Astrazeneca-Impfstoff kaum wirksam bei Senioren? Kritik an deutschen Berichten
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Eine Ampulle des Corona-Impfstoffs der Universität Oxford und des Pharmakonzerns Astra Zeneca.
© Quelle: Russell Cheyne/PA Wire/dpa
Berlin. Astra Zeneca hat Berichte, wonach der Impfstoff des Unternehmens bei Menschen über 65 nur eine Wirksamkeit von 8 Prozent habe, zurückgewiesen. Diese Meldungen seien “komplett falsch”, teilte ein Sprecher am Dienstagmorgen mit. Astra Zeneca verwies unter anderem darauf, dass die Notfallzulassung der britischen Aufsichtsbehörde für Arzneimittel (MHRA) ältere Menschen mit einschließe.
Eine Studie habe gezeigt, dass der Impfstoff auch bei Senioren eine starke Immunantwort auslöse. Allerdings heißt es in dieser Studie auch, dass es wegen geringer Fallzahlen noch zu wenig Daten zur Wirksamkeit bei älteren Menschen gebe.
In Großbritannien äußerten sich Regierungskreise irritiert über die Berichte. “Keine Ahnung, wo die Zahl herkommt”, zitierte das Online-Portal “Politico” aus Regierungskreisen in London. Vielleicht sei die Zahl vertauscht worden: “Acht Prozent ist der Anteil der über 65-Jährigen, die an der Studie teilgenommen haben, aber nicht die Wirksamkeit”, so “Politico” weiter. Ein anderer ranghoher Mitarbeiter des Regierungsapparats nannte die Berichten demnach “unbegründet und falsch”, eine dritte Quelle betonte, solche Angaben seien eher von der russischen Propaganda erwartet worden als von deutschen Medien.
Gesundheitsministerium weist Berichte ebenfalls zurück
Und auch das Bundesgesundheitsministerium wies die Berichte zurück. Aktuelle Berichte dazu könne man nicht bestätigen, erklärte ein Sprecher am Montag.
Das Ministerium erläuterte, auf den ersten Blick scheine es so, dass Dinge verwechselt würden: Rund acht Prozent der Probanden der Astrazeneca-Wirksamkeitsstudie seien zwischen 56 und 69 Jahre alt gewesen, nur 3 bis 4 Prozent über 70 Jahre. Daraus lasse sich aber nicht eine Wirksamkeit von nur acht Prozent bei Älteren ableiten.
Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) werte die Studien aus, erklärte das Ministerium. Bekannt sei seit dem Herbst, dass in den ersten eingereichten Studien von Astrazeneca weniger Ältere beteiligt gewesen seien als bei Studien anderer Hersteller. Mit dem Ergebnis der Auswertung durch die EMA sei an diesem Freitag zu rechnen.
„Handelsblatt“ und die „Bild“-Zeitung hatten übereinstimmend berichtet, dass der Impfstoff bei über 65-Jährigen womöglich kaum wirke und sich auf Koalitionskreise und interne Gespräche zwischen der Bundesregierung und den Bundesländern berufen.
Demnach befürchte die Bundesregierung, dass der in der Europäischen Union noch nicht zugelassene Impfstoff bei Senioren nur eine Wirksamkeit von weniger als zehn Prozent habe. Im Bericht des „Handelsblatt“ heißt es konkret, die Bundesregierung rechne „nur mit einer Wirksamkeit von acht Prozent bei den über 65-Jährigen.“
Zulassung diesen Freitag erwartet
Eine Zulassung des Impfstoffes war für diesen Freitag erwartet worden. Hoffnung wurde unter anderem deshalb in den Astrazeneca-Impfstoff gesetzt, weil für dessen Transport keine starke Kühlung wie für den Biontech-Impfstoff notwendig ist. Er könnte deshalb bevorzugt durch mobile Impfteams eingesetzt werden, die etwa Senioren zu Hause aufsuchen.
Sollten sich die Befürchtungen über die mangelnde Wirksamkeit bewahrheiten, wonach es derzeit nicht aussieht, könnte das eine Zulassung lediglich für die Impfung jüngerer Personen bedeuten. Für die Impfstrategie der Bundesregierung würde das einen weiteren schweren Rückschlag bedeuten.
Astrazeneca hatte erst am vergangenen Freitag erklärt, bis Ende März statt der vereinbarten 80 Millionen Impfdosen lediglich 32 Millionen Dosen an die EU liefern zu können. Grund seien Probleme in der europäischen Lieferkette. In der EU gibt es hingegen die Vermutung, Astrazeneca habe der EU zugesicherte Impfstoffe an andere Länder verkauft. Die EU-Kommission schlug deshalb am Montag ein Transparenzregister zur Erfassung der Exporte von Corona-Impfstoffen aus der EU vor.
Hinweis: Dieser Artikel wurde nachträglich bearbeitet und unter anderem um eine Stellungnahme des Pharmaunternehmens Astrazeneca sowie Äußerungen aus britischen Regierungskreisen ergänzt.
RND/feh/dpa/cz