SPD-Chefin Esken kritisiert Debatte über verbliebene Atomkraftwerke
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Saskia Esken, SPD-Bundesvorsitzende, spricht im Willy-Brandt-Haus nach den ersten Prognosen für die Landtagswahl in Schleswig-Holstein. (Archivbild)
© Quelle: Christophe Gateau/dpa
Berlin. In der Debatte über eine Laufzeitverlängerung der verbliebenen Atomkraftwerke hat SPD-Chefin Saskia Esken eine sachliche Herangehensweise betont. „Wir sind an der Stelle nicht ideologisch unterwegs“, sagte Esken am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. „Aber ganz klar ist auch: Alle Argumente, die bisher gegen die Atomkraft gesprochen haben und die dazu geführt haben, dass wir den Ausstieg beschlossen haben (...), die gelten ja weiterhin.“ Es sei immer noch keine Lösung gefunden für die Endlagerung des Atommülls, „und viele andere Fragen sind auch nicht geklärt.“
Esken verwies auf den angekündigten neuen Stresstest zur Sicherheit der Stromversorgung: „Das Wirtschaftsministerium als Teil der Bundesregierung hat ja schon zu Beginn des Jahres eine Abschätzung dazu vorgenommen und wird jetzt nochmals prüfen, inwieweit Streckbetriebe und ähnliches, was da vorgeschlagen wird, hilfreich sein können.“ Ein Streckbetrieb würde bedeuten, dass die Leistung der Atomkraftwerke gedrosselt wird, damit sie mit den vorhandenen Brennstäben auch über das derzeit geplante Abschaltdatum hinaus weiterlaufen können.
Seit die Bundesregierung den neuen Test der Stromversorgung angekündigt hat, scheint nicht mehr komplett ausgeschlossen, dass die Kernkraftwerke doch noch länger am Netz bleiben könnten.
EU-Parlament stuft Atomkraft und Erdgas als „klimafreundlich“ ein
Nach einer hitzigen Debatte im EU-Parlament gibt es nun eine Entscheidung: Atomkraft und Erdgas werden künftig EU-weit als klimafreundlich eingestuft.
© Quelle: dpa
Atomenergie als Ausgleich fehlender Gaslieferungen
Die drei verbliebenen Meiler Neckarwestheim 2, Emsland und Isar 2 müssen nach geltendem Recht spätestens am 31. Dezember abgeschaltet werden. An der Nettostromerzeugung in Deutschland haben sie im laufenden Jahr einen Anteil von rund sechs Prozent. Mit Erdgas wurden bisher etwa zehn Prozent des Stroms erzeugt. Zuletzt wurden deshalb Rufe nach einer längeren Nutzung in Deutschland produzierter Atomenergie für die Stromerzeugung lauter, als Ausgleich für fehlende Gaslieferungen aus Russland.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) betont indes immer wieder, dass der Hauptmangel nicht beim Strom drohe, sondern bei Gas und Wärme für die Industrie - und dass Atomkraftwerke dafür keine Abhilfe schafften. Der Stresstest soll klären, ob die Stromversorgung in Deutschland auch unter verschärften Bedingungen gesichert ist.
Esken stellt Rückkehr zur Schuldenbremse infrage
Esken stellte im „Morgenmagazin“ außerdem die Einhaltung der Schuldenbremse zur Finanzierung höherer Sozialleistungen für das nächste Jahr infrage. Schon seit 2020 sei die Schuldenbremse ausgesetzt, doch die durch die Corona-Pandemie verursachte Krisenlage sei noch nicht überwunden. Hinzu kämen die Folgen des Ukraine-Krieges.
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Die Rückkehr zu Schuldenbremse hatten SPD, Grüne und FDP im vergangenen Jahr im Koalitionsvertrag festgeschrieben. Deutschland hattet die Schuldenbremse 2009 eingeführt, die eine enge Begrenzung der Neuverschuldung vorsieht. Seit 2020 ist diese fiskalische Regel wegen der Folgen der Corona-Pandemie ausgesetzt. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat mehrfach betont, dass er im nächsten Jahr die Schuldenbremse wieder einhalten will.
Menschen ohne Rücklagen helfen
Esken sagte, in der aktuellen Lage sei es Aufgabe des Staates, jenen Menschen zu helfen, die keine Rücklagen haben. Sie verwies auf bereits beschlossene kurzfristige Entlastungen sowie auf die geplante Einführung des Bürgergeldes anstelle von Hartz IV und die Ausweitung des Wohngeldes
Die SPD-Parteichefin hält auch eine Erhöhung der staatlichen Einnahmen für möglich und nannte in diesem Zusammenhang eine sogenannte Übergewinn-Steuer sowie eine höhere Besteuerung von Vermögen. Zudem sieht sie die Unternehmen in der Pflicht, die als Reaktion auf die Erhöhung des Mindestlohns auf zwölf Euro pro Stunde zum 1. Oktober auch zu Tariferhöhungen bereit sein müssten.
RND/dpa/epd