„Wir kämpfen für die Demokratie“: Bolsonaros Anhänger blockieren wichtigen Flughafen
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Anhänger des ehemaligen brasilianischen Präsidenten Bolsonaro protestieren am Rande einer Autobahn gegen seine Niederlage bei der Präsidentschaftswahl.
© Quelle: Victor R. Caivano/AP/dpa
Fast 25 Flüge fielen aus: Weil Anhänger des rechtspopulistischen Präsidenten Jair Bolsonaro die Zufahrten des größten internationalen Flughafens in São Paulo blockierten, herrschte rund um das wichtigste Drehkreuz der brasilianischen Luftfahrt zeitweise Chaos. Auch aus anderen Landesteilen werden Proteste gemeldet, vor allem Lkw-Fahrer sperren wichtige Straßen, sodass eine freie Fahrt kaum noch möglich ist. Bilder von brennenden Autoreifen, von Barrikaden zirkulieren in den Netzwerken. Die Justiz ordnete die Räumung der Straßensperren an, ob das so leicht durchsetzbar ist, wird die nächste Zeit zeigen. Die Polizei vermeldete am Dienstag erste Erfolge. Am Mittwoch ist in Brasilien Feiertag, eine passende Gelegenheit für den Nochamtsinhaber, seine Anhänger zu versammeln und auf die Straße zu rufen.
In den sozialen Netzwerken häufen sich Clips mit angeblichen Hinweisen auf Wahlbetrug. Doch alle brasilianischen Institutionen und Wahlbeobachter bestätigen, dass es mit rechten Dingen zugegangen ist. Es gibt keine stichhaltigen Beweise für die Behauptungen, die Wahlen seien manipuliert worden. Der Nachrichtensender Globo nennt die Proteste deswegen „antidemokratische Blockaden“.
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Brasilien, Embu Das Artes: Lastwagenfahrer blockieren die Autobahn, um gegen die Niederlage von Bolsonaro bei der Präsidentschaftswahl zu protestieren.
© Quelle: Andre Penner/AP/dpa
Unwahrscheinlich, dass Bolsonaro Wahlsieger Lula gratuliert
Amtsinhaber Jair Bolsonaro schwieg nach der verlorenen Stichwahl gegen seinen linken Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva tagelang - erst am Dienstag äußerte er sich erstmals und dankte seinen Wählerinnen und Wählern, räumte aber seine Niederlage nicht explizit ein. Er betonte allerdings, er werde den Regeln der Verfassung folgen. Sein Stabschef Ciro Nogueira sagte im Anschluss, Bolsonaro habe ihn damit beauftragt, den Übergangsprozess zur Nachfolgeregierung zu starten.
Mit seinem langen Schweigen nach der Wahlniederlage hatte Bolsonaro seine Anhängerinnen und Anhänger ermuntert, auf die Straße zu gehen. Allerdings war zuletzt der Druck aus den eigenen Reihen, das Ergebnis anzuerkennen, gewachsen.
Nahezu unvorstellbar ist derzeit, dass Bolsonaro am Tag der Amtsübergabe am 1. Januar 2023 Lula zum Amtsantritt gratuliert. Unterdessen hat Bolsonaros Vizepräsident Hamilton Mourao, ein ehemaliger General, bereits Kontakt zu seinem Nachfolger Geraldo Alckmin aufgenommen. Er wird Vizepräsident unter Lula da Silva werden. Mourao gratulierte Alckmin und kündigte eine Transition an. Dass der Ex-General Mourao die Wahlniederlage akzeptiert, ist ein wichtiges Zeichen an das Militär. Die Armee hatte ohnehin angekündigt, das Ergebnis zu akzeptieren.
Die Mehrheit der Protestierenden sind Lkw-Fahrer. „Wir kämpfen für die Demokratie, wir wollen nicht, dass Brasilien kommunistisch wird“, sagt ein aufgebrachter Lkw-Fahrer in São Paulo im brasilianischen Fernsehen. Sie hatten von den Hilfsmaßnahmen Bolsonaros besonders profitiert, der die Steuern auf den Treibstoff deutlich senkte und so den Spritpreis spürbar reduzierte. Die Maßnahme sollte die Branche durch die Krise führen. Entsprechend groß ist die Anhängerschaft unter den Bolsonaro-Anhängern. Während der Proteste kam es zu Solidarisierungsaktionen mit der Verkehrspolizei, einige Polizisten weigerten sich, die Anordnungen der Räumung durchzusetzen. Als Reaktion darauf ordnete die Justiz an, auch die Militärpolizei zur Räumung der Blockaden zu mobilisieren. Aus dem Bundestaat Rio Grande do Sul gab es Bilder von einem Tränengaseinsatz gegen die Bolsonaro-Anhänger.
Weite Teile der Bevölkerung lehnen Lula ab
Der Wahlsieger bastelt unterdessen an seiner neuen Regierung. Eine der Prominentesten, die in sein Kabinett eintreten könnten, ist die ehemalige Umweltaktivistin und Präsidentschaftskandidatin Marina Silva, die bereits als Umweltministerin unter Lula diente. Während der Regierungszeit kam es zum Streit und zum Rücktritt. Zum damals endgültigen Bruch mit Lulas linker Arbeiterpartei PT kam es nach üblen Diffamierungskampagnen gegen Silva im Wahlkampf 2014. Inzwischen haben sich die beiden Lager wieder versöhnt, und es gibt einen neuen Anlauf. Silva ließ durchblicken, dass die neue Regierung, obwohl noch nicht im Amt, eine Delegation zur anstehenden Weltklimakonferenz in Ägypten entsenden könnte. Ein Signal, dass es die neue Regierung ernst meint mit dem Klimaschutz und der angekündigten Nullabholzungsstrategie im Amazonasregenwald.
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Innenpolitisch ist die Aufgabe weitaus größer. Mit seinen ersten Äußerungen wandte sich Lula da Silva auch an jene 58 Millionen Brasilianer, die ihm seine Stimme verweigerten. Es sei nun Zeit, die Waffen schweigen zu lassen und sich zu versöhnen: „Es gibt keine zwei Brasilien.“ Doch nach einem schmutzigen, beleidigenden Wahlkampf auf beiden Seiten mit bisweilen üblen Unterstellungen fällt es vielen schwer, zur Tagesordnung überzugehen. Lula da Silva wird vom ersten Tag – eigentlich schon seit dem Abend seiner Wahl – mit einer großen Ablehnung von einer Hälfte des Landes konfrontiert.
Lula hat nun zwei Monate Zeit, mit einem klug ausgewählten Personal auch die brasilianische Mitte zu berücksichtigen und einzubinden. Und er muss die Vorbehalte wegen seiner politischen Mitverantwortung rund um die großen Korruptionsfälle mit kluger inklusiver Politik widerlegen. Jair Bolsonaro wiederum zerstört mit seinem Verhalten nachhaltig das Bild seiner ersten Präsidentschaft. Seine tagelange Weigerung, das Ergebnis anzuerkennen, wird in den Kleidern hängen bleiben. Das werden die Brasilianer ebenso wenig vergessen.