Diskussionen um Astrazeneca: das große Unverständnis der Briten

Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, hält während des Besuchs eines Corona-Impfzentrums ein Fläschchen des Impfstoffs von Astrazeneca hoch.

Boris Johnson, Premierminister von Großbritannien, hält während des Besuchs eines Corona-Impfzentrums ein Fläschchen des Impfstoffs von Astrazeneca hoch.

London. Die britische Regierung beeilte sich mit ihrer Verteidigungsoffensive und schickte ihre Minister hinaus, die auf allen Kanälen und in Interviews die Bevölkerung beruhigen sollte. Der Astrazeneca-Impfstoff sei sicher, wirksam und habe schon Tausende Leben in diesem Land gerettet – so lautete die Botschaft, die gebetsmühlenartig wiederholt wurde, nachdem Berichte aus Deutschland neue Fragen zu möglichen Nebenwirkungen des Vakzins aufwerfen hätten können.

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Das passierte aber nur bedingt. Auf der Insel wird die Diskussion in Kontinentaleuropa vielmehr mit einem gewissen Unverständnis verfolgt. Er sehe keinen Grund, den Einsatz des von der Universität Oxford entwickelten Impfstoffs infrage zu stellen, sagte Wohnungsbauminister Robert Jenrick. Die Regierung habe hundertprozentiges Vertrauen in die Wirksamkeit des Präparats, und das sei durch verschiedene Studien, die britische Arzneimittelbehörde MHRA und jüngste Forschungsergebnisse bestätigt worden.

Auch die EMA sowie die Weltgesundheitsorganisation waren zu dem Schluss gekommen, dass der Nutzen des Mittels die Risiken überwiege. „Die Oxford-Impfung ist sicher, und die Pfizer-Impfung ist sicher. Was dagegen nicht sicher ist, ist Covid zu bekommen“, sagte Premierminister Boris Johnson kürzlich, bevor er sich selbst den Piks in den Arm abholte. Es handelte sich selbstredend um die von Medien und Politikern oft gepriesene „Oxford-Impfung“.

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Diese werde in England „als Symbol für britischen Mut und Genialität“ gefeiert, schrieb die „Irish Times“. Obwohl Experten vor den Folgen des „Vakzinnationalismus“ warnen, kann die Regierung kaum ihren Stolz auf das in Oxford in Zusammenarbeit mit dem britisch-schwedischen Unternehmen Astrazeneca entwickelte Vakzin verbergen.

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Wissenschaftler pochen auf die Daten

Im Königreich hängt der Erfolg des Impfprogramms deutlich stärker von Astrazeneca ab, als dies auf dem Kontinent der Fall ist. Rund 31 Millionen Menschen – beinahe 60 Prozent der erwachsenen Bevölkerung – haben zumindest die erste Impfung erhalten. Ein großer Teil davon bekam das Astrazeneca-Mittel verabreicht, das unter anderem in zwei Werken in Großbritannien hergestellt wird.

So wurden laut MHRA bis zum 14. März geschätzte 13,7 Millionen Einheiten des Astrazeneca-Präparats und 10,9 Millionen Dosen von Pfizer/Biontech verimpft. Seit einigen Wochen, mittlerweile sind alle über 50-Jährigen an der Reihe, wird laut Medienberichten fast nur noch Astrazeneca vergeben für Erstimpfungen, während im ersten Monat der seit 8. Dezember laufenden Kampagne das früher zugelassene Pfizer-Mittel zum Einsatz kam.

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Um mögliche Zweifel in der Öffentlichkeit auszuräumen, pochen Wissenschaftler vor allem auf die Daten. Unter elf Millionen Astrazeneca-Geimpften habe es laut MHRA fünf Fälle einer Sinusvenenthrombose gegeben, davon endete einer tödlich. Angesichts der großen Zahl verabreichter Dosen und der Häufigkeit, mit der Blutgerinnsel auf natürliche Weise aufträten, gebe es keinen Anlass für einen Stopp.

Günstig und einfach zu lagern – das Vakzin sollte der Heilsbringer werden, angekündigt als „der Impfstoff für die Welt“. Und tatsächlich blickte bereits im April 2020 die Welt voller Hoffnung nach Oxford. Die Pandemie stand noch relativ am Anfang, da begannen die Wissenschaftler am Jenner Institute der Universität – als erstes Team in Europa –, ihr entwickeltes Vakzin an Menschen zu testen.

Pannen, Fehler und Missverständnisse

Die Neuigkeiten, die in den folgenden Monaten nach außen drangen, klangen vielversprechend. Dieses Mittel, so freuten sich Experten, könnte eine entscheidende Rolle im Kampf gegen das Coronavirus spielen.

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Wie also wurde der Impfstoff vom bewunderten Oxford-Hoffnungsträger zum ungeliebten Astrazeneca-Problemmittel? Im Juli vergangenen Jahres versprach das britisch-schwedische Unternehmen Astrazeneca, das Präparat im Falle eines Erfolgs weltweit zum Selbstkostenpreis verkaufen zu wollen. Die Welt freute sich.

Doch in den folgenden Monaten sorgten Pannen, Fehler und Missverständnisse für Aufsehen. Hinzu kam der Ärger auf dem Kontinent über Lieferengpässe und gebrochene Versprechen. Es folgten Impfstopps und wechselnde Empfehlungen. Der Imageschaden war angerichtet. Nur die Briten lassen sich bislang nicht davon beirren – und impfen fleißig weiter.

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