Autokorso von Putin-Fans in Berlin: Warum Deutschland sie nicht verbieten kann
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Flaggen mit den russischen Nationalfarben, dem russischen Staatswappen sowie eine deutsche Fahne sind an mehren Autos am Ende eines Autokorsos auf dem Olympiaplatz vor dem Olympiastadion befestigt. Etwa 900 Menschen haben am Sonntag in Berlin an einem Autokorso mit russischen Fahnen teilgenommen.
© Quelle: Carsten Koall/dpa
Berlin. Etwa 900 Menschen haben am Sonntag in Berlin an einem Autokorso mit russischen Fahnen teilgenommen. Der Umzug mit mehreren Hundert Fahrzeugen wurde als Veranstaltung unter dem Titel „Keine Propaganda in der Schule – Schutz für russisch sprechende Leute, keine Diskriminierung“ angemeldet, wie die Berliner Polizei mitteilte.
Der Autokorso sorgte für viel Wut und Ärger. Der ukrainische Botschafter Andrij Melnyk kritisierte den Protest der Putin-Fans scharf. „Um Himmels willen, wie konnten SIE diesen Auto-Corso der Schande mitten in Berlin zulassen?“, schrieb Melnyk am Montag bei Twitter an Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) und die Polizei.
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Ja, warum lässt sich das nicht verbieten? Und dann auch noch an dem Tag, an dem die russischen Massaker an ukrainischen Zivilisten in Butscha ans Licht gekommen sind? Das fragen sich auch viele andere.
Die Polizei Berlin hat eine Antwort: „So schwer es gesellschaftlich zu ertragen ist, vor allem vor dem Hintergrund der Ereignisse in Butscha, ist eine solche Versammlung dennoch Bestandteil unserer Demokratie – und grundgesetzlich geschützt. Unter demokratischen, rechtsstaatlichen Gesichtspunkten gab es keine Möglichkeit, die Versammlung zu verbieten“, teilt sie auf Nachfrage des RedaktionsNetzwerks Deutschland (RND) mit. Die Polizei verwies darauf, dass Versammlungen unter freiem Himmel in Berlin nicht genehmigt, sondern die Veranstalter sie nur anmelden müssen. Die Demonstration könne nur behördlich beschränkt oder verboten werden, wenn bei der Durchführung der Versammlung die Sorge einer unmittelbaren Gefahr für die öffentliche Sicherheit bestehe, heißt es von der Polizei.
„Gegen eine Demonstration wie den Berliner Autokorso können Behörden nichts tun.“
Jörg Ennuschat,
Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bochum
Der Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bochum, Jörg Ennuschat, bestätigt diese Einschätzung. Er sagte im Gespräch mit dem RND: „Gegen eine Demonstration wie den Berliner Autokorso können Behörden nichts tun.“ Dabei beruft er sich auch auf das Motto, unter dem der Autokorso angemeldet war. „Das ist ein nachvollziehbarer Grund“, meinte er. Eine Demonstration könne nur untersagt werden, wenn gegen Rechtsnormen verstoßen werde.
Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey will Unterstützungsbekundungen für den Angriffskrieg gegen die Ukraine bei pro-russischen Demonstrationen unterbinden. „Das wird strafrechtlich verfolgt“, sagte die SPD-Politikerin am Dienstag im ZDF-„Morgenmagazin“. Gleichzeitig räumte sie ein: „Aber diese Demonstration an sich, das Zeigen der russischen Fahne, ist nicht verboten und wir können es deshalb nicht verbieten.“
„Wir können nicht eine angemeldete Demonstration unter dem Motto gegen die Diskriminierung russisch sprechenden Menschen einfach verbieten“, sagte Giffey. „Das fällt unter die Versammlungsfreiheit. Wir verfolgen das, was strafrechtlich relevant ist.“
Polizei stellte Z-Symbol auf einem Auto fest
Wie die Polizei Berlin dem RND mitteilte, hatten Beamte auf der Treskowallee, auf der sich der Autokorso zu diesem Zeitpunkt befand, an einem nicht zum Protestzug gehörenden Fahrzeug ein weißes Z-Symbol festgestellt. Die Einsatzkräfte hatten gegen die Fahrerin ein Strafermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Belohnung und Billigung von Straftaten eingeleitet. Das reichte aber offenbar nicht für ein Verbot des gesamten Korsos aus.
Jurist Ennuschat erklärte: „Wenn das Z-Symbol auf der Demonstration getragen wird, muss man unterscheiden, ob dies die ganze Veranstaltung geprägt hat oder nur einzelne Teilnehmer das Symbol getragen haben.“
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Demonstrationsfreiheit „ein typisches Grundrecht für Minderheiten“
Der Jurist nennt die Demonstrationsfreiheit in Deutschland „ein typisches Grundrecht für Minderheiten“ und betont: „Das bedeutet, unsere freiheitliche Gesellschaft muss auch einen prorussischen Autokorso aushalten.“ Ein anderer Fall wäre es laut Ennuschat etwa, würde der Autokorso vor einer Unterkunft mit ukrainischen Geflüchteten abgehalten.
Doch warum ist es in dem Fall anders? „Es gibt einen Straftatbestand, wonach die Unterstützung eines Angriffskrieges unter Strafe steht. Das schließt auch die verbale Unterstützung und die Versammlung mit ein“, sagt er. Es stehe unter Strafe, dass man einen Angriffskrieg „öffentlich in einer Versammlung billigt“, also gutheißt – allerdings nur, wenn dies in einer Weise geschehe, die geeignet sei, den öffentlichen Frieden zu stören. „Eine solche Demonstration vor einer Unterkunft mit ukrainischen Flüchtlingen wäre strafrechtlich verboten“, ist er sich sicher.
„Unsere freiheitliche Gesellschaft kann und muss aushalten, wenn jemand eine andere Meinung vertritt.“
Jörg Ennuschat,
Professor für Öffentliches Recht an der Universität Bochum
Der Jurist nennt weitere Voraussetzungen, unter denen solch ein Autokorso verboten werden könnte: „Wenn die Demonstranten sagen würden, die Ukraine müsse erobert und von Russland annektiert werden, dann wäre dies aus meiner Sicht strafbar. Ich halte es ebenfalls für strafrechtlich relevant, wenn die Demonstranten sagen, sie solidarisieren sich mit den Helden von Butscha oder die Ukrainer wären minderwertig oder hätten kein Recht zu leben.“ Denn das würde dann unter den Tatbestand der Volksverhetzung fallen.
Kritik aus der Politik an Autokorso
Trotz der juristischen Lage, die ein Verbot eines solchen Autokorsos schwer macht, kommt viel Kritik aus der Politik. Der verfassungsschutzpolitische Sprecher der Berliner CDU-Fraktion, Stephan Standfuß, forderte etwa, Berlin dürfe keine Bühne für Putins Kriegspropaganda sein. „Wir wollen wissen, welche Verbindungen des Einzelanmelders bestehen, inwieweit dies aus Moskau gesteuert worden ist. Für uns ist das ein klarer Auftrag an den Verfassungsschutz“, sagte er am Montag. „Weitere Aufzüge dieser Art müssen mit mehr Sensibilität durch den Senat begleitet werden.“
Auch der innenpolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Balzer, kritisierte den Senat deutlich: „Die Bilder vom prorussischen Autokorso am Sonntag sind eine Schande für Berlin als Stadt der Freiheit.“ Und weiter: „Warum war es SPD-Innensenatorin Spranger nicht möglich, durch angemessene Auflagen zu verhindern, dass diese Demo durch weite Teile der Stadt und insbesondere am Hauptbahnhof vorbeiführen konnte, dem Ankunftsort Tausender Flüchtlinge aus der Ukraine?“
Der Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Fraktion, Stephan Thomae, fordert eine Prüfung strafrechtlich relevanter Tatbestände. Bei dem Autokorso am Sonntag in Berlin dränge sich ein direkter Zusammenhang zum russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine auf, sagte Thomae der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Dienstag). „Dessen öffentliche Billigung wäre eine Straftat. Daher sollte in jedem Fall die Möglichkeit einer Strafverfolgung geprüft werden.“
Thomae betonte weiter, in Deutschland habe jeder das Recht, seine Meinung frei zu äußern. „Dass pro-russische Autokorsos durch Berlin fahren, während uns grauenvolle Bilder der Kriegsverbrechen aus der Ukraine erreichen, ist jedoch makaber und geschmacklos“, unterstrich der FDP-Politiker.
Thüringens Innenminister Georg Maier (SPD) sprach sich dafür aus, vergleichbare Demonstrationen künftig mit Auflagen zu belegen. „So ein Autokorso ist unerträglich und sollte so nicht mehr stattfinden“, sagte Maier dem RND. Mit Verboten aber wäre er vorsichtig, denn auch ein Autokorso gelte als Versammlung. „Aber man kann dem durch Auflagen Einhalt gebieten - etwa indem nicht gehupt werden darf oder man die Teilnehmerzahl beschränkt.“ 400 hupende Autos in der Innenstadt müsse keine Versammlungsbehörde dulden.
mit dpa