Boris Johnson wehrt sich im Parlament: „Ich werde meinen Job weitermachen“
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Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, spricht im britischen Unterhaus bei der Fragestunde „Prime Minister's Questions“.
© Quelle: Jessica Taylor/Uk Parliament/PA
London. Wenn im britischen Parlament Abstandsregeln gelten würden, so wären diese am Mittwoch definitiv nicht eingehalten worden. Anlässlich der wöchentlichen Fragestunde, bei der sich der Premier der Opposition stellen muss, waren nicht nur alle Reihen besetzt, manche Abgeordneten mussten sogar stehen. Niemand wollte das erwartete Spektakel vermissen.
Der Premier geriet am Mittwoch angesichts der Partygate-Affäre massiv unter Druck: Zum einen, weil man jede Minute mit der Veröffentlichung des Berichts der Beamtin Sue Gray rechnete. Zum anderen, weil Scotland Yard nun ebenfalls die Feierlichkeiten in der Downing Street 10 und weiteren Ministerien während des Lockdowns untersucht. Der Labour-Chef Keir Starmer wollte von Johnson wissen, wie viel Schaden er noch bereit sei anzurichten, nur um seine Haut zu retten. Der Premier gab sich jedoch gewohnt kämpferisch: „Ich werde meinen Job weitermachen.“
Ob Johnson seinen Job tatsächlich behalten kann, entscheidet er jedoch nicht alleine. Denn sein Schicksal liegt vor allem in den Händen der konservativen Abgeordneten. Eine, die nach wie vor zu ihm hält, ist Außenministern Liz Truss: „Ich glaube, der Premierminister sollte im Amt bleiben. Ich finde, er macht einen tollen Job. Er hat sich entschuldigt, er hat zugegeben, dass Fehler gemacht wurden.“
Auch Jonathan Gullis, Tory-Parlamentarier des Wahlkreises Stoke-on-Trent betonte, dass Johnson bei der Fragerunde „gut in Form“ gewesen sei. Jenseits der Londoner Blase seien die Menschen an anderen Dingen interessiert, betonte er. Das sehen jedoch nicht alle Tories so.
Seit Wochen schon brodelt es innerhalb der Partei. Vor allem jüngere Abgeordnete empfinden den Premier zunehmend als Belastung angesichts der immer neuen Enthüllungen von Partys im Jahr 2020 zu einer Zeit, als sich das Königreich monatelang im Lockdown befand und sich Britinnen und Briten nur mit einer Person in der Öffentlichkeit treffen durften.
Misstrauensvotum droht
Klarheit darüber, wie oft Partys stattfanden, wer daran teilgenommen hat und wer davon wusste, sollen die Ermittlungen der Beamtin Sue Gray schaffen. Viele konservative Abgeordnete wollen ihre Entscheidung über ein Misstrauensvotum gegen Johnson von den Ergebnissen ihres Berichts abhängig machen.
Beobachter gehen mittlerweile davon aus, dass dieser erdrückende Beweise für ein Vergehen des Premiers beinhalten könnte. Die Rede ist dabei unter anderem von einem Foto, das Johnson umgeben von Weinflaschen zeigt, ohne die nötige Distanz zu den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu halten.
Am Mittwoch warteten Dutzende Journalistinnen und Journalisten zunächst vergeblich darauf, dass eine Kopie des Berichtes, wie zunächst angekündigt, an der berühmten schwarz gestrichenen Tür der Downing Street 10 abgegeben wird. Wollte Johnson den Report vor der Veröffentlichung lesen, um sich dann – wie so oft in den vergangenen Wochen – eine gute Entschuldigung zurechtzulegen?
Doch nicht nur Sue Gray hat recherchiert. Am Dienstag wurde bekannt, dass Scotland Yard ebenfalls zu Vorwürfen über Feiern in der Downing Street und weiteren Ministerien prüft. Dazu bewogen wurde die Polizei offenbar durch Material, das ihnen Gray zugespielt hatte und laut offiziellen Angaben belastend genug gewesen sei, um die Ermittlungen aufzunehmen. Boris Johnson ließ bereits am Dienstag durch einen Sprecher verlauten, dass er die Beamten nach Kräften unterstützen wolle, damit man endlich „einen Strich unter die Sache“ ziehen könne.
Lockdownpartys von Johnson: Scotland Yard ermittelt gegen Premierminister
Boris Johnson steht seit Wochen wegen Berichten über mutmaßlich illegale Partys in seinem Amtssitz massiv unter Druck.
© Quelle: dpa
Für Aufsehen sorgt dabei auch, dass er der erste Premierminister sein könnte, der bei einer möglichen Vernehmung über seine Rechte belehrt werden könnte. Manche Experten im Königreich deuten dies als Hinweis darauf, dass er nicht etwa als Zeuge, sondern als Verdächtiger befragt wird.
Kann man Johnson einen Verstoß gegen die eigens von seiner Regierung aufgestellten Regeln nachweisen, droht ihm maximal eine Geldstrafe. Politisch gesehen würde die Erkenntnis, dass er tatsächlich gegen Gesetze verstoßen hat, jedoch sein sicheres Aus bedeuten, sind sich viele Beobachter einig. Die Ermittlungen können sich jedoch noch monatelang hinziehen.