Brasilien: Bolsonaro will Anordnungen des Obersten Gerichts nicht mehr akzeptieren

Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro spricht bei einer Kundgebung zum Unabhängigkeitstag des Landes zu seinen Anhängern.

Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro spricht bei einer Kundgebung zum Unabhängigkeitstag des Landes zu seinen Anhängern.

Brasilia. Der brasilianische Präsident Jair Bolsonaro hat dem Oberste Gericht des Landes die Rechtsautorität abgesprochen. Er werde Anordnungen von Richter Alexandre de Moraes nicht mehr befolgen, sagte Bolsonaro am Dienstag vor Zehntausenden Anhängern. „Die Geduld des Volkes ist zu Ende“, sagte er. „Für uns existiert er nicht länger.“ Der politische Analyst Thomas Traumann sagte, Bolsonaro habe die Krise verschärft.

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De Moraes hat mehrere Anhänger Bolsonaros verhaften lassen wegen der Finanzierung und Organisation von Gewalt oder der Verbreitung falscher Informationen. Bolsonaro sieht darin ein gegen ihn gerichtetes politisches Manöver und hat den Senat aufgefordert, de Moraes des Amtes zu entheben. De Moraes wird im kommenden Jahr Leiter des Wahlgerichts, wenn Bolsonaro sich zur Wiederwahl stellt.

Boslonaro rief seine Anhängerinnen und Anhänger auf, am Dienstag, dem Unabhängigkeitstag im ganzen Land für ihn auf die Straße zu gehen. Er hoffte, eine massive Beteiligung werde seine Stellung festigen – trotz sinkender Umfragewerte. Einige Anhänger trugen am Dienstag Transparente, auf denen sie das Militär zum Eingreifen zugunsten Bolsonaros aufforderten und verlangte, das Oberste Gericht und den Kongress zu schließen. Andere skandierten mit Blick auf de Moraes: „Alexandre raus!“

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Kritiker befürchten Gewaltausbrüche

Bolsonaro sprach in Brasilia und São Paulo. Für seinen Auftritt in Küstenmetropole hatte er zwei Millionen Anhänger angekündigt. Polizeibeamte des Staates São Paulo sprachen von 125.000 Menschen, die sich auf der Avenue Paulista gedrängt hätten. Auch in Rio de Janeiro versammelten sich Bolsonaro-Anhänger.

Kritiker befürchteten, die Demonstrationen könnten in Gewalt umschlagen. Einige erklärten, Bolsonaro könnte ähnliche Ausschreitungen wie die vom 6. Januar in Washington vorbereiten, als Anhänger von Präsident Donald Trump das Kapitol stürmten und behaupteten, er sei um seine Wiederwahl betrogen worden.

Zehntausende protestierten in Brasilien am Unabhängigkeitstag
*** BESTPIX *** RIO DE JANEIRO, BRAZIL - SEPTEMBER 07: Supporters of President Jair Bolsonaro gather at Copacabana beach on September 07, 2021 in Rio de Janeiro, Brazil. Brazilians have taken the streets as they commemorate their Independence Day to show both support and rejection for Jair Bolsonaro's administration. (Photo by Wagner Meier/Getty Images)

Sowohl Anhänger der Regierung sowie Gegner gingen am Dienstag auf die Straßen. Der Präsident Jair Bolsonaro spaltet die Bürger Brasiliens.

Die weltweit zweithöchste Corona-Todesrate, zahlreiche Anschuldigungen wegen Fehlverhaltens im Umgang der Regierung mit der Pandemie und die steigende Inflation haben Bolsonaros Zustimmungswerte belastet. Umfragen zufolge könnte sein Widersacher, der ehemalige Präsident Luiz Inácio Lula da Silva, aus einer Stichwahl als Sieger hervorgehen, sollte er antreten. Mit den Demonstrationen vom Dienstag wollte Bolsonaro den Meinungsforschern das Gegenteil beweisen.

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Wie Trump wurde auch Bolsonaro für das Versprechen gewählt, gegen eine korrupte, eingefahrene politische Klasse vorzugehen. Er hat angekündigt, dass er die Wahlergebnisse von 2022 ablehnen könnte, sollte er verlieren. In São Paulo sagte er: „Ich möchte denen sagen, die mich in Brasilien unwählbar machen wollen: Nur Gott holt mich von dort weg.“ Für ihn gebe es nur drei Möglichkeiten: Ins Gefängnis zu kommen, ermordet zu werden oder zu gewinnen. „Ich will, dass die Halunken wissen: Ich werde niemals inhaftiert“, sagte er.

Analyst Traumann sagte, Bolsonaro habe den Rubikon überschritten. „Man kann keinen Präsidenten haben, der sagt: ‚Ich akzeptiere keine Rechtsstaatlichkeit.‘ oder der sagt: ‚Ich akzeptiere nur die Gesetze, die mir gefallen.‘ Das ist keine Demokratie“, sagte Traumann.

Mit dem Überschreiten des Grenzflusses Rubikon löste der vom Senat entlassene römische Feldherr Julius Cäsar im Jahr 49 vor Christus den Bürgerkrieg gegen die Republik aus, an dessen Ende er Alleinherrscher wurde.

RND/AP

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