Länder hebeln 15-Kilometer-Regel teilweise aus

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD).

Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD).

Berlin. Einen Tag nach der Einigung von Bund und Ländern über eine Verschärfung des coronabedingten Lockdowns wird Kritik an den Maßnahmen laut; teilweise werden sie auch von den politischen Entscheidungsträgern selbst infrage gestellt.

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In Thüringen etwa hat sich der dortige Innenminister Georg Maier (SPD) gegen die Einschränkung der Bewegungsfreiheit von Bürgern auf einen Radius von 15 Kilometern von ihrem Wohnort gewandt. Sie soll laut Übereinkunft in Landkreisen und kreisfreien Städten mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von mehr als 200 pro 100.000 Einwohner gelten.

„Man kann die Einschränkung nicht flächendeckend kontrollieren, sondern nur stichprobenartig“, sagte er dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). „Deshalb habe ich mich dagegen ausgesprochen – ganz abgesehen von den psychologischen und praktischen Nebenwirkungen einer solchen Regelung.“

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Zuvor hatten bereits Polizeigewerkschafter Zweifel an der Durchsetzbarkeit geäußert. Thüringens Umweltministerin Anja Siegesmund (Grüne) sagte dem RND: „Die 15-Kilometer-Regelung erscheint uns nicht als sinnvolle Maßnahme.“ Sie dürfe daher „nur als Empfehlung formuliert“ sein.

Streit in Thüringen

Nach RND-Informationen geht die Regelung nicht zuletzt auf Thüringens Ministerpräsidenten Bodo Ramelow (Linke) zurück. Er wiederum wollte sie, weil Bürger aus Sachsen wegen der dortigen Beschränkungen zuletzt teilweise auf die Thüringer Wintersportorte ausgewichen waren. Auf Druck von SPD und Grünen soll sie in Thüringen nun bloß noch empfehlenden Charakter haben.

In Baden-Württemberg wird die Regelung nach den Worten von Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) vorerst gar nicht durchgesetzt. Man müsse bei der Erhebung der Infektionszahlen „erst einmal zu belastbaren Werten kommen“, sagte er.

Überdies will der Grünen-Politiker Grundschulen und Kitas nicht bis zum 31. Januar schließen, sondern bereits ab dem 18. Januar wieder öffnen – vorausgesetzt, die Infektionszahlen ließen dies zu. Das geht offenkundig auf Druck von Kultusministerin Susanne Eisenmann (CDU) zurück, die für Präsenzunterricht plädiert hatte. In Thüringen und Baden-Württemberg finden demnächst Landtagswahlen statt.

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Der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers, beklagte derweil, dass unter 14-Jährige nicht mehr wie bisher von den strengeren Kontaktbeschränkungen ausgenommen bleiben sollen. „Ich kann nur für unsere Kleinen hoffen, dass die Ausnahme bleibt“, sagte er dem RND.

Denn Kinder bräuchten für ihre Entwicklung Gleichaltrige, um sich zu messen und zu spielen. Und auch für die Eltern bedeute eine Verschärfung in diesem Punkt eine „Katastrophe“. Viele seien nämlich bei der Betreuung von Kindern auf die Hilfe von Familie oder Nachbarn angewiesen. Sie aber werde durch diese Maßnahme teilweise unmöglich gemacht.

Der Präsident des Kinderschutzbundes befürwortet die strengeren Regeln zwar grundsätzlich, bittet an dieser Stelle allerdings um „Nachbesserung“. Künftig dürfen sich Menschen eines Hausstandes laut Beschluss von Bund und Ländern tatsächlich nur noch mit einem weiteren Erwachsenen oder einem weiteren Kind treffen.

Linke für Druck auf Arbeitgeber

Darüber hinaus forderte Hilgers die Politik auf, neue Maßnahmen in Zukunft früher und besser zu kommunizieren. „Ich finde es respektlos, Schul- und Kita-Leitungen kurzfristig vor vollendete Tatsachen zu stellen“, sagte er.

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Der Parlamentarische Geschäftsführer der Linksfraktion im Bundestag, Jan Korte, mahnte mehr Anstrengungen der Wirtschaft an. „Die Corona-Bekämpfung darf nicht länger zur Privatangelegenheit der Bürgerinnen und Bürger gemacht werden“, sagte er dem RND. „Auch die Unternehmen müssen bei einem Lockdown in die Pflicht genommen, alle Betriebsabläufe müssen unter Beteiligung der Belegschaften und Betriebsräte endlich infektionssicher organisiert werden.“

Es reiche auch nicht, wenn Bundes- und Landesregierungen die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber um großzügige Homeoffice-Regelungen bäten, so Korte. Die Unternehmen müssten vielmehr verpflichtet werden, Homeoffice zu organisieren, wann immer es der Betriebsablauf erlaube.

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