieben tatsächlich verstorben sind.
Ampelkoalition will Umgang verbessern
Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) kündigte an, die neue Bundesregierung werde nach Kräften alles dafür tun, um Opfer und Hinterbliebene von terroristischen Anschlägen bestmöglich zu unterstützen. „Wir wollen den Umgang mit ihnen würdiger und empathischer gestalten“, erklärte er am Samstag in Berlin. Er unterstütze daher die Idee, den 11. März zum nationalen Gedenktag für die Opfer terroristischer Gewalt zu erklären, sagte der Minister. Darauf hatten sich die Ampel-Parteien im Koalitionsvertrag geeinigt.
Der ehemalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) lobte das Vorhaben: „Es ist keine kleine Sache, einen Tag der Trauer für Terroropfer einzuführen.“ Die Stunden und Tage nach Terroranschlägen „gehörten zu den bedrückendsten als Minister“, sagte de Maizière. Er habe sich oft gefragt, warum die Gesellschaft für Betroffene von Terroranschlägen nicht mehr Anteilnahme zeige – dies gelte besonders für den IS-Anschlag in Istanbul 2016, bei dem zwölf Deutsche starben. „Bei den Toten von Istanbul ist das Vergessen ganz offensichtlich. Das ist bedrückend.“
Zwölf Menschen waren bei dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Berliner Breitscheidplatz am 19. Dezember 2016 getötet worden. Ein weiterer starb im Oktober dieses Jahres an den Folgen einer schweren Verletzung, die er sich zugezogen hatte, als er Erste Hilfe leistete. Bei dem Terroranschlag steuerte der tunesische Islamist Amis Amri einen Sattelschlepper in die Besuchermenge des Weihnachtsmarktes. Fünf der 13 Todesopfer stammten aus Polen, Israel, Italien, der Ukraine und Tschechien.
Anlässlich des Jahrestags sollte am Sonntagabend eine Gedenkveranstaltung in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche unter anderem mit dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und Berlins noch amtierenden Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD) stattfinden. Am Mahnmal vor der Kirche war ein stilles Gedenken geplant.
RND/epd/dpa