Entsetzen nach dem Tod des belarussischen Aktivisten Witali Schischow
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Tausende Menschen versammeln sich im vergangenen Jahr in der belarussischen Hauptstadt Minsk auf dem Platz der Unabhängigkeit zu einem Protest (Symbolfoto). Präsident Alexander Lukaschenko ließ die Proteste bislang teils blutig niederschlagen. Seine Gegner verfolgt er auch im Ausland.
© Quelle: Dmitri Lovetsky/AP/dpa
Berlin. Mit Entsetzen und Empörung haben belarussische Oppositionelle und deutsche Außenpolitiker auf den Tod des regierungskritischen Aktivisten Witali Schischow in der Ukraine reagiert. Sie vermuten dahinter einen durch das Regime des belarussischen Diktators Alexander Lukaschenko organisierten Mord.
„Natürlich wird niemand glauben, dass es sich um einen Selbstmord handelt, dafür gibt es keinen Grund”, hieß es im Stab des belarussischen Oppositionsführers Pawel Latuschka im Exil in Warschau. „Witali war aktiv an der Vorbereitung der Feierlichkeiten zum 9. August in Kiew beteiligt, er steckte bis über beide Ohren in Arbeit”, sagte Latuschkas Sprecher Alexander Piroshnikow dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
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Lambsdorff: „Teil einer brutalen Terrorkampagne”
„Die mutmaßliche Ermordung des Aktivisten Schischow ist Teil einer brutalen Terrorkampagne des Minsker Regimes”, sagte der FDP-Außenpolitiker Alexander Graf Lambsdorff dem RND. „Schicksale wie die des Aktivisten Roman Protassewitsch, der Olympionikin Kristina Timanowskaja und nun Vitali Schischows sollen allen Belarussinnen und Belarussen und der ganzen Welt Angst machen: Wer sich gegen das Regime Lukaschenko stellt, ist nirgendwo sicher.”
Der Osteuropa-Experte der Grünen, Manuel Sarrazin, sagte, dass Lukaschenko für den eigenen Machterhalt über Leichen gehe, sei leider weder überraschend noch neu. „Politische Morde gehören zum brutalen Vorgehen des belarusischen Regimes. Der Tod von Vitali Schischow ist ein schwerer Verlust für uns alle. Die Umstände seines Todes müssen jetzt lückenlos aufgeklärt werden”, sagte Sarrazin dem RND.
Nils Schmid, Außenpolitiker der SPD, sagte, „die Nachrichten, die uns im Zusammenhang mit Belarus erreichen, klingen immer erschreckender. Sollte sich herausstellen, dass der belarussische Staat etwas mit dem Tod von Schischow zu tun hat, wäre dies ein weiterer trauriger Beleg für den verbrecherischen Charakter des Lukaschenko-Regimes.” Die belarussischen Oppositionellen im Ausland müssten noch besser geschützt werden.
Der 26-jährige Witali Schischow, der als Leiter der Organisation „Belarussisches Haus in der Ukraine” in Kiew gearbeitet hat, war am Dienstag erhängt in einem Park nahe seinem Wohnsitz aufgefunden worden. Die ukrainische Polizei hat Ermittlungen wegen Mordes aufgenommen.
Die Organisation „Belarussisches Haus” hilft Belarussen, die vor Verfolgung in ihrer Heimat fliehen. Sie hatte Schischow am Montag als vermisst gemeldet, als er von einer Joggingrunde nicht zurückkehrte. Einer seiner Mitstreiter, Juri Schtutschko, sagte, Schischow habe sich schon länger beobachtet gefühlt.
„Es gibt keinen Zweifel, dass dies eine geplante Operation von Geheimagenten war, um einen Belarussen zu liquidieren, der für das Regime gefährlich war”, teilte das „Belarussisches Haus in der Ukraine” mit. Es habe bereits zuvor Hinweise gegeben, dass Schischow verschleppt oder getötet werden könnte. Nach ersten Ermittlungen waren in Schischows Gesicht Spuren von Schlägen zu sehen. Das Nasenbein ist gebrochen, hieß es im ukrainischen TV.
Belarussische Aktivisten im Ausland sorgen sich um ihre Sicherheit
Belarussische Aktivisten im Ausland sorgen sich seit Mai zunehmend um ihre Sicherheit. Damals zwangen die belarussischen Behörden eine Passagiermaschine von Ryanair auf dem Weg von Griechenland nach Litauen zur Landung in Minsk. An Bord war der regierungskritische Blogger Roman Protassewitsch. Er wurde verhaftet und sitzt heute in Minsk im Hausarrest.
Olympia: Eklat um Sprinterin aus Belarus
Eine Olympia-Teilnehmerin aus Belarus will sich nach Kritik an ihrem Team nicht aus Tokio in ihre Heimat zurückschicken lassen.
© Quelle: Reuters
Bei den Olympischen Spielen in Tokio suchte die belarussische Sprinterin Kristina Timanowskaja (24) Zuflucht in der polnischen Botschaft und erhielt dort ein humanitäres Visum. Sie fürchtete gegen ihren Willen zurück nach Belarus gebracht zu werden, nachdem sie öffentlich Kritik an Sportfunktionären ihres Landes geübt hatte. Man habe ihr klargemacht, dass sie bei ihrer Rückkehr auf jeden Fall bestraft werden würde, sagte sie. „Jetzt ist erstmal das Einzige, was mich beschäftigt, meine Sicherheit.”
Über das Privatleben von Schischow ist wenig bekannt, er war in den sozialen Netzwerken nicht sehr aktiv. Nach Einschätzung des aus Minsk stammenden Osteuropa-Experten Alexander Fridmann besetze er jedoch im Hintergrund eine Schlüsselposition in der belarussischen Emigrantengruppe. Neben Warschau und Vilnius in Litauen, ist Kiew der dritte große Zufluchtsort für belarussische Oppositionelle.
Schischow stammte aus der Stadt Rechitsa in der Nähe von Gomel und war im Herbst 2020 mit seiner Freundin Bozena Zholudzeva nach Kiew geflohen, nachdem Lukaschenko nach der Präsidentschaftswahl vom 9. August Massenproteste brutal niederschlagen ließ.