Blutspendeverbot für Homosexuelle - Spahn setzt Ärztekammer unter Druck
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Bisher unbemerkt: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat erwirkt, dass das Verbot der Blutspende von Homosexuellen zumindest überprüft werden muss.
© Quelle: imago images/photothek/Panthermedia/RND Montage Behrens
Berlin. Unbemerkt von der Öffentlichkeit hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) mit einer Gesetzesänderung dafür gesorgt, dass die Bundesärztekammer das Blutspendeverbot für homosexuelle Männer überprüfen muss. In dem Mitte Mai beschlossenen Zweiten Bevölkerungsschutzgesetz, in dem es eigentlich nur um Regelungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie geht, ist auch eine entsprechende Änderung des Transfusionsgesetzes enthalten.
Darin heißt es, die Rückstellung ganzer Gruppen von Menschen müsse regelmäßig daraufhin überprüft werden, ob die wissenschaftlichen Erkenntnisse noch aktuell seien oder ob es “nach dem Stand der Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft und Technik gleich geeignete, weniger belastende Verfahren gibt, um ein hohes Gesundheitsschutzniveau von Empfängerinnen und Empfängern von Blutspenden sicherzustellen.”
Bundesärztekammer zuständig für Regelung
In Deutschland sind Männer erst dann zur Spende zugelassen, wenn etwaige Sexualkontakte zu anderen Männern mindestens zwölf Monate zurückliegen. Zuständig für diese Richtlinie ist die Bundesärztekammer. In der Begründung des Pandemiegesetzes heißt es zwar, nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs seien befristete Rückstellungen von Gruppen mit einem erhöhten HIV-Infektionsrisiko zulässig. “Sie werden allerdings von vielen Personen, die der betreffenden Gruppe angehören, häufig als diskriminierend empfunden, weil bereits die abstrakte Gruppenzugehörigkeit für den Ausschluss bzw. die Rückstellung entscheidend ist.” Deshalb sei die Klarstellung notwendig.
Die Bundesärztekammer hatte bei der Anhörung des Gesetzentwurfs im Bundestags-Gesundheitsausschuss scharfe Kritik an der Änderung geübt und eine Streichung gefordert. Man betrachte mit großer Sorge, dass das Gesetzesverfahren dazu genutzt werden solle, “anderweitige Fragen ohne direkten Bezug zur Corona-Pandemie im parlamentarischen Schnellverfahren zu regeln”.
Die Richtlinie zur Blutspende sei aktuell und werde regelmäßig überprüft, argumentierte die Kammer. “Die Richtlinie Hämotherapie stellt – gerade auch mit Blick auf die schmerzlichen Erfahrungen der 1980er-Jahre mit dem sog. ‚HIV‐ Skandal’ – die Sicherheit der Spender wie auch der Empfänger von Blut und Blutprodukten sicher“, heißt es in der schriftlichen Stellungnahme.
FDP und Grüne fordern Aufhebung des Verbots
Die FDP fordert in einem Bundestagsantrag, das Transfusionsgesetz so zu ändern, “dass eine Diskriminierung potenzieller Blutspender wegen ihrer sexuellen oder geschlechtlichen Identität ausgeschlossen wird“. Das verlangen auch die Grünen. In ihrem Antrag heißt es, bei der Blutspende stelle das individuelle Risikoverhalten und nicht die sexuelle Identität eine Gefährdung dar.
Die Richtlinie der Ärztekammer bedeute dagegen eine pauschale Diskriminierung von schwulen und bisexuellen Männern. Weiter heißt es in dem Antrag der Grünen, eine Frist von zwölf Monaten ohne Sex für eine Blutspende sei sachlich unbegründet. Sie sollte sich an der Nachweisbarkeit einer HIV-Neuinfektion orientieren, die etwa sechs Wochen betrage. Die beiden Anträge sollten am späten Mittwochabend im Bundestag debattiert und dann an den Gesundheitsausschuss überwiesen werden.
Das Rote Kreuz hatte in den vergangenen Wochen vor Engpässen bei der Versorgung mit Blutkonserven gewarnt. Die Organisation leidet darunter, dass viele Blutspendetermine wegen der Pandemie abgesagt werden mussten. Gleichzeitig haben die Kliniken aber wieder begonnen, deutlich mehr zu operieren.