Wegen Protesten in Belarus: EU-Ratschef beruft Sondergipfel ein
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Zahlreiche Demonstranten haben sich auf dem Unabhängigkeitsplatz in Minsk versammelt, um gegen den belarussischen Machthaber Alexander Lukaschenko zu protestieren.
© Quelle: Ulf Mauder/dpa
Brüssel. Angesichts der Massenproteste nach der Präsidentenwahl in Belarus hat EU-Ratschef Charles Michel für Mittwoch einen EU-Videogipfel angesetzt.
Die Menschen in Belarus hätten das Recht, über ihre Zukunft zu entscheiden und ihre Führung frei zu wählen, schrieb Michel am Montag auf Twitter. Gewalt gegen die Demonstranten sei inakzeptabel, so Michel weiter.
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Die Europa-Grünen fordern, dass die EU eine aktive Rolle in Belarus spielt. Die Staats- und Regierungschefs der EU sollten bei ihrer Dringlichkeitssitzung einen hohen Diplomaten benennen, der in Minsk helfen solle, einen Runden Tisch zu organisieren. “Das wäre ein Zeichen dafür, dass die EU bereit ist, Verantwortung zu übernehmen”, sagte der Grünen-Europaabgeordnete Sergey Lagodinsky dem RedaktionsNetzwerk Deutschland.
Damit könne die EU auch zeigen, dass sie aus den Vorgängen in der Ukraine im Jahr 2014 gelernt habe, sagte Lagodinsky weiter. Damals wurde die EU von der Annexion der Krim durch Russland überrascht. Die Entsendung eines Vermittlers nach Belarus wäre jetzt “ein Zeichen, dass die EU das Feld nicht allein den Kräften in Moskau überlassen will”, sagte Lagodinsky.
Lagodinsky rechnet nicht mit militärischer Einmischung Russlands
Ziel müsse es sein, in Belarus “echte demokratische Strukturen” zu schaffen. Es gehe derzeit nicht darum, “ob Belarus pro-westlich oder pro-russisch sein soll”, so der Europaabgeordnete: “Es bringt nichts, Lukaschenko zu vertreiben, um einen Lukaschenko 2.0 zu bekommen”, der ähnlich wie sein Vorgänger handle – “nur ein bisschen ziviler”.
Tichanowskaja: "Bereit die politische Führung im Land zu übernehmen"
In einer Videobotschaft verkündete Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja ihre Bereitschaft, in Belarus die politische Führung zu übernehmen.
© Quelle: Reuters
Mit einer militärischen Einmischung Russlands in Belarus nach dem Vorbild der Ukraine rechnet Lagodinsky vorerst nicht. Der russische Präsident Wladimir Putin habe andere Hebel. “Die belarussische Gesellschaft ist sehr Russland-affin. Viele der Betriebe, in denen die Belegschaft jetzt streikt, sind entweder auf den russischen Markt angewiesen oder im Besitz russischer Eigentümer”, sagte Lagodinsky.
Seit der Präsidentenwahl vor gut einer Woche gibt es in dem Land zwischen Russland und dem EU-Mitglied Polen große Proteste gegen Präsident Alexander Lukaschenko, der sich zum sechsten Mal in Folge zum Wahlsieger hatte ausrufen lassen. Viele Bürger sowie ausländische Beobachter zweifeln das Ergebnis an und halten Swetlana Tichanowskaja für die eigentliche Gewinnerin.
Allein in der Hauptstadt Minsk gingen am Sonntag Hunderttausende auf die Straße. Vor allem zu Beginn der Proteste reagierte die Polizei mit Gewalt gegen weitgehend friedliche Demonstranten, Tausende wurden festgenommen.
Bundesregierung fordert Ende der Gewalt
Die Europäische Union brachte wegen der Polizeigewalt bereits am Freitag neue Sanktionen gegen Unterstützer des Staatschefs Lukaschenko auf den Weg. Zudem sollen Strafmaßnahmen gegen Personen verhängt werden, denen eine Fälschung der Präsidentenwahl am vergangenen Sonntag vorgeworfen wird, wie die Außenminister der 27 Staaten einstimmig entschieden.
“Die EU akzeptiert die Wahlergebnisse nicht”, teilte der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell nach den Ministerberatungen mit. Man arbeite nun daran, diejenigen zu sanktionieren, die für Gewalt und Fälschungen verantwortlich seien.
Die Bundesregierung verlangte am Montag von der belarussischen Staatsführung ein Ende der Gewalt. Die Sicherheitskräfte müssten die Gewalt gegen friedliche Demonstrierende einstellen, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert in Berlin. Gefangene müssten “unverzüglich und bedingungslos” freigelassen werden. Zudem brauche es einen “nationalen Dialog” der Regierung mit der Opposition und Gesellschaft.
CDU unterstützt die Forderung nach freien und fairen Wahlen
Die CDU steht nach den Worten von Generalsekretär Paul Ziemiak an der Seite der Demonstranten. “Alle, die jetzt mutig auf die Straße gehen, um aufzustehen, ihre Stimme zu erheben, um für Meinungsfreiheit und faire Wahlen zu kämpfen, die können auf unsere Unterstützung und Solidarität setzen”, sagte Ziemiak am Montag nach Beratungen der Parteigremien.
Die CDU unterstütze die Forderung nach freien und fairen Wahlen. “Nach allem, was wir heute wissen, sind diese Wahlen bisher nicht frei und fair abgelaufen”, das Ergebnis sei gefälscht worden.
Jedes Volk habe das Recht, selbst zu bestimmen, wie die Zukunft des eigenen Landes aussehe, sagte Ziemiak. Dieses Recht gebe es in Belarus nicht. “Und dafür setzen sich die Menschen ein, und deswegen haben sie unsere Solidarität und wissen die CDU an ihrer Seite.”
Lukaschenko gegen Neuwahlen
Zuvor hatte Staatschef Alexander Lukaschenko Neuwahlen abgelehnt. Es werde keine geben, sagte der Präsident am Montag bei einem Besuch des staatlichen Fahrzeugherstellers MZKT in Minsk der Staatsagentur Belta zufolge. “Sie werden nicht erwarten, dass ich etwas unter Druck mache.”
Zugleich signalisierte er Reformbereitschaft. Derzeit werde an der Option einer Verfassungsänderung gearbeitet, die eine Umverteilung der Macht vorsehe, wird Lukaschenko von der Staatsagentur zitiert, ohne Details zu nennen. Er sei bereit, Befugnisse zu teilen, “aber nicht unter Druck und nicht über die Straße”.
RND/fra/dpa