Belarus-Konflikt: Europapolitiker fordern schärfere Sanktionen gegen Lukaschenko
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Migrantinnen und Migranten aus dem Nahen Osten und anderen Ländern versammeln sich an der belarussisch-polnischen Grenze.
© Quelle: Leonid Shcheglov/BelTA/AP/dpa
Brüssel. Führende Europapolitiker haben wegen der humanitären Krise an der polnisch-belarussischen Grenze schärfere Sanktionen gegen das Regime von Machthaber Alexander Lukaschenko gefordert. Die Außenminister der EU-Staaten wollen an diesem Montag den ersten Schritt in diese Richtung machen. Es wurde erwartet, dass sie ein neues Sanktionsinstrument beschließen, um Fluggesellschaften und Menschenschmuggler bestrafen zu können.
Die EU wirft Lukaschenko vor, in organisierter Form Flüchtlinge aus Krisenregionen an die EU-Außengrenze zu bringen. Bei Temperaturen um den Gefrierpunkt harren Tausende Migrantinnen und Migranten seit mehreren Tagen auf der belarussischen Seite der Grenze in provisorischen Camps im Wald aus.
Barley: „Lukaschenko erpresst die EU“
„Lukaschenko darf mit seiner Erpressung nicht durchkommen“, sagte die Vizepräsidentin des Europaparlaments, Katarina Barley, dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND): „Deshalb müssen die neuen EU-Sanktionen gegen Personen, die das perfide Spiel des Minsker Diktators ermöglichen, endlich beschlossen und zügig durch konkrete Listungen umgesetzt werden“, sagte die SPD-Politikerin.
Neben der Sanktionierung von Einzelpersonen müsse die EU auch Airlines und Reiseanbieter einbeziehen, „die Lukaschenkos Schleuserei möglich machen und damit noch Geld verdienen“, so die frühere Bundesjustizministerin weiter. „Über den drohenden Entzug von Landerechten und Lizenzen hat die EU hier einen Hebel“, sagte Barley.
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Situation von Migrantinnen und Migranten an der polnisch-belarussischen Grenze verschlechtert sich rasant. Ärzte ohne Grenzen fordert Zugang zu den Menschen vor Ort.
© Quelle: Reuters
Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der christdemokratischen Fraktion im Europaparlament, Manfred Weber (CSU). „Die EU-Außenminister müssen zusätzliche Sanktionen gegen den belarussischen Diktator Lukaschenko und sein Umfeld sowie gegen wichtige Wirtschaftszweige auf den Weg bringen. Die Reaktion der EU auf das menschenverachtende Handeln von Lukaschenko muss schnell kommen und deutlich sein“, sagte Weber dem RND.
Rolle der sozialen Medien
Dass bereits einige Fluggesellschaften ihre Flüge nach Minsk gestoppt hätten, zeige, welche „Durchsetzungsfähigkeit die EU haben kann“, sagte Weber: „Wenn Fluggesellschaften Teil von illegalen Aktivitäten von Schlepperbanden werden, dann können sie keine Landerechte auf Flughäfen in der EU haben. Diese Entschiedenheit wirkt.“
Weber verwies auch auf die Rolle der sozialen Medien. „Es würde lohnen, wenn die Außenminister ein Signal an Facebook und andere soziale Medien geben“, sagte der stellvertretende CSU-Vorsitzende: „Es ist ein mehr als unfreundlicher Akt, wenn die gezielte Menschenschleusung über soziale Netzwerke organisiert und dies von den Konzernen nicht unterbunden wird.“
Auch müssten die EU-Außenminister „ein klares Signal an den türkischen Präsidenten Erdogan“ senden, sagte Weber: „Wenn er versucht, die Situation auszunützen, um seinerseits mit Migranten Druck auf die EU zu machen, wird dies Konsequenzen haben.“
„Staatliches Schleusertum“
Die europapolitische Sprecherin der Grünen-Bundestagsfraktion, Franziska Brantner, sprach von „staatlichem Schleusertum“, gegen das die EU gemeinsam vorgehen müsse. „Airlines und Reisebüros, die das Schleusen unterstützen, müssen klare Konsequenzen erfahren und die Sanktionen gegenüber belarussischen Einzelpersonen und Wirtschaftszweigen müssen erweitert werden“, sagte Brantner dem RND.
Die EU hat bislang vier Sanktionspakete gegen Lukaschenko geschnürt, ein fünftes ist in Vorbereitung. Auf den schwarzen Listen stehen derzeit 166 Namen, darunter sind Lukaschenko und sein Sohn. Dazu kommen 15 Unternehmen und Organisationen, die das autokratische System in Minsk unterstützen. Ihre Auslandsvermögen sind eingefroren.
Außerdem gelten strikte Wirtschaftssanktionen. Der Import von Kalidünger und Erdölprodukten aus Belarus in die EU ist eingeschränkt, der Zugang zum europäischen Kapitalmarkt für belarussische Anleger ebenfalls. Europäische Firmen dürfen keine militärische Ausrüstung oder Sicherheitstechnik nach Belarus liefern.
Appell an Polen, Hilfe anzunehmen
Die Grünen-Politikerin Brantner forderte Polen auf, die Hilfsangebote der EU-Grenzschutztruppe Frontex und der EU-Asylbehörde EASO anzunehmen. Auch müssten Hilfsorganisationen und Medien Zutritt zur Grenzregion bekommen, um den Menschen zu helfen beziehungsweise über ihre Lage zu berichten. „Die Menschen erfrieren und verhungern zu lassen darf nicht europäische Politik sein“, sagte Brantner.
Auch die SPD-Politikerin Barley verlangte, dass die humanitäre Hilfe schnell anlaufen müsse: „Europa wird durch Werte verteidigt, nicht durch Stacheldraht.“ Indirekt kritisierte Barley damit die harte Haltung der polnischen Behörden gegenüber den Migrantinnen und Migranten an der Grenze.