„Der Tag“

Atomkraft? Lass laufen!

Punktesammeln vor krisenhafter Kulisse: CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder am Donnerstag bei ihrem Besuch des Atomkraftwerks Isar 2 in Bayern.

Punktesammeln vor krisenhafter Kulisse: CDU-Chef Friedrich Merz und CSU-Chef Markus Söder am Donnerstag bei ihrem Besuch des Atomkraftwerks Isar 2 in Bayern.

Guten Morgen, liebe Leserinnen und Leser,

im „Morgenmagazin“ wird heute der neue ARD-Deutschlandtrend mit interessanten Umfragezahlen vorgestellt. Laut Infratest Dimap wollen nur noch 15 Prozent der Bundesbürgerinnen und Bundesbürger an dem für Ende Dezember geplanten Atomausstieg festhalten.

41 Prozent sind bereit, die letzten drei Reaktoren für eine begrenzte Zeit weiterlaufen zu lassen. Weitere 41 Prozent sind sogar offen für eine langfristige weitere Nutzung der Kernenergie.

Die Zahlen markieren die nächste Zeitenwende. Dass beim Thema Atomkraft in diesem Sommer einiges ins Rutschen gekommen ist in Deutschland, auch soziokulturell, konnte man bereits ahnen, als die früher viel strengere linksalternative Tageszeitung „taz“ auf der Titelseite mit einem Aufkleber neuen Typs provozierte, der die Mitte hält zwischen „Atomkraft? Nein danke!“ und „Atomkraft? Ja bitte!“. Der in bekannter rot-gelber Optik neu montierte Text lautet: „Atomkraft? Lass laufen.“

Die Bundesbürger denken ganz praktisch

In der Debatte um die Atomkraft, zeigt sich nun, sind die meisten Deutschen viel lockerer im Knie als die allzu oft allzu verspannt auftretenden politischen Vorturner und Vorturnerinnen in Berlin. Die Union starrt auf mögliche parteipolitische Geländegewinne, die Grünen sorgen sich um Gesichtsverluste und drohenden Unmut in der eigenen Partei.

Die Bundesbürger und ‑bürgerinnen indessen denken ganz praktisch. Viele haben sich erstmals im Leben mitten im Sommer einen Heizlüfter gekauft. Und nun glauben sie schon aus eigener Anschauung nicht mehr an die fröhlichen Talkshowbekundungen von Grünen und der Partei nahestehenden Fachleuten, Deutschland habe „ein Wärmeproblem, aber kein Stromproblem“. Die Wahrheit ist: Wenn es in Deutschland an Wärme fehlt in diesem Winter, könnte der Strombedarf plötzlich steigen wie noch nie.

Vize-Kanzler Robert Habeck soll Post aus dem Vogtland bekommen. In Reichenbach wird ein Strategiewechsel wegen der Energienotlage gefordert.

Am 21. August, hört man in Berlin, will Bundes­wirtschafts­minister Robert Habeck die Ergebnisse eines Stresstests vorstellen, mit dem der zu erwartende Strombedarf im Winter 2022/2023 derzeit noch einmal neu kalkuliert wird.

Vor dieser krisenhaften Kulisse arbeiten dieser Tage die Chefs von CDU und CSU an ihrem Profil. Gestern besuchten Friedrich Merz und Markus Söder gemeinsam das Atomkraftwerk Isar 2 in Bayern und warnten vor dessen Stilllegung. Offiziell ließen die Parteichefs mitteilen, sie wollten sich bei dem Besuch der Anlage über technische Fragestellungen „informieren“.

Informieren, schreibt Markus Decker in seinem heutigen Kommentar, könnten sich die beiden allerdings „auch ohne Pressekonferenz, Kameras und Medienrummel“. In Wahrheit wollten Merz und Söder „öffentlichkeits­wirksam einen Punkt machen“.

Habeck plant die Quadratur des Kreises

Doch auch jene, die wie Altumweltminister Jürgen Trittin über „Propaganda“ schimpfen, müssen einräumen: Wer die Strategie der Union entlarvt, hat sie damit noch nicht durchkreuzt. Die Atomdebatte scheint der Union zu helfen. Im neuen Deutschlandtrend jedenfalls liegt die Union bei 28 Prozent, ihrem besten Wert seit der Bundestagswahl. Auf Platz zwei folgen die Grünen mit 23 Prozent. Die SPD liegt bei 17 Prozent, ihrem schwächsten Wert seit mehr als einem Jahr.

Eine Lösung im Streit um die Reaktorlaufzeiten muss jetzt Robert Habeck aus dem Hut zaubern, der grüne Bundes­wirtschafts­minister und Vizekanzler. Am 21. August, hört man in Berlin, will Habeck die Ergebnisse eines Stresstests vorstellen, mit dem der zu erwartende Strombedarf für den Winter 2022/2023 derzeit noch einmal neu kalkuliert wird.

Die politischen Konsequenzen aus dem Stresstest könnten auf nichts Geringeres hinauslaufen als eine Quadratur des Kreises – auf so etwas ist Habeck ja inzwischen spezialisiert.

Auch wenn es niemand laut sagt, zeichnet sich schon ab, dass zumindest Isar 2 wohl am Netz bleiben wird. Habeck könnte mit dem Ausdruck des Bedauerns darauf verweisen, dass in Söders Land zu wenig erneuerbare Energie zur Verfügung steht, als dass ein Abschalten dieses Reaktors zum 31. Dezember verantwortbar wäre. Hat Berlin nicht auch bei Corona einen Teil der Verantwortung elegant in Richtung Länder gelupft? Der Clou ist: Damit wäre jedenfalls für Bayern eine Lösung gefunden, mit der sogar alle gut leben könnten.

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Zitat des Tages

Russland hält Brittney zu Unrecht fest. Das ist nicht hinnehmbar. Ich fordere Russland auf, sie sofort freizulassen, damit sie bei ihrer Frau, ihren Angehörigen, Freunden und Teamkollegen sein kann.

US-Präsident Joe Biden

zum Fall der in Moskau wegen Drogenbesitzes zu neun Jahren Haft verurteilten Brittney Griner. Die amerikanische Basketballspielerin soll 0,5 Gramm Haschisch bei sich gehabt haben.

 

Leseempfehlungen

Eine Berührung im Gedränge oder auch ein dreistes Grapschen: Immer mehr Frauen erleben sexuelle Belästigungen in Fußballstadien. Viele Vereine wollen mit Schutzkonzepten dagegen vorgehen. Bei Borussia Dortmund etwa gibt es einen Schutzraum im Stadion, wo Menschen, die Rassismus, Sexismus, Homophobie oder anderen Angriffen ausgesetzt sind, eine psychologische Notfall­versorgung bekommen oder einfach nur einen Rückzugsort vorfinden. Miriam Keilbach berichtet über diese Bemühungen der Bundesliga zu Beginn der neuen Saison (+).

Narzissten müssen immer im Mittelpunkt stehen. Ihre Selbstbezogenheit macht auch vor dem eigenen Kind nicht halt. Das hat für den Nachwuchs drastische Folgen – auch im Erwachsenenalter. Ein Betroffener und eine Psychiaterin über die gefährliche Eltern-Kind-Beziehung (+).

 

Aus unserem Netzwerk: Burger ohne Fleisch

Burger King möchte vegan werden. Seit diesem Monat sind in allen deutschen Filialen und bei fast allen Produkten fleischlose Alternativen zu bekommen. Die „Hannoversche Allgemeine Zeitung“ hat einen Blick in das Burger-Entwicklungslabor geworfen.

 

Termine des Tages

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan trifft heute seinen Amtskollegen Wladimir Putin im russischen Sotschi am Schwarzen Meer.

In Wien gehen heute die internationalen Gespräche über eine Rettung des Atomabkommens mit dem Iran weiter. Der Mullahstaat scheint im Schatten der übrigen Weltkrisen dem Bau einer Atombombe näher gekommen zu sein denn je.

Um 20.30 Uhr beginnt das erste Spiel der neuen Bundesliga-Saison: Eintracht Frankfurt hat Bayern München zu Gast.

 

Wer heute wichtig wird

US-Außenminister Antony Blinken wird heute in Kambodscha an einer Konferenz der Asean-Staaten teilnehmen. Dabei könnte es auch zu einer Unterredung mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi kommen. Diplomatinnen und Diplomaten in aller Welt erhoffen sich Schritte zur Beruhigung Chinas nach den Aufwallungen um den Besuch der US-Parlamentarierin Nancy Pelosi in Taiwan. Das Foto zeigt Blinken am 4. August 2022 bei einer Veranstaltung der Amerikanischen Handelskammer in Phnom Penh.

US-Außenminister Antony Blinken wird heute in Kambodscha an einer Konferenz der Asean-Staaten teilnehmen. Dabei könnte es auch zu einer Unterredung mit dem chinesischen Außenminister Wang Yi kommen. Diplomatinnen und Diplomaten in aller Welt erhoffen sich Schritte zur Beruhigung Chinas nach den Aufwallungen um den Besuch der US-Parlamentarierin Nancy Pelosi in Taiwan. Das Foto zeigt Blinken am 4. August 2022 bei einer Veranstaltung der Amerikanischen Handelskammer in Phnom Penh.

 

Der Podcast des Tages: Eine Halbzeit mit …

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Wir wünschen Ihnen einen guten Start in den Tag,

Ihr Matthias Koch

 

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