Berlusconi feiert Geburtstag – und träumt vom Amt des Staatspräsidenten
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Silvio Berlusconi, ehemaliger Ministerpräsident Italiens, im Februar 2019 beim TV-Vormittagstalk „L’Aria che tira“.
© Quelle: Fabio Cimaglia/LaPresse via ZUMA
Rom. Die Mailänder Richter hatten dem Jubilar vor einigen Tagen ein nicht erbetenes vorzeitiges Geburtstagsgeschenk beschert: Sie forderten von Berlusconi, sich medizinisch und psychiatrisch begutachten zu lassen. Das Richtergremium wollte abklären, ob der illustre und nicht mehr ganz junge Angeklagte gesundheitlich überhaupt noch in der Lage sei, an dem Prozess teilzunehmen.
In dem Verfahren wird Berlusconi vorgeworfen, im Zusammenhang mit den legendären Sexorgien in seinen Privatvillen einigen jungen Teilnehmerinnen Geld gegeben zu haben, damit sie gegenüber den Ermittlern den Mund halten. Die Hauptprotagonistin der sogenannten „Bunga-Bunga“-Partys, die damals minderjährige Prostituierte Karima El Farough („Ruby Rubacuori“), soll für ihr Schweigen 5 Millionen Euro kassiert haben.
Berlusconi wies die Forderung nach einer Begutachtung entrüstet zurück: Das Ansinnen verletze ihn zutiefst in seiner Ehre als Staatsmann und Unternehmer. Der 85-jährige Ex-Premier und Multimilliardär denkt nicht im Traum daran, sich auf die Liege eines Psychiaters zu legen – er hat noch ganz andere Ziele: Er will im nächsten Januar, wenn die Amtszeit von Staatspräsident Sergio Mattarella abläuft, zu dessen Nachfolger im Quirinalspalast gewählt werden.
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Mai 1994: Italiens damaliger neuer Ministerpräsident Silvio Berlusconi lacht bei einer Pressekonferenz.
© Quelle: ANSA/epa/dpa
Das höchste Staatsamt der italienischen Republik: Was wäre passender für einen Mann, der sich selber während seiner nunmehr fast dreißig Jahre langen politischen Karriere abwechslungsweise als „besten Ministerpräsidenten der letzten 150 Jahre“, „Gesalbten des Herrn“ und „Jesus Christus der Politik“ bezeichnet hatte? Angesichts seiner gerichtlichen und politischen Vergangenheit mögen Berlusconis Ambitionen grotesk anmuten. Doch das Gedächtnis der Menschen ist bekanntlich kurz, und die Neigung, frühere Sünden zu vergeben, ist gerade im katholischen Italien besonders ausgeprägt.
Vergessen und vergeben sind die Dutzenden Prozesse, in denen Berlusconi angeklagt war und vor denen er sich meist nur dank maßgeschneiderter Gesetze oder Verjährung retten konnte. Vergessen und vergeben ist seine Verurteilung wegen Steuerbetrugs in dreistelliger Millionenhöhe. Vergessen sind natürlich auch seine unzähligen verbalen Ausrutscher und gebrochenen Wahlversprechen: Einmal hatte Berlusconi sogar in Aussicht gestellt, dass seine Regierung innerhalb von drei Jahren den Krebs besiegen werde, wenn man ihm wieder die Stimme gebe.
Er war eben, wie Mario Monti einmal zutreffend sagte, „der Vater aller Populisten“. Aber im Vergleich zu den Hetzern und Volkstribunen, die nach ihm kamen – Lega-Chef Matteo Salvini und Beppe Grillo, der Gründer der Fünf-Sterne-Protestbewegung – wirkt Berlusconi geradezu moderat.
Es gibt einen großen Unterschied zwischen ihm und seinen populistischen Ziehsöhnen: Der „Cavaliere“ hatte sich die Schwächen seiner Landsleute zunutze gemacht – indem er etwa die verbreitete Steuerhinterziehung als „Notwehr“ bezeichnete. Salvini dagegen appelliert an die niedrigen Instinkte, schürt Hass und Nationalismus.
Das hatte Berlusconi nie nötig: Er wärmte den Italienern das Herz, indem er als Vereinspräsident mit dem AC Milan fünfmal die Champions League gewann. Im Vergleich zum aggressiven und rüpelhaften Salvini und zu den politisch unbedarften „Grillini“ erscheint Berlusconi inzwischen vielen Italienern als kompetenter und besonnener Staatsmann.
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März 2018: Silvio Berlusconi und Matteo Salvini, Parteivorstand der rechtspopulistischen Lega Nord, nehmen vor der italienischen Parlamentswahl an einem Treffen der Mitte-rechts-Parteien teil.
© Quelle: Domenico Stinellis/AP/dpa
Ob der große Traum des Silvio Berlusconi im Januar in Erfüllung gehen wird, ist ungewiss. Er genießt zwar im Rechtslager viel Unterstützung, aber für eine Wahl würde er auch noch einige Stimmen aus der Mitte oder von der Linken benötigen. Vor allem könnten ihm aber sein Alter und seine Gesundheit einen Strich durch die Rechnung machen: Immerhin dauert die Amtszeit des Staatspräsidenten sieben Jahre.
Letztlich befindet sich Berlusconi in einem Dilemma: Wenn er wie bisher jeden Gerichtstermin aus gesundheitlichen Gründen schwänzen wird, bestätigt er die Zweifel an seiner physischen Fähigkeit, das begehrte Amt auszufüllen. Wenn er sich dagegen entschließen sollte, künftig den Vorladungen Folge zu leisten, riskiert er eine Verurteilung zur Unzeit. Vielleicht kommt ihm ja am heutigen Geburtstag plötzlich die rettende Idee.