„Belagerung von 120.000 Menschen“: Empörung über Blockade von Berg-Karabach
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/DCXKLNJUXNHARK5436OE5NG6EQ.jpeg)
Ein Soldat aus Russland bewacht ein armenisches Kloster, nachdem die Region in aserbaidschanische Kontrolle übergeben wurde. Die Übergabe der Region ist Bestandteil eines Friedensabkommens zwischen Aserbaidschan und Armenien in der Konfliktregion Berg-Karabach.
© Quelle: Emrah Gurel/AP/dpa
Berlin. Mit Empörung hat die Botschaft Armeniens in Berlin auf die seit Wochenbeginn andauernde Blockade der von Armeniern bewohnten Kaukasusregion Berg-Karabach durch Aserbaidschan reagiert. „Die Blockade stellt faktisch eine Belagerung von 120.000 Menschen dar und muss als Teil der systematischen aserbaidschanischen Politik gesehen werden, die auf die vollständige Vertreibung der Bevölkerung von Berg-Karabach aus ihrer historischen Heimat abzielt“, sagte Armeniens Botschafter Viktor Yengibaryan dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
Seit Montag wird die einzige Zufahrt, die Armenien mit Berg-Karabach verbindet, der sogenannte Latschin-Korridor, von Aserbaidschan blockiert. Durch den Korridor führt eine Straße von Armenien bis nach Stepanakert, der Hauptstadt der sogenannten Republik Arzach, einem völkerrechtlich zu Aserbaidschan gehörigen De-facto-Staat, der sich mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991 für selbstständig erklärte und von Armenien gestützt wird.
Aserbaidschan eroberte 2020 ein Drittel der Region Berg-Karabach
Während des 44-Tage-Krieges im Herbst 2020 eroberte Aserbaidschan rund ein Drittel der Region Berg-Karabach, 6900 Menschen starben, und erst unter der Vermittlung Russlands kam es zu einem Waffenstillstand. Russland entsandte 2000 Soldaten, die als Friedenstruppe auch den Latschin-Korridor sichern sollten.
„Aserbaidschan hat sich verpflichtet, den freien Verkehr in dem von den russischen Friedenstruppen kontrollierten Gebiet nicht zu gefährden“, sagte Yengibaryan. „Durch die rechtswidrige Blockade des Latschin-Korridors hat Aserbaidschan eindeutig gegen diese Verpflichtung verstoßen.“ Armenien habe alle seine Partner, einschließlich der Europäischen Union und der Bundesregierung, über die Situation informiert.
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/M5LGZ46CWNBW3HGVAORP3ZH2FQ.jpeg)
Deutlich mehr illegale Migration: die vielen Wege nach Europa
Die Zahl illegaler Grenzübertritte in die EU hat gegenüber dem Vorjahr um 77 Prozent zugenommen. Wie schon 2021 drängen wieder verstärkt Flüchtlinge aus Belarus nach Polen, von denen die meisten weiter nach Deutschland wollen. Die Grünen-Politikerin Karin Göring-Eckardt kritisiert das polnische Grenzregime als „unwürdig“.
Die EU habe zwar bereits Bedenken geäußert, sagte Yengibaryan, aber Armenien erwarte „aktive Schritte“, denn die Blockade habe „unumkehrbare humanitäre Folgen“. Armenien appelliere an die internationale Gemeinschaft, die aserbaidschanischen Behörden „mit allen Mitteln zu zwingen“, unverzüglich den Weg nach Berg-Karabach wieder freizugeben und die „völkermörderische Politik“ gegen die Armenier einzustellen.
Im September dieses Jahres waren die Kämpfe um Berg-Karabach kurzeitig wieder aufgeflammt und aserbaidschanisches Militär drang bis auf das Territorium von Armenien vor. Schon damals warnte Armeniens Botschafter, dass die Situation jederzeit weiter eskalieren könne. Russland blieb weitestgehend untätig, und die Organisation des Vertrages über kollektive Sicherheit (OVKS), deren Mitglied Armenien neben Russland, Belarus, Kasachstan und anderen ist, weigerte sich, den Bündnisfall auszurufen.
120.000 Menschen nach Blockade des Latschin-Korridors abgeschnitten
Infolge der jetzigen Blockade des Latschin-Korridors sind nach Angaben der armenischen Botschaft 120.000 Einwohner und Einwohnerinnen von Berg-Karabach abgeschnitten. „Derzeit ist die Versorgung von Berg-Karabach mit Lebensmitteln, Medikamenten und Energie vollständig unterbrochen“, heißt es in einer Mitteilung. Unter normalen Bedingungen würden täglich etwa 400 Tonnen Getreide, Mehl, Gemüse, Obst und Wirtschaftsgüter von Armenien nach Berg-Karabach transportiert.
Zudem würden rund 1100 Zivilisten, darunter Frauen und 270 Kinder, auf dem Latschin-Korridor selbst festsitzen, ohne Möglichkeit, in ihre Häuser und Wohnungen in Berg-Karabach zurückzukehren. Armenien wirft Aserbaidschan eine bewusste Planung der Blockade vor, „um eine humanitäre Krise in Berg-Karabach zu verursachen“.