Lübcke-Mord: Stephan E. leugnet Tat und belastet mutmaßlichen Komplizen
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Stephan E., Tatverdächtiger im Fall des ermordeten Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke, bestreitet, den tödlichen Schuss abgegeben zu haben.
© Quelle: Uli Deck/dpa
Kassel. Erst ein Geständnis, dann ein Widerruf, jetzt eine völlig neue Aussage: Der dringend tatverdächtige Stephan E. hat am Mittwoch bestritten, den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke erschossen zu haben. Schon vor Tagen hatte sein Anwalt Frank Hannig angedeutet, sein Mandant, der seit mehr als fünf Monaten in Untersuchungshaft sitzt, werde sich erneut und diesmal überraschend anders zu den Anschuldigungen äußern.
Unmittelbar nach seiner Verhaftung hatte der Rechtsradikale gestanden, Lübcke erschossen zu haben – und zwar ohne die Mithilfe eines anderen. Seine Aussagen führten die Ermittler unter anderem zum Versteck der Mordwaffe und einem Waffen- sowie Munitionslager. Dieses Geständnis hatte E. aber Anfang Juli widerrufen.
Am Mittwoch legte Stephan E. in Kassel ein neues Geständnis ab. Im Anschluss trat sein Rechtsbeistand vor die Presse und berichtete über die neue Tatversion seines Mandanten. Nun beschuldigt E. den 43-jährigen Neonazi Markus H., nicht nur an dem Mord beteiligt gewesen zu sein, sondern geschossen zu haben. Zuvor hatte E. lediglich behauptet, die Tatwaffe, einen Revolver der brasilianischen Marke Rossi, von H. bekommen zu haben. Beide seien in der Tatnacht zum Haus von Walter Lübcke gefahren.
Hauptverdächtiger im Mordfall Lübcke beschuldigt Bekannten
Kassels Regierungspräsident Walter Lübcke ist im Juli 2019 erschossen worden. Der Hauptverdächtige gestand, hat nun aber seine Aussage widerrufen.
© Quelle: dpa
Ein Mord sei nie beabsichtigt gewesen
Wie der Verteidiger von E. am Mittwoch erklärte, wollten Stephan E. und Markus H. den Politiker mit der Waffe bedrohen und einschüchtern. Ein Mord sei nie beabsichtigt gewesen. Auf der Terrasse des Privathauses des CDU-Politikers in der Nähe von Kassel sei es dann zum Streit mit Lübcke gekommen. Schließlich habe sich ein „Schuss gelöst“. Die Waffe soll zu diesem Zeitpunkt Markus H. in der Hand gehalten haben.
Zu den brisanten Details der neuen Aussage von Stephan E. wollte dessen Anwalt mit Blick auf das laufende Verfahren keine weiteren Aussagen machen. Am Tatort selbst fanden die Ermittler bislang keine Spuren, die auf einen weiteren Täter hindeuten. Am Hemd Lübckes wurde jedoch eine Hautschuppe von Stephan E. sichergestellt, welche die Ermittler überhaupt erst auf die Spur von E. geführt hatte. Rossi-Revolver werden in Kreisen der organisierten Kriminalität als sogenannte Stupsnasen bezeichnet. Um zielsicher zu treffen, müssen die Waffen auf das Opfer aufgesetzt werden. Das Projektil verbleibt nach dem Schuss im Lauf.
Von Markus H. wurde nach Informationen des NDR eine DNA-Probe genommen. Anders als bei Stephan E. hat es aber keinen Treffer bei den Spuren am Tatort gegeben.
Komplizen kennen sich aus Neonaziszene
Stephan E.s mutmaßlichem Komplizen Markus H. wird bislang Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Er sitzt deshalb ebenfalls in Untersuchungshaft. Er soll Stephan E. Kontakt zum mutmaßlichen Verkäufer der Mordwaffe vermittelt haben. Außerdem soll Markus H. laut Ermittlungsbehörden E. in seinen mutmaßlichen Mordplänen bestärkt haben. Stephan E. und Markus H. kennen sich aus der Kasseler Neonaziszene, in der beide aktiv waren. Sie besuchten unter anderem zusammen rechte Demonstrationen.
„Der Tathergang und auch die mutmaßliche Beteiligung weiterer Tatverdächtiger müssen unabhängig von der Glaubhaftigkeit der Einlassungen von Stephan E. aufgeklärt werden. Wir müssen wissen, welche Netzwerkstrukturen hinter dem Mord an Walter Lübcke standen, konkrete Mittäter und deren Umfeld“, sagte die Grünen-Innenexpertin Irene Mihalic dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND).
RND