120.000 Armenier von Versorgung abgeschnitten

Hardt und Trittin fordern Ende der Blockade von Berg-Karabach durch Aserbaidschan

Die Archivaufnahme zeigt russische Militärfahrzeuge in der Region Berg-Karabach. Sie sollen unter anderem auch den Latschin-Korridor sichern.

Die Archivaufnahme zeigt russische Militärfahrzeuge in der Region Berg-Karabach. Sie sollen unter anderem auch den Latschin-Korridor sichern.

Berlin. Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Jürgen Hardt, hat die Regierung Aser­baidschans aufgefordert, für eine Beendigung der Blockade des Latschin-Korridors zwischen Armenien und der Region Berg-Karabach zu sorgen.

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„Obwohl Aserbaidschan behauptet, eine diplomatische Lösung anzustreben, kommt der Konflikt nicht zur Ruhe“, sagte Hardt dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND) und fügte hinzu: „Die Blockierer werden offensichtlich von Baku unterstützt. Die dortige Regierung muss die Blockade umgehend brechen.“

Der außenpolitische Sprecher der Grünen im Bundestag, Jürgen Trittin, forderte gegenüber dem RND: „Die Blockade von Berg-Karabach durch Aserbaidschan muss umgehend beendet werden, sonst droht eine humanitäre Katastrophe.“

„Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew braucht auch aus Europa klare Signale, dass er den Latschin-Korridor freigeben muss“, sagte Trittin. „Aserbaidschans neue Rolle als wichtiger Energielieferant für Europa darf nicht zu Leisetreterei in Brüssel führen.“

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Einzige Zufahrtsstraße blockiert

Seit Beginn dieser Woche wird die einzige Zufahrtsstraße von Armenien in die von Aserbaidschan umgebene Region Berg-Karabach, den Latschin-Korridor, blockiert. Aserbaidschans Regierung will damit offiziell nichts zu tun haben.

In einer Mitteilung des Außenministeriums heißt es, aserbaidschanische Umweltaktivisten würden in der Latschin-Straße gegen „die Plünderung natürlicher Ressourcen“ protestieren, und die Straße „wurde nicht von aserbaidschanischen Demonstranten gesperrt, sondern vom Friedenskontingent der russischen Föderation“.

Maria Zakharova, Sprecherin des russischen Außenministeriums, hatte am Donnerstag von „unbegründeten Anschuldigungen gegen russische Friedenstruppen“ gesprochen. „Das russische Friedenskontingent erfüllt effektiv seine Aufgaben“, heißt es in ihrem Briefing.

Deutlich mehr illegale Migration: die vielen Wege nach Europa

Die Zahl illegaler Grenzübertritte in die EU hat gegenüber dem Vorjahr um 77 Prozent zugenommen. Wie schon 2021 drängen wieder verstärkt Flüchtlinge aus Belarus nach Polen, von denen die meisten weiter nach Deutschland wollen. Die Grünen-Politikerin Karin Göring-Eckardt kritisiert das polnische Grenzregime als „unwürdig“.

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Hardt sagte dazu, Russland komme seiner selbst ernannten Rolle als „Friedensgarant“ nicht nach. Armenien müsse erkennen, dass Russland nicht als Schutzmacht geeignet ist. „Armenien und Aserbaidschan sollten die Europäische Union zu einer Vermittlerrolle anrufen“, schlug Hardt vor.

Dazu gehöre, sich auf einen Fahrplan zum Frieden zu verpflichten. „Auch die Türkei ist gefordert, auf seinen Verbündeten Aserbaidschan einzuwirken und eine dauerhafte Friedenslösung durchzusetzen“, so Hardt.

Trittin: Putins Großmachtfantasien destabilisieren Kaukasusregion

Trittin sagte, die ständigen Provokationen Aserbaidschans seien auch Ausdruck des schwindenden Einflusses Russlands in der Region. Die Großmachtfantasien von Russlands Präsident Wladimir Putin würden auch die Kaukasusregion weiter destabilisieren.

Nach Einschätzung von Stephan Malerius, Leiter der Südkaukasus-Dependance der Konrad-Adenauer-Stiftung, will Aserbaidschan den Druck erhöhen: „Die Blockade des Latschin-Korridors durch Aserbaidschan dient vor allem dazu, den Druck auf Armenien zu erhöhen, bis Ende des Jahres ein Friedensabkommen mit Aserbaidschan zu unterzeichnen“, sagte Malerius dem RND.

Armenien habe in diesem Zusammenhang bereits im Herbst ein sehr wichtiges Zugeständnis gemacht und sich bereit erklärt, die territoriale Integrität Aserbaidschans anzuerkennen und damit auch, dass Berg-Kara­bach zu Aserbaidschan gehört, so der Südkaukasusexperte.

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„Ein Friedensabkommen kann aber nur funktionieren, wenn beiden Seiten bereit sind, Vertrauen aufzubauen. Jede Eskalation, wie etwa die aktuelle Blockade des Latschin-Korridors, unterminiert das Zustandekommen des Abkommens und ist deshalb kontraproduktiv“, sagte Malerius.

Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 streiten die beiden ehemaligen Sowjetrepubliken, das christliche geprägte Armenien und das muslimisch geprägte Aserbaidschan, um die von 120.000 Armeniern und Armenierinnen bewohnte Region Berg-Karabach, die sich zwischenzeitlich selbst zur eigenständigen Republik Arzach ernannte, was jedoch völkerrechtlich nicht anerkannt wurde.

Kämpfe flammten im September wieder auf

Während des 44‑Tage-Krieges im Herbst 2020 eroberte Aserbaidschan rund ein Drittel der Region, 6900 Menschen starben, und erst unter der Vermittlung Russlands kam es zu einem Waffen­stillstand. Russland entsandte 2000 Soldaten, die als Friedenstruppe auch den Latschin-Korridor sichern sollten.

Im September dieses Jahres flammten die Kämpfe kurzzeitig erneut auf und aserbaidschanisches Militär drang bis auf das Territorium von Armenien vor. Russland blieb weitestgehend untätig, und die Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (OVKS), deren Mitglied Armenien neben Russland, Belarus, Kasachstan und anderen ist, weigerte sich, den Bündnisfall auszurufen.

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Infolge der jetzigen Blockade des Latschin-Korridors sind nach Angaben der armenischen Botschaft in Berlin die Einwohner von Berg-Karabach völlig abgeschnitten. „Derzeit ist die Versorgung von Berg-Karabach mit Lebensmitteln, Medikamenten und Energie vollständig unterbrochen“, heißt es in einer Mitteilung. Unter normalen Bedingungen würden täglich etwa 400 Tonnen Getreide, Mehl, Gemüse, Obst und Wirtschaftsgüter von Armenien nach Berg-Karabach transportiert.

„Faktisch Belagerung von 120.000 Menschen“

„Die Blockade stellt faktisch eine Belagerung von 120.000 Menschen dar und muss als Teil der systematischen aserbaidschanischen Politik gesehen werden, die auf die vollständige Vertreibung der Bevölkerung von Berg-Karabach aus ihrer historischen Heimat abzielt“, hatte Armeniens Botschafter Viktor Yengibaryan gegenüber dem RND kritisiert.

Darauf reagierte die Botschaft Aserbaidschans in Berlin mit harschen Worten: „Armenien und sein kriminelles Marionettenregime in Karabach haben die Latschin-Straße seit zwei Jahren dafür genutzt, um Landminen zu liefern und zu legen, Waffen, Soldaten und Sabotagegruppen zu transferieren“, heißt es in der Mitteilung der Botschaft.

In der Erklärung des aserbaidschanischen Außenministeriums ist von der „illegalen Ausbeutung von Bodenschätzen in den Gebieten Aserbaidschans“ die Rede, als Beispiele werden eine Gold- und eine Kupferlagerstätte genannt.

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