Erst Vereidigung, dann Spitzentreffen: der schwere erste Tag des Boris Pistorius
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Boris Pistorius (SPD), der künftige deutsche Verteidigungsminister.
© Quelle: Julian Stratenschulte/dpa
Berlin. Der neue Bundesminister der Verteidigung hat jetzt ein straffes Programm. Schon am Donnerstag geht es los. Um 9 Uhr wird Boris Pistorius im Bundestag seinen Eid ableisten. Anschließend wird er im Berliner Bendlerblock, seinem künftigen Arbeitsplatz in der Stauffenbergstraße, von Generalinspekteur Eberhard Zorn mit militärischen Ehren empfangen.
Viel Zeit wird aber auch dafür nicht bleiben. Denn schon bis 10.20 Uhr kommt der US-amerikanische Verteidigungsminister Lloyd Austin vorgefahren, der bis zuletzt wohl davon ausgegangen war, im Ministerium auf Pistorius’ Vorgängerin Christine Lambrecht (SPD) zu treffen. In der Einladung heißt es, bei dem Gespräch werde es um „die aktuelle Kriegslage in der Ukraine“ sowie „die weitere militärische Unterstützung“ gehen. Kein Zweifel: Der bisherige niedersächsische Innenminister wird von der ersten Stunde an gefordert sein.
Grüne dringen auf Parität
Zunächst ging im Regierungsviertel die Debatte darüber weiter, warum der kommende Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt männlich und nicht weiblich ist. So fragte die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Bundestagsfraktion, Irene Mihalic, am Mittwoch: „Was hat den Bundeskanzler daran gehindert, sein Paritätsversprechen einzulösen?“ Schließlich habe es doch qualifizierte Frauen gegeben. Der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner versicherte daraufhin, die gleiche Besetzung des Kabinetts mit Männern und Frauen bleibe Olaf Scholz wichtig. „Bei künftigen Personalentscheidungen wird das handlungsleitend sein“, sagte er.
Für den Sozialdemokraten Pistorius freilich geht es inhaltlich zur Sache. Am Freitag kommt auf dem US-Stützpunkt im rheinland-pfälzischen Ramstein die „Kontaktgruppe zur Verteidigung der Ukraine“ zusammen, um über Hilfen für das von Russland angegriffene Land zu beraten. Dort muss Pistorius Flagge zeigen. So drängt neben anderen Unionspolitikern der stellvertretende Vorsitzende des Verteidigungsausschusses, Henning Otte (CDU). „Die dringendste Frage lautet jetzt: Liefert Deutschland Kampfpanzer?“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Ich hoffe, Pistorius kann sich dabei gegen Scholz durchsetzen und bleibt nicht wie Frau Lambrecht Erfüllungsgehilfe des Kanzlers.“
Am Sonntag nimmt der Verteidigungsminister an den deutsch-französischen Regierungskonsultationen in Paris teil. Das ist nicht nur allgemein wichtig, weil es in der Achse Berlin–Paris zuletzt arg knirschte, sondern auch, weil sich Deutschland bei der Waffenhilfe für die Ukraine neben anderen an Frankreich orientiert. Scholz’ jüngstes Einknicken bei der Lieferung von Schützenpanzern des Typs Marder ist ein Beleg dafür. Überdies gibt es ein stetes Gerangel beider Länder bei Rüstungsvorhaben wie dem deutsch-französisch-spanischen Kampfjetprojekt FCAS. Der französische Präsident Emmanuel Macron will das Projekt vorantreiben und versteht an dieser wie an anderen Stellen wenig Spaß.
Pistorius wird also rasch merken, dass er es mit einer für ihn relativ unbekannten politischen Dimension zu tun hat – der internationalen. Da muss er sich behaupten, im Zweifel auch mal gegen Scholz.
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Union: fordern statt fördern
Unterdessen weht der Wind innenpolitisch aus unterschiedlichen Richtungen. „Boris Pistorius ist eine sehr gute Wahl!“, sagte die Parlamentarische Staatssekretärin im Verteidigungsministerium, Siemtje Möller (SPD). „Ich freue mich, dass die Geschicke der Bundeswehr in so erfahrene und zugewandte Hände gelegt werden.“ Der 62-Jährige sei „ein erfahrener und durchsetzungsstarker Minister“ und auch „mit seiner Wärme für die Menschen genau der richtige Mann für das Mammutprojekt Modernisierung der Bundeswehr“.
CDU-Verteidigungsexperte Otte will Boris Pistorius lieber fordern statt fördern. Er sei kein Bundestagsabgeordneter und müsse „schnell versuchen, Bindung zu Parlament und Regierung zu bekommen“, sagte er. „Er wird auch nicht die Schonfrist von 100 Tagen für sich in Anspruch nehmen können. Denn die maßgeblichen Entscheidungen über Kampfpanzerlieferungen an die Ukraine und die Verwendung des Sondervermögens müssen jetzt schnell getroffen werden.“