Oberverwaltungsgericht bestätigt: Berliner Demo gegen Corona-Maßnahmen darf unter Auflagen stattfinden
Das Land Berlin will die Genehmigung der für Samstag geplanten Demonstration von Gegnern der Corona-Auflagen nicht hinnehmen.
© Quelle: Reuters
Berlin. Das Berliner Oberverwaltungsgericht hat in der Nacht zu Samstag das Urteil des Berliner Verwaltungsgerichts bestätigt: Das Verbot der geplanten Demonstration gegen die Corona-Maßnahmen bleibt aufgehoben. Die Veranstalterinitiative Querdenken 711 aus Stuttgart hatte erfolgreich Widerspruch gegen die Verbotsverfügung der Berliner Polizei eingelegt. Die Demonstrationsanmelder hatten zuvor angekündigt, bei einer Niederlage bis vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu ziehen.
Der zwölfseitige Beschluss liegt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) vor. Er ist eine herbe Niederlage für die Berliner Behörden und Innensenator Andreas Geisel (SPD). Die Polizei hatte in der Verbotsverfügung argumentiert, Infektionsschutzmaßnahmen seien bei dem erwarteten Klientel nicht durchsetzbar. Die Demonstrierenden hätten sich bei der vergangenen Querdenken-Demonstration am 1. August geweigert, Abstände einzuhalten sowie Mund und Nase zu bedecken.
Das Gericht hält diese Gefahrenprognose für nicht konkret genug, um ein Verbot zu begründen. Zudem sei eine Maskenpflicht im öffentlichen Raum gar nicht zwingend. Was die Abstände angeht, habe der Veranstalter ein Eigeninteresse, bei ihrer Einhaltung mitzuwirken.
Protest gegen Corona-Maßnahmen muss möglich sein
Die Kundgebung auf der Straße des 17. Juni darf aber nur unter strengen Auflagen stattfinden. Die Veranstalter müssen dieser im Bühnenbereich “Gitter zur Vermeidung einer Personenballung aufstellen”, und mittels “beständig wiederholter Durchsagen und unter Einsatz seiner Ordner sicherstellen”, dass alle Teilnehmer die Mindestabstände einhalten.
Aus dem Thema der Demonstration darauf zu schließen, dass die Teilnehmer keine Abstandsregeln befolgen, sei nicht zulässig, urteilten die Richter. Andernfalls wäre Protest in Form einer Versammlung gegen die Corona-Maßnahmen nicht möglich. Derart dürfe die Meinungs- und Versammlungsfreiheit nicht eingeschränkt werden.
Unterdessen bereitete sich die Polizei auf das Wochenende vor. Rund 3000 Beamte, auch aus anderen Bundesländern, werden im Einsatz sein, kündigte Polizeipräsidentin Barbara Slowik an.
Kanzleramtschef Braun warnt vor zweiter „Welle mit Wucht“
Kanzleramtschef Helge Braun hat sich zu den jüngsten Beschlüssen von Bund und Ländern zu den Corona-Regeln geäußert.
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Polizisten luden am Donnerstag zahlreiche Absperrgitter an den Straßen im Regierungsviertel nahe dem Reichstagsgebäude und dem Bundeskanzleramt ab. Damit können große Bereiche relativ unkompliziert abgeriegelt werden. Anhänger von Querdenken bauten bereits in den vergangenen Tagen ein Dutzend Zelte auf einem Parkplatz im Tiergarten am Regierungsviertel auf.
Polizei korrigiert Zahlen der vergangenen Demo nach oben
Zu der Kundgebung am Samstag hatte die Initiative 22.000 Teilnehmer auf der Straße des 17. Juni nahe dem Brandenburger Tor angemeldet. Die Versammlungsbehörde der Polizei hatte diese größere Demonstration und neun weitere kleinere Veranstaltungen am Mittwoch verboten.
In der neunseitigen Verfügung begründete sie das Verbot mit dem Gesundheitsschutz für die Bevölkerung. Schon bei der letzten Demonstration am 1. August mit 30.000 Teilnehmern habe sich gezeigt, dass die meisten Menschen weder einen Sicherheitsabstand eingehalten noch Masken getragen hätten. Daher sei eine Versammlung von noch mehr erwarteten Menschen, die die Corona-Schutzmaßnahmen im Alltag wie auch bei Demonstrationen ablehnten und ignorierten und so das Virus verstärkt verbreiten würden, zu gefährlich. Das Infektionsrisiko werde so “exponentiell gesteigert”.
Dass die Polizei nun von 30.000 Menschen am 1. August schrieb, sorgte für einige Verwunderung. Bisher hatte sie immer auf der Zahl von 20.000 Demonstranten beharrt. Über die Angaben war heftig gestritten worden, weil die Demonstranten der Polizei vorwarfen, die Zahl aus politischen Gründen zu niedrig anzusetzen.
Aus Protest gegen das Verbot sind bei der Berliner Polizei mittlerweile mehrere Tausend neue Demonstrationen für das Wochenende angemeldet worden. Eine Demonstration lässt sich einfach und schnell über ein Formular auf der Internetseite der Polizei anmelden.
Im Internet waren bereits Aufrufe erschienen, trotz des Verbots in die Hauptstadt zu reisen und zu protestieren. Teilweise wurden dabei Gewalt und politischer Umsturz gefordert.
Innensenator besorgt wegen Gewaltaufrufen
Innensenator Geisel zeigte sich laut einem “Tagesspiegel”-Bericht besorgt, dass es zu Gewalt kommen könnte. Es habe erhebliche Drohungen gegen seine Behörde und die Polizei gegeben. Im RBB-Inforadio sagte er, am 1. August seien 3000 bis 4000 Neonazis unter den 20.000 bis 30.000 Demonstranten gewesen. “Wir erwarten am Wochenende einige Tausend Neonazis mehr, auch einige Tausend Demonstranten mehr.”
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Rechtsextremisten sind nach Einschätzung des Verfassungsschutzes im Vorfeld der abgesagten Berliner Demonstration gegen die Corona-Auflagen aktiver als bei der letzten größeren Protestveranstaltung in der Hauptstadt. “Die Mobilisierungsaufrufe von Rechtsextremisten sind breiter und intensiver als im Vorfeld der Demonstration vom 1. August 2020 in Berlin”, hieß es am Freitag aus dem Bundesamt für Verfassungsschutz.
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Kanzleramtschef Helge Braun sagte in der ZDF-Sendung “Maybrit Illner”: “Was ich sehr schwierig fand und was hier, glaube ich, das große Problem war, dass bei der Begründung der Ablehnung der Demonstration die Absicht der Demonstranten mit in die Argumentation einbezogen worden ist. Und das geht natürlich nicht.”
Berlin verbietet Protestdemonstration gegen Corona-Politik
Die Berliner Polizei hat die für diesen Samstag geplante Demonstration gegen die Corona-Politik und andere Aufzüge verboten.
© Quelle: dpa
Der CDU-Politiker sprach von einer ganz schwierigen Abwägungsfrage bei dem Verbot. “Ich finde, dass auch Corona-Gegner demonstrieren können”, sagte der Kanzleramtschef. Man müsse sich dort natürlich auch den Regeln unterwerfen.
RND/mit Material von dpa