Biomärkte boykottieren Produkte eines AfD-Funktionärs
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Müsli, Hirse, Soja – alles da im Biomarkt. Weil man aber nachhaltig handeln will, haben drei Bioketten jetzt Produkte eines Unternehmers mit AfD-Parteibuch aus dem Programm genommen.
© Quelle: dpa
Berlin. Neben dem Reis-Exotic- und dem Mais-Schoko-Müsli hängt in dem Leipziger Biomarkt Bio Mare ein Warnhinweis der Geschäftsführung. Er trägt den Titel „Auslistung der Spreewälder Hirsemühle“. So weit ist das nichts Besonderes, doch die Erklärung hat einen politischen Hintergrund: Der Inhaber der Mühle ist AfD-Funktionär. Und damit sei er Mitglied einer Partei, die den menschengemachten Klimawandel leugne und sich damit gegen die Werte des Biomarkts und der ganzen Branche stelle.
„Wir sind als Biofachhandel die Adresse, wo Kunden erwarten, dass wir nachhaltige Lebensmittel anbieten und eine Sortierung nach nachhaltigen Kriterien erstellen“, sagte Malte Reupert, Inhaber von Bio Mare, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). Die Lagerbestände wurden infolgedessen verkauft, und der Biomarkt wechselte den Lieferanten. Nach Angaben des Inhabers zeigten die Kunden Verständnis und befürworteten die Auslistung.
Bio Mare informierte Mühlenbetreiber im Voraus
Bevor man die Spreewälder Hirsemühle aus dem Sortiment nahm, hat Reupert, der bei den sächsischen Grünen aktiv ist, den Mühlenbetreiber angeschrieben und ihn mit seinem Anliegen konfrontiert. Den Schriftwechsel veröffentlichte Bio Mare anschließend auf seiner Webseite: Durch die Mitgliedschaft in der AfD mache er sich mit den Grundsätzen der Partei gemein und als ökologischer Unternehmer sei er dadurch höchst unglaubwürdig, heißt es in dem Schreiben. „Dies macht uns eine weitere Zusammenarbeit mit Ihnen unmöglich.“
Der betroffene Geschäftsführer, Jan Plessow, reagierte auf die Mail: „Ihr Schreiben ist eher ein Fall für den öffentlichen Pranger und/oder den Verfassungsschutz, als dass darauf noch reagiert werden sollte. Ich versuche es trotzdem in der Hoffnung auf ein Fünkchen demokratisch-freiheitlichen Restverstandes ihrerseits."
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AfD-Fraktionssprecher Lüth befeuert Debatte bei Twitter
Das Ganze war vor zwei Monaten. Doch noch heute hängt das Schild an gleicher Stelle. „Um auf die Debatte aufmerksam zu machen“, so der Bio-Mare-Inhaber. Doch die Geschichte schlägt nun neue Wellen, denn sie war ein gefundenes Fressen für den Sprecher der AfD-Bundestagsfraktion, Christian Lüth. Über seinen Kanal twitterte er ein Bild der Warnung und spottete über die Auslistung ironisch: „Ökos! Wehrt euch! Kauft nicht bei AfDlern!“
Damit kippte er Öl ins Feuer der Populisten in den sozialen Netzwerken: Schnell entbrannte dort eine „Debatte“ zum Thema – Vergleiche zum Dritten Reich inklusive. „Früher hieß es: Kauft nicht bei den Juden“, erklärte ein AfD-Anhänger den anderen die Anspielung des AfD-Sprechers, ein weiterer sekundierte: „Merkel hat uns zusammen mit den Grünen wieder die Hitler-Zeit aufleben lassen“ (sic).
Der betroffene Geschäftsführer der Spreewälder Hirsemühle, Jan Plessow, hat für die Auslistung kein Verständnis. Er ist Beisitzer im AfD-Kreisvorstand Spree-Neiße und fühlt sich in seiner Meinungsfreiheit in „totalitärer Manier“ unterdrückt. Dem RND sagte Plessow: „Was hat mein parteipolitisches Engagement mit dem regionalen Produkt zu tun?“
Plessows Kreisvorsitzender bei der AfD, Steffen Kubitzki, kann die Reaktion des Bioladens ebenfalls nicht nachvollziehen. Es sei „eine Schweinerei“, da der Vorfall nun die Existenz des Parteikollegen gefährde. Fraktionssprecher Lüth teilte dem RND mit, dass man nach Möglichkeiten suche, wie man Jan Plessow finanziell unterstützen könne.
„Was hat politisches Engagement mit dem Produkt zu tun?“
Denn nicht nur Bio Mare, sondern auch die Berliner Biosupermarktkette Bio Company sowie der Bio-Lebensmittel-Konzern Alnatura haben seine Produkte aus dem Sortiment genommen. „Ein Unternehmen in unseren Biomärkten, das die Klimakrise leugnet, ist für uns nicht tragbar“, sagt Stefanie Neumann, Sprecherin von Alnatura. „Die Klimakrise sei eines der dringendsten Probleme unserer Zeit. Sie zu leugnen habe nichts mehr mit Meinungsäußerung zu tun.“
Durch die Zusammenarbeit mit der Grünen Liga Cottbus galt Jan Plessow bisher eher als umweltbewusst. Gemeinsam mit Biolandwirten und der Humboldt-Universität Berlin hat er den Hirseanbau zurück in die Lausitz gebracht. An den Klimaschutz glaubt er hingegen nicht, wie aus seiner Mail an Bio Mare hervorgeht: „Im Übrigen, wenn aktuell die problematischen Klimaerscheinungen schon Auswirkungen eines menschengemachten Wandels sind, ist sowieso alles zu spät! Klimaschutz ist aussichtslos.“