Krach in der Downing Street: Es wird einsam um Boris Johnson

Der britische Premierminister verlässt seinen Amtssitz in der Londoner Downing Street No. 10 – wird Boris Johnson bald ganz gehen?

Der britische Premierminister verlässt seinen Amtssitz in der Londoner Downing Street No. 10 – wird Boris Johnson bald ganz gehen?

London. Am Donnerstag schien es fast so, als würde sich das Wetter der politischen Lage in der Downing Street 10 anpassen. Denn wie in den Straßen Londons weht seit Donnerstagabend ein eisiger Wind durch den Regierungssitz.

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Der Grund: Gleich fünf Mitarbeiter warfen am Donnerstag und Freitag das Handtuch. Darunter auch eine der engsten Vertrauten Boris Johnsons, seine langjährige Beraterin Munira Mirza. Um den Premier, so wird im kalten Winterlicht betrachtet deutlich, wird es immer einsamer.

Doch wie kam es dazu, dass große Teile des Teams um Johnson quasi über Nacht teils wohl unfreiwillig verschwanden?

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Schnelle Rücktritte – aber warum?

Vonseiten der Regierung erklärt man die Rücktritte damit, dass der Premier nur das wahr gemacht habe, was er angekündigt hat. Nämlich Konsequenzen aus der „Partygate“-Affäre und den zu Beginn der Woche veröffentlichten Ermittlungen durch die Beamtin Sue Gray zu ziehen.

„Der Premierminister hat am Montag absolut klargestellt, dass es Veränderungen an der Spitze von Nummer 10 geben wird, und das hat er geliefert“, sagte der Energieminister Greg Hands am Freitag dem Fernsehsender Sky News.

Tatsächlich war der Privatsekretär Martin Reynolds Beobachtern zufolge unhaltbar, seit klar ist, dass er es war, der rund 100 Minister und Beamte zu einer Gartenparty in die Downing Street während eines Lockdowns eingeladen hatte. Auch der Kommunikationsdirektor Jack Doyle, der ebenfalls am Donnerstagabend sein Amt niederlegte, war in den Skandal um Feiern verwickelt.

Was Beobachter wie die frühere Mitarbeiterin Nikki da Costa jedoch skeptisch macht, ist der Zeitpunkt, zu dem die Mitarbeiter gingen, und die Tatsache, dass dies „nicht kontrolliert“ ablief. Warum musste es so schnell gehen?

Nach Lockdownparty: Premierminister Johnson entschuldigt sich
HANDOUT - 31.01.2022, Großbritannien, London: Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, spricht im britischen Unterhaus vor den Abgeordneten über den Bericht zu den mutmaßlichen Lockdown-Verstößen im britischen Regierungssitz. Johnson hat sich für seinen Umgang mit den Vorwürfen über Partys im Lockdown in der Downing Street entschuldigt. Foto: House Of Commons/PA Wire/dpa - ACHTUNG: Nur zur redaktionellen Verwendung und nur mit vollständiger Nennung des vorstehenden Credits +++ dpa-Bildfunk +++

Nach einem kritischen Bericht über fragwürdige Feiern während des Corona-Lockdowns hat sich der britische Premierminister Boris Johnson entschuldigt.

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Der Rückzug von Johnsons Beraterin

Die Onlinezeitung „Politico“ vermutet, dass der Schritt, die Mitarbeiter so unvermittelt gehen zu lassen, vor allem eines war: ein Manöver, um von dem Abgang der langjährigen Beraterin Mirza abzulenken. Denn die 44-Jährige, die Johnson einst als eine der einflussreichsten Frauen in seinem Leben bezeichnete, ging freiwillig, aus moralischen Gründen, wie ein geleakter Brief an den Premierminister belegt. Auslöser für ihren Rücktritt war eine äußerst umstrittene Äußerung des Premiers im Parlament gegenüber dem Labour-Chef Keir Starmer in Bezug auf die Ermittlungen zu Jimmy Savile.

Worum es geht: Der angesehene BBC-Entertainer Savile hatte über Jahrzehnte Hunderte Kinder und Erwachsene sexuell missbraucht. Das ganze Ausmaß des Verbrechens kam jedoch erst nach seinem Tod ans Licht. Der Labour-Chef Keir Starmer war seinerzeit Leiter der Staatsanwaltschaft, jedoch nicht mit dem Fall betraut. Trotzdem wird er in rechtsextremen Kreisen seit Jahren zu Unrecht dafür verantwortlich gemacht, dass Savile nicht zu Lebzeiten für seine Taten belangt wurde.

Boris Johnson wiederholte diesen Vorwurf diese Woche gegenüber Starmer. Für Mirza war das der Skandal, der das Fass nach Wochen der Diskussionen um Partys endgültig zum Überlaufen brachte. Und das, obwohl sie laut Insidern am meisten an ihn geglaubt hat. Sie schreibt an den Premier: Es sei zutiefst traurig, dass er gegen den Führer der Opposition so eine „skurrile Anschuldigung“ gemacht habe.

„Zutiefst beunruhigt über das, was vor sich geht“

Auch im Rest der konservativen Partei sorgte Johnsons Entgleisung für Aufruhr. Bis zum Freitagnachmittag hatten ein Dutzend Tories den Premier öffentlich dazu aufgerufen zurückzutreten, sieben gaben bekannt, dass sie ihm das Misstrauen ausgesprochen hatten – darunter auch Abgeordnete, die ihm einst nahestanden.

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Der Wirtschaftsminister Rishi Sunak, der als aussichtsreichster Nachfolger Johnsons gehandelt wird, distanzierte sich angesichts des Savile-Kommentars öffentlich von ihm. „Ich bin zutiefst beunruhigt über das, was vor sich geht“, sagte der konservative Abgeordnete Huw Merriman am Freitag der BBC. „Wir alle wissen, dass der Premierminister gehen muss, wenn er nicht klarkommt.“

Naht nun also tatsächlich das Ende Johnsons? Laut Kreisen in Westminster jedenfalls stehen die Chancen, dass der Premier nun aus dem Amt gedrängt wird, bei 50 zu 50. In jedem Fall liegt sein Schicksal in den Händen seiner Parteigenossinnen und -genossen, die sich nun entscheiden müssen, ob sie ihm ebenfalls das Misstrauen aussprechen.

Die sonst regierungsfreundliche britische Boulevardzeitung „Daily Mail“ jedenfalls läutete angesichts des Mitarbeiterschwundes schon einmal den Abgesang der Regierung Johnson ein, indem sie fragte: „Kann der Letzte bitte das Licht ausmachen?“

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