Streit um Boris Palmer – wie geht es weiter in Tübingen?
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Boris Palmer, Oberbürgermeister in Tübingen.
© Quelle: Bernd Weißbrod/dpa
Berlin. Am 23. Oktober ist es soweit. Dann wissen die Bürgerinnen und Bürger in Tübingen, wer ihre Stadt künftig regieren wird. Es sei denn, ein zweiter Wahlgang wird erforderlich. Er fände am 13. November statt.
Das Besondere der Oberbürgermeisterwahl in der rund 90.000 Einwohner zählenden Universitätsstadt ist, dass es vermutlich zwei grüne Kandidaten geben wird: den langjährigen Amtsinhaber Boris Palmer und die Ortsvorsteherin im Tübinger Stadtteil Weilheim, Ulrike Baumgärtner – es sei denn, Palmer würde vorher noch aus der Partei ausgeschlossen. Darum wird seit geraumer Zeit gerungen.
Der 49-jährige Palmer galt lange als Vorzeigefigur. Bei der OB-Wahl 2014 holte er 61,7 Prozent. Bald war der Grüne in den eigenen Reihen aber auch umstritten – weil er die grüne Flüchtlingspolitik für zu liberal hielt und sich in den Jahren danach stets aufs Neue in einer Weise äußerte, die Parteifreunde als rassistisch empfanden. Ein Landesparteitag Anfang Mai vergangenen Jahres beschloss deshalb, ein Parteiordnungsverfahren gegen ihn einzuleiten – mit dem Ziel des Rauswurfs. Darüber muss ein parteiinternes Schiedsgericht auf Landesebene entscheiden.
Drohender Parteiausschluss: Palmer will nicht als Tübingen-OB für Grüne antreten
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer will bei der OB-Wahl seiner Stadt im Herbst nicht als Kandidat der Grünen antreten.
© Quelle: dpa
Kritik von Kretschmann
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann riet zuletzt, von diesem Verfahren doch Abstand zu nehmen, weil es nichts bringe. Ex-Parteichef Reinhard Bütikofer äußerte sich ähnlich. Rund 500 Parteimitglieder unterschrieben einen Aufruf zugunsten des Rathauschefs, initiiert von der einstigen Staatssekretärin im Berliner Entwicklungsministerium, Uschi Eid. „Menschen auszuschließen, nur weil sie in einer bestimmten Zeit, in der bestimmte Themen Hochkonjunktur haben, den Mainstream verlassen, halten wir für unsere Partei unwürdig“, heißt es darin.
Der neue Parteivorsitzende Omid Nouripour sagte: „Das ist eine missliche Angelegenheit.“ Er werde mit Palmer sprechen. Dennoch läuft das Parteiordnungsverfahren weiter.
So entsteht nun eine paradoxe Situation. Auf der einen Seite hat der grüne Stadtverband beschlossen, den Kandidaten in einer Urwahl zu bestimmen. Daraufhin hat sich bisher als einzige Aspirantin die Ortsvorsteherin Ulrike Baumgärtner beworben. Auf der anderen Seite hat Palmer unlängst kundgetan, als unabhängiger Kandidat anzutreten – also im Zweifel gegen Baumgärtner oder einen womöglich anderen Aspiranten.
„Nicht besonders schlau“
Der Parteienrechtsexperte Martin Morlok sagt dazu: „Wenn man der eigenen Partei Konkurrenz macht, dann ist das ein klassischer Ausschlussgrund. Das Problem ist nur, dass die Grünen das Parteiordnungsverfahren schon vorher angekündigt haben. So haben sie Palmer in eine Dilemmaposition gebracht.“
Rein politisch gesprochen sei er ohnehin der Meinung, dass die Grünen das Verfahren gegen Palmer „am besten sein lassen würden. Den besten Mann ausschließen zu wollen ist nicht besonders schlau.“
Der inzwischen emeritierte Professor der Heinrich-Heine-Universität in Düsseldorf hält Palmer auch nicht für einen Rassisten, sondern für einen „robusten Realisten“. Als solcher habe er es mit einem „überschießenden Idealismus“ der Grünen zu tun.