Atomausstieg, nächste Runde der Endlosdebatte
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Zum Jahreswechsel ging das Atomkraftwerk im niedersächsischen Grohnde vom Netz.
© Quelle: Julian Stratenschulte/dpa
Berlin. Je höher die Preise für Öl und Gas, desto häufiger sind aus der Politik Forderungen nach einer Aufweichung des unter Kanzlerin Angela Merkel verabschiedeten Atomausstiegs zu vernehmen. Vergangene Woche war es Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), der nach der Ministerpräsidentenkonferenz forderte, deutsche Kernkraftwerke länger am Netz zu lassen. Jetzt wiederholte sein bayerischer Kollege eine Forderung, die er schon früher gestellt hatte: eine befristete Verlängerung der Energiegewinnung aus Kernkraft – „mindestens bis Anfang 2024“, so Ministerpräsident Markus Söder in der „Bild“. Es sei „schlichtweg unvernünftig und zum Schaden unserer Bürger, wenn die Bundesregierung jetzt den Stecker zieht“, so der CSU-Politiker. Und wurde dabei von Wirtschaftsvertretern wie Stefan Wolf, dem Vorsitzenden des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall unterstützt. „Wir sollten darüber nachdenken, in neue Kernkraftwerke zu investieren“, sagte Wolf dem gleichen Blatt.
Bundesfinanzminister Lindner will Diskussion über Atomkraft-Rückkehr
Deutschland muss nach Ansicht des FDP-Vorsitzenden Christian Lindner in der Energiedebatte auch offen über Rückkehr zur Kernkraft diskutieren.
© Quelle: dpa
Drei Meiler nur noch bis Ende 2022 am Netz
Hintergrund: Zum Jahreswechsel wurden die Kernkraftwerke Brokdorf, Grohnde und Grundremmingen C abgeschaltet, die drei letzten Meiler Isar 2, Neckarwestheim 2 und Emsland folgen Ende 2022. Widerstand gegen eine Verlängerung kommt nicht nur von SPD- und Grünen-Politikern, auch die drei deutschen Energieerzeuger Eon, RWE und WnBW sind strikt dagegen. „Der Gesetzgeber hat vor Jahren entschieden, dass Kernkraft in Deutschland keine Zukunft hat. Ein Weiterbetrieb unseres Kernkraftwerks Isar 2 über den gesetzlichen Endtermin 2022 hinaus ist für uns kein Thema“, so ein Eon-Sprecher jüngst in der „Rheinischen Post“. „Die Frage nach der Verlängerung der Laufzeiten stellt sich für die EnBW nicht. Der Ausstieg aus der Kernenergie ist 2011 im politischen und gesellschaftlichen Konsens beschlossen worden und gesetzlich klar geregelt“, so ein Sprecher des Betreibers der Anlage Neckarwestheim 2. Dabei dürfte es für einen „Ausstieg vom Ausstieg“, wenn auch zeitlich begrenzt, in rein technischer Hinsicht ohnehin zu spät sein: Die Kraftwerksbetreiber hatten Ende Mai 2022 als Deadline genannt, weil die Brennelemente in den noch laufenden deutschen Kernkraftwerken so eingeplant sind, dass sie zum Jahresende verbraucht sind.
Und auch politisch zeichnet sich keine Mehrheit für eine Laufzeitverlängerung ab. Von den drei Parteien der Regierungskoalition schloss wegen der energiepolitischen Folgen des russischen Überfalls auf die Ukraine lediglich die FDP „eine Modifizierung unserer Ausstiegspläne bei Kohle- und Kernenergie“ nicht mehr aus. In der SPD und bei den Grünen gibt es dazu allerdings keine Bereitschaft. Dabei hatte ausgerechnet der grüne Wirtschaftsminister Robert Habeck kurz nach Kriegsbeginn den Geist aus der Flasche gelassen: „Ich würde das nicht ideologisch abwehren“, hatte er auf die Frage einer möglichen möglichen Laufzeitverlängerung geantwortet. Doch dann ruderte der für Energiefragen zuständige Minister zurück.
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Markus Söder (CSU), Ministerpräsident des Freistaats Bayern, fordert ein Überdenken des Atomausstiegs und eine Laufzeitverlängerung für die drei deutschen Meiler, die Ende des Jahres vom Netz gehen.
© Quelle: Daniel Vogl/dpa
Nicht erst seit dem rasanten Anstieg der Energiepreise infolge des Krieges feiert Atomenergie ein Comeback. Briten und Amerikaner setzen auf sogenannte Small Modular Reactors (SMR), also kleine modulare Reaktoren. In Schweden, Polen, Frankreich und Tschechien werden neue Meiler geplant.
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