Bayerns Innenminister Herrmann: „AfD auf dem Weg zu einer weiteren Radikalisierung“
:format(webp)/cloudfront-eu-central-1.images.arcpublishing.com/madsack/J5HH4XZT55BKXP5BX5DVK7HYFI.jpg)
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU).
© Quelle: imago images/ZUMA Wire
Berlin. Herr Herrmann, das Bundesamt für Verfassungsschutz entscheidet demnächst darüber, wie es künftig mit der AfD umgeht. Was würden Sie denn für angebracht halten?
Der unverblümte Antisemitismus des zum thüringischen Landesvorsitzenden wiedergewählten Björn Höcke, die rassistische Gesinnung vieler AfD-Anhänger, die mit einigen Abgeordneten einen verlängerten Arm ins Parlament haben, die Solidarisierung mit Extremisten auf der Straße, die unseren Staat und seine Organe verächtlich machen und auch vor Straftaten nicht zurückschrecken, die Tabubrüche im Bundestag – ich bin überzeugt, dass die AfD auf dem Weg zu einer weiteren Radikalisierung ist. Verfassungsschützer stellen außerdem fest, dass sich durch die Auflösung des Flügels faktisch nichts verändert habe. Diese Entwicklungen werden in die anstehende Entscheidung einzufließen haben.
Es wird damit gerechnet, dass der Verfassungsschutz die AfD vom Prüffall zum Verdachtsfall hochstuft. Das würde auch den Einsatz von V-Leuten erlauben. Hielten Sie das für richtig?
Ich kann der Bewertung des Verfassungsschutzes nicht vorgreifen. Aber angesichts der eben beschriebenen Entwicklung halte ich es für geboten, dass der Verfassungsschutz die AfD genau im Auge behält und besonders die Schnittstellen zur rechtsextremistischen Szene beobachtet.
Käme auch ein Verbot in Betracht?
Diese Frage stellt sich meines Erachtens derzeit nicht.
Manche werten die jüngste Störaktion von „Gästen“ der AfD-Bundestagsfraktion als Zeichen für eine weitere Radikalisierung der Partei. Sie auch?
Eindeutig ja. Es ist das übliche Schema: Erst mit dem Einlass dieser Störer in den Bundestag ein Tabu brechen und danach abwiegeln, beschönigen, verharmlosen, relativieren. Auch die Wiederwahl des Rassisten und unverhohlen antisemitisch auftretenden Björn Höcke ist ein Beleg dafür. Man muss mit historischen Vergleichen vorsichtig sein, aber da kommen schon ganz unangenehme Erinnerungen hoch.
Eine andere Frage ist die nach dem Umgang mit den Querdenkern, die gegen die Corona-Beschränkungen mobil machen. Ist das noch legitimer Protest? Oder ist das gefährlich radikal?
Friedlicher Protest, bei dem sich die Menschen an die Regeln des Rechtsstaates und die entsprechenden Auflagen der Versammlungsbehörden halten, ist immer legitim. Man sieht aber in der aktuellen Protestbewegung deutlich, dass viele sich in zunehmenden Maße entweder nicht an diese Regeln halten oder den Staat und seine Verfassungsorgane sogar frontal angreifen. Dem kann und darf der Staat nicht tatenlos zusehen. Wer in der Querdenken-Bewegung seinem Anliegen Gehör verschaffen will, sollte sich schon aus eigenem Interesse von Rechtsextremisten und anderen radikalen Gruppierungen, die da unterwegs sind, klar distanzieren.
Infektionsschutzgesetz verabschiedet – Proteste in Berlin
Die Polizei löste während der Abstimmung im Bundestag eine Demonstration mit Tausenden Gegnern der Corona-Auflagen in Berlin auf.
© Quelle: Reuters
Was folgt daraus? Muss der Verfassungsschutz Querdenken ins Visier nehmen?
Die Querdenken-Bewegung ist eine äußerst heterogene Gruppierung, die wir genau im Blick haben. Momentan ist aber der förmliche gesetzliche Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes nicht eröffnet. Wichtig ist hierbei zu sagen: Die Entscheidung zur Beobachtung ist keine politische, sondern eine gesetzliche, die die Landesämter für Verfassungsschutz oder das Bundesamt vornehmen. Daher ist vollkommen klar: Sollten in Zukunft tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen bei der Querdenken-Bewegung oder anderen Gruppierungen vorliegen, wird der Verfassungsschutz die Beobachtung natürlich aufnehmen, und zwar unverzüglich. Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz achtet übrigens bereits jetzt ganz genau darauf, ob Extremisten ihre Teilnahme an den Veranstaltungen der Querdenken-Bewegung ankündigen und versuchen, diese zu beeinflussen.