Kommentar zu den US-Zwischenwahlen

Bidens Glückstag und Trumps faustdickes Problem

Joe Biden, Präsident der USA, während einer Wahlkampfveranstaltung vor den Midterms in Pennsylvania.

Joe Biden, Präsident der USA, während einer Wahlkampfveranstaltung vor den Midterms in Pennsylvania.

Washington. Man hat sich schon daran gewöhnt, dass Wahlen in den USA für die Demokraten eigentlich immer schlechter laufen als erwartet. So erschien es vielen Beobachtenden auch wie trauriges Pfeifen im Wald, wenn Joe Biden in den vergangenen Wochen tapfer versicherte, er gehe mit Optimismus in die Midterm-Elections. Schließlich deuteten die miserablen Umfragewerte des Präsidenten, die drückende Inflation und die beängstigende Polarisierung der Gesellschaft in eine ganz andere Richtung. Ein Debakel prognostizierte mancher Beobachter und den Verlust einer Rekordzahl von Parlamentsmandaten.

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+++ Alle Entwicklungen zu den Zwischenwahlen in den USA im Liveblog +++

Insofern kommen die sich nun abzeichnenden Trends der Zwischenwahlen einem kleinen Wunder gleich. Noch ist es zu früh für eine abschließende Wertung, und die tatsächlichen Mehrheitsverhältnisse werden sich wohl erst in Tagen oder gar Wochen entscheiden. Aber so viel scheint klar: Der von den Republikanern vorhergesagte politische Tsunami entpuppt sich eher als ein heftiges Sommergewitter. Für Biden wird das Regieren wahrscheinlich schwieriger werden. Aber seine Verluste bleiben weit unter dem historischen Durchschnitt. Regelrecht zerzaust aber ist der Ego-Shooter Donald Trump, dessen Kandidatinnen und Kandidaten vielfach ein miserables Bild abgaben, während sein parteiinterner Gegenspieler Ron DeSantis einen triumphalen Sieg einfuhr.

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Traditionell werden die Zwischenwahlen von den amerikanischen Wählern als Denkzettel für den amtierenden Präsidenten genutzt. Im Durchschnitt muss dieser den Verlust von 29 Sitzen im Repräsentantenhaus verwinden. Doch es kann auch schlimmer kommen: Barack Obama verlor 2010 satte 63 Mandate. Donald Trump büßte 2018 immerhin 40 Sitze ein. Bei Biden dürfte der Verlust im Repräsentantenhaus weit darunter bleiben. Es ist möglich, dass er die mit nur fünf Stimmen hauchdünne Mehrheit verliert. Im wichtigeren Senat können die Demokraten in Pennsylvania aber sogar einen Sitz hinzugewinnen – auch wenn erst in den nächsten Tagen feststehen dürfte, ob sie anderswo ein Mandat verlieren.

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Ein Alarmsignal aus Florida

Insgesamt ist das eine durchwachsene, aber keinesfalls katastrophale Bilanz. Angesichts des wirtschaftlichen Umfelds könnten die Demokraten sogar zufrieden sein – wenn es nicht einige Alarmsignale gäbe. Der härteste Schlag ist sicher der Verlust aller Mandate in Florida, das sich vom Swing-State zur Republikaner-Hochburg gewandelt hat. Dahinter steckt ein noch beunruhigenderer Trend: der Einbruch bei den Latino-Wählern. Lange haben die Demokraten die Stimmen der Bürger mit lateinamerikanischen Wurzeln als selbstverständlich eingepreist. Nun zeigt sich etwa in Miami, dass diese in Scharen die Republikaner wählen. Der Frust über die Corona-Auflagen, die viele in ihren Jobs einschränkten, mag dabei eine Rolle gespielt haben. Doch dahinter steckt auch ein kultureller Wandel.

Besorgniserregend ist auch, dass in einigen Bundesstaaten Kandidaten und Kandidatinnen gewählt wurden, die offen das Ergebnis der Präsidentschaftswahlen anzweifeln. Für die ordnungsgemäße Durchführung der Wahlen im Jahr 2024 lässt das nichts Gutes erwarten.

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Der große Verlierer des Tages aber heißt überraschend Donald Trump. Von ihm gepushte Kandidaten wie der quacksalbernde Fernseharzt Mehmet Oz oder der Kapitolssturmteilnehmer Doug Mastriano fielen bei den Wahlen durch. Der ebenfalls von Trump aufgestellte Senatskandidat Herschel Walker schnitt in Georgia deutlich schlechter ab als der trumpkritische republikanische Gouverneur Brian Kemp. In Ohio siegte zwar der zum fanatischen Trump-Fan konvertierte Ex-Bestsellerautor JD Vance, doch holte er das Mandat, das sein Vorgänger mit 21 Punkten Vorsprung gewonnen hatte, nur mit einer ziemlich knappen Marge.

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Ein ernstzunehmender Konkurrent

Für die Kür des republikanischen Präsidentschaftskandidaten ist das eine höchst interessante Entwicklung. Die Gefahren für die Demokratie durch eine rechtspopulistische Machtübernahme in den USA sind damit aber keineswegs gebannt. DeSantis, der siegreiche Gouverneur von Florida, ist im Stil disziplinierter und effizienter als der narzisstische Ex-Präsident, in der Sache aber kaum weniger radikal. Dass Trump ihn als „Ron DeSanctimonious“ (Ron, der Scheinheilige) verspottet und ihn warnt, es wäre „ein Fehler“, für das Präsidentenamt zu kandidieren, zeigt, wie ernst er den Konkurrenten nimmt.

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Unter allen unerwarteten Wendungen ist das nun wirklich das erstaunlichste Ergebnis dieser Zwischenwahlen: Am Ende könnten sie Donald Trump mehr Probleme bereiten als Joe Biden.

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