Justizministerium will Whistleblower in Unternehmen gesetzlich schützen
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Whistleblower sollen nach dem Willen des Bundesjustizministeriums gesetzlich geschützt werden.
© Quelle: dpa
Karlsruhe. In Deutschland soll bald ein „Gesetz zum Schutz hinweisgebender Personen“ beschlossen werden. Ein entsprechender Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) liegt dieser Zeitung vor. Am Freitag begann die Ressortabstimmung innerhalb der Bundesregierung.
Wer in seinem Unternehmen einen Skandal aufdeckt, soll sich nicht mehr vor Kündigung und anderen Repressalien fürchten müssen. Das ist der Grundgedanke des Gesetzentwurfs der Justizministerin. Das Gesetz soll nicht nur in der Privatwirtschaft gelten, also zum Beispiel bei Autokonzernen, Wurstfabriken oder Pflegeheimen, sondern auch bei Behörden und der Bundeswehr. Geschützt werden deshalb nicht nur normale Arbeitnehmer, sondern auch Beamte, Soldaten und Richter.
Bisher basierte der Schutz von Whistleblowern in Deutschland nur auf vereinzelten Gerichtsurteilen. Gesetzentwürfe von SPD und Grünen fanden bisher nie eine Mehrheit.
EU-Richtlinie muss deutsches Recht werden
Der Anstoß für eine gesetzliche Regelung kommt nun von der EU. 2019 wurde auf EU-Ebene eine Richtlinie zum Schutz von Whistleblowern beschlossen, die bis Dezember 2021 in nationales Recht umzusetzen ist. Sie gilt aus Kompetenzgründen allerdings nur für die Aufdeckung von Missständen, die gegen EU-Recht verstoßen.
Seit einem Jahr diskutiert die Große Koalition bereits, wie diese EU-Richtlinie in deutsches Recht transformiert werden soll. Die CDU/CSU forderte eine enge Eins-zu-eins-Umsetzung, die nicht über das EU-Recht hinausgeht. Die SPD verlangte eine Ausweitung des Whistleblowerschutzes auf die Verletzung von deutschem Recht. Sonst wisse nur der juristisch gebildete Hinweisgeber, ob er geschützt ist oder nicht.
Der Entwurf des Justizministeriums folgt nun klar der SPD-Linie. Auch Verstöße gegen deutsches Recht sollen gefahrlos gemeldet werden können. Dies gilt jedenfalls immer, wenn eine Vorschrift so wichtig ist, dass den Verantwortlichen bei Verstößen Strafen oder Bußgelder drohen. Und skandalträchtige Felder wie das Umwelt- und Lebensmittelrecht sollen generell erfasst sein. Es ist noch nicht sicher, ob bei dieser weiten Lösung auch das CDU-geführte Wirtschaftsministerium mitzieht. Der Kabinettsbeschluss ist für Anfang 2021 geplant.
„Interne Stelle“ oder „externe Stelle“
Für die Meldung eines Verstoßes sieht der Gesetzentwurf zwei gleichwertige Wege vor. Die Whistleblower können sich entweder an eine „interne Stelle“ in ihrem Unternehmen wenden. Oder sie können eine „externe Stelle“, etwa beim Bundesdatenschutz-Beauftragten, über den Missstand informieren.
In Ausnahmefällen können Hinweisgebende auch sofort an die Öffentlichkeit gehen. Sie können Medien oder soziale Netzwerke informieren, wenn die Meldung an eine externe Stelle zu spät käme, keine Erfolgsaussichten hat oder wenn sogar Sanktionen drohen.
Der Gesetzentwurf schützt die Hinweisgebenden nicht nur vor Kündigungen, sondern auch vor anderen Repressalien. Dies kann zum Beispiel die Verweigerung einer Beförderung oder einer Fortbildung sein. Da der Zusammenhang für Whistleblower oft schwer zu beweisen ist, gilt hier eine Beweislastumkehr: Die Arbeitgeber müssen belegen, dass die nachteilige Behandlung nichts mit der Aufdeckung des Missstands zu tun hat.
Wenn eine Kündigung gegen das Whistleblower-Schutzgesetz verstößt, ist sie „nichtig“, das Arbeitsverhältnis besteht also weiter. Außerdem können Betroffene Schadensersatz erhalten.
Vor strafrechtliche Sanktionen werden Whistleblower bereits seit 2018 gesetzlich geschützt. Damals beschloss der Bundestag das Gesetz über Geschäftsgeheimnisse, das auch großzügige Regelungen im Interesse von Hinweisgebern und Journalisten vorsieht.